Liebe Leserinnen und Leser,

nun sind wir im Jahr 2021, 2020 ist vorbei und na ja, sicher noch lange nicht vergessen.

Wir wünschen Ihnen und zugegebenermaßen auch uns ein Jahr, in dem wir uns wieder näherkommen können, näher nicht nur in Zoomkonferenzen, mit WhatsApp-Nachrichten und Memes auf Socialmedia-Plattformen, sondern tatsächlich. Im privaten Bereich, aber auch auf Festen, auf Kulturveranstaltungen, beim Einkaufsbummel und wenn es darum geht, etwas zu bewegen oder es darum geht, sich zu bewegen, vielleicht sogar im Fitnessstudio, auf dem Spielfeld oder zu mehreren im Takt der Musik, das wäre mal wieder etwas. Wer von Ihnen hat die Sehnsucht nicht danach?

Wie viel wir wohl in diesem Land alle zusammen 2020 zugenommen haben? Spaß beiseite: Der kollektive Bewegungsmangel, so viel scheint sicher, wird gesundheitliche Konsequenzen haben. Und diese werden nicht zuletzt auf die Kosten im Gesundheitswesen schlagen, auch wenn einige in den letzten Monaten sich ein ganzes Homefitness-Studio zusammengekauft haben um fit zu bleiben und manche auch die Disziplin haben, ohne Gruppendynamik regelmäßig zu trainieren. Die Fitnessstudios, um nur ein Beispiel zu nennen, wird das nicht ersetzen.

Ja, wir wissen, dass es Menschen gibt, die in der Digitalisierung die einzige Lösung sehen, die uns künftig vor den Auswirkungen solcher Pandemien schützt und irgendwie überhaupt das Allheilmittel sein soll, für die Umwelt, für die Wirtschaft, für uns alle. Aber geht es wirklich auch ohne Kultur, der wir körperlich nahekommen, ohne Innenstädte, ohne Ausflüge in die Natur und sich treffen in Welt eins? Wir glauben, nicht wirklich. Und wir haben ein paar Belege dafür, dass wir uns jetzt aufmachen müssen, die richtige Einstellung zwischen Welt eins und der digitalen Welt zu finden, anstatt einfach nur auf das Ende der Pandemie zu warten:

Am Neujahrskonzert von Otto Sauter in Singen waren wir digital dabei: Zum Start hatten sich da 20 Leute »versammelt« vor den Bildschirmen daheim, mittlerweile haben das YouTube-Video etwas über 300 Leute gesehen. Ganz nett, aber: Es war eben in keiner Weise ein gesellschaftliches Event, so live mit 20 Zuschauern … Je länger die Krise geht, desto größer wird die Gefahr sein, dass das Kulturleben, das wir als Spiegel der Gesellschaft in einer ordentlichen Vielfalt dringendst brauchen und das bereits Leck geschlagen hat, untergeht. Veranstaltungstechniker werden vielleicht dann umgeschult haben, der Staat als Garant für unser Kulturleben wird seine Ausgaben wahrscheinlich reduzieren müssen und viele Soloselbständige im Kulturbereich werden sich neue Jobs gesucht haben.

In den ganzen lokalpolitischen digitalen Formaten sind meistens mehr Menschen damit beschäftigt, die Technik einzurichten und die Veranstaltung vorzubereiten, als nachher Teilnehmerinnen und Teilnehmer dabei sind. Das #teamlaschetspahn schreibt im zum Jahreswechsel auf die Reise geschickten Wahlkampfimpulspapier bereits: »Ausweitung von inhaltlichen Formaten, weil politisches Engagement zunehmend inhaltlich und weniger regional erfolgt.« (Dazu unten mehr.)

Einzelhändler in der Region bieten sich online an, manche schon mit richtig viel Erfahrung und sie machen, sicherlich auch unterstützt durch unsere Kampagne, dabei durchaus die Erfahrung, dass die regionalen Kunden dankbar sind. Aber den Großteil ihres Onlinegeschäftes machen auch viele der regionalen Player außerhalb der Region. Fazit: der regionale Fokus wird online nicht ausreichen, um mittelständische Betriebsgrößen zu ernähren. Derzeit bekommen Sie, liebe Leserinnen und Leser, von den vom Lockdown betroffenen Händlern viele Rabatte angeboten. Die müssen diese Händler so anbieten, weil sie sich Umsatz mit Rabatten bei Ihnen kaufen müssen, um zahlungsfähig zu bleiben. Die Staatshilfen (in diesem Fall Überbrückungshilfe III) helfen den meisten der Händler kein Stück weiter, sie sind einfach schlecht zugeschnitten, wenn sie denn überhaupt jemals helfen sollten. Jetzt ist gestern der Lockdown verlängert worden, der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels befürchtet 50.000 Firmen-Pleiten wegen dieses zweiten Lockdowns. Und wer als Einzelhändler die Krise überlebt, für den sieht es nach der Krise nochmals anders aus: da müssen wieder Erlöse erwirtschaftet werden, die lassen sich mit Miet- und Personalausgaben im Nacken nur dann erwirtschaften, wenn auch ordentliche Preise für die Ware bezahlt werden. Dann können die Onlinehändler, die sich regional nicht einbringen, zum finalen Schlag ausholen, unterstützt von einer Politik, die den Onlinehändlern hier in Europa das Recht einräumt, sich nicht am Gemeinwohl zu beteiligen, aber unsere Infrastruktur zu nutzen und die von Regierungsmitgliedern noch unterstützt werden ...

Ein Wort zur Umwelt: Das System zur Aufrechterhaltung des Bitcoinsystems, jener Daten-Währung, die angefangen hat, die Finanzwelt im Kern zu verändern, verbraucht pro Jahr mehr Strom als die gesamte Schweizer Volkswirtschaft (67 Terawattstunden). Digital = nachhaltig. So einfach ist es eben nicht.

Gleichzeitig allerdings tun wir der Umwelt sicherlich etwas Gutes, wenn weniger Businessvielflieger in Deutschland unterwegs sind, die nur mal für ein dreistündiges Meeting nach Berlin fliegen. Universitäten können in der Erwachsenenbildung völlig neue Wege gehen, wenn das Thema E-Learning erst einmal für jedefrau und jedermann Gewohnheit geworden ist. Vieles kann tatsächlich sicherlich auch in der Region inhaltlich viel besser, prägnanter und schneller online geklärt werden, als mit großen Terminen und aufwändigen Anfahrten. Urlaube und Ausflüge haben auch im näheren Umkreis Erlebniswert.

Unsere Hoffnung nun ist, dass das Papier von #teamlaschetspahn in einem Punkt umgesetzt wird: Es muss mehr um Inhalte gehen. Aber, das wollen wir hinzufügen: Warum nicht auch lokal? Es ist ja schön, wenn online eine Petition nach der anderen durch die Lande getrieben wird, wenn Politik über Influencer in die Bevölkerung getrieben wird und online letztlich alles zerdiskutiert, weil nie durchdacht wird. Aber glauben wir denn wirklich, dass sich die Zukunft eines Landes mit inflationär vielen Petitionen und Likes und Kommentaren auf Facebook schaffen lässt?

Um mitreden zu können, müssen sich die Menschen engagieren. Tun. Weil nur so, im Tun, erleben wir die Gesellschaft, von der wir Teil sind. Und nur so haben die Inhalte, über die wir reden, irgendetwas mit der Realität zu tun. Ohne Realitätsbezug keine sinnvollen und lebensfreundlichen Inhalte. Und dieses Tun findet vor Ort statt. Wir lieben das, woran wir beteiligt sind, wo wir mittun können. Ohne Beteiligung der Menschen vor Ort werden unsere Städte und Gemeinden, das sagen wir voraus, bald fürchterlich aussehen, weil: was wir nicht lieben, ist uns egal. Von den ersten Anzeichen können die Stadt- und Gemeindeverwaltungen und örtlichen Polizeidienststellen ein Lied singen. Und wir sollten da nicht einfach zuschauen, sondern überlegen, wie es geht, dass sich möglichst viele vor Ort engagieren wollen. Dazu müssen sich die Mächtigen selbst öffnen.

Denn für dieses Tun, für dieses Engagement braucht es Klarheit. Klarheit meint Rahmenbedingungen, die das Vor-Ort-tun unterstützen, nicht nur für den Handel, zum Beispiel digitale Unterrichtsformate, die funktionieren und Vorbild sind, damit unsere Kinder lernen, wie digital richtig funktioniert, Erleichterungen für das ehrenamtliche Arbeiten etc. Das Geschwurbel, das den Coronapolitikkritikern – leider manchmal zu Recht – anheimgestellt wird, dieses Geschwurbel ist ja auch leider die typische Sprache der Politik, auch in diesen Umbruchzeiten, außer wenn es darum geht, die nächsten Lockdownziele zu verkünden. Geschwurbel ist zum Beispiel die Diskussion über die Zahl der verfügbaren Impfdosen. Tatsache ist: Wir haben zu wenig Impfdosen für eine sinnvolle Perspektive, deshalb fühlt sich das auch gerade so nach unendlichem Nebel an. Aber in diesem Land diskutieren wir, bevor wir wissen, wie wir genug Impfdosen herbekommen, schon über die Frage, ob gerecht verteilt wird und ob Geimpfte Privilegien genießen sollen oder eben nicht. Irgendwie, glauben wir, müssen wir erst einmal wieder lernen, dass nur verteilt werden kann, was auch da ist.

So starten wir mit Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, nachdenklich und ein bisschen offensiv ins neue Jahr und wünschen Ihnen, dass Sie nicht verzagen, sondern sich dieser intensiven Zeit stellen und zuversichtlich bleiben.

Geben wir diesem Jahr eine Chance.

Carmen Frese-Kroll, Verlegerin
Anatol Hennig, Herausgeber
Oliver Fiedler, Chefredakteur

Autor:

Redaktion aus Singen

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