Liebe Leserinnen und Leser,

in diesen Tagen haben wir etwas fassungslos nach Stuttgart geschaut: Dort hat eine Demonstration stattgefunden. Und dass Demonstrationen stattfinden dürfen, ist aus unserer Sicht mehr als sinnvoll: Das Demonstrationsrecht ist ein hohes Gut, ein sehr hohes Gut. Denn durch die persönliche Präsenz vieler wird Meinung sichtbar und geht nicht unter in den Filterblasen der Social-Media-Kanäle. Nein, es ging darum, dass die Demonstrantinnen und Demonstranten größtenteils ohne Maske und ohne ausreichend Abstand durch die Straßen zogen und dass Stadtverwaltung und Polizei offensichtlich nicht ausreichend vorbereitet waren, um geltende Regeln durchzusetzen.

Wenn man dann im Vergleich dazu sieht, dass gleichzeitig viele Menschen einsam sind, ihre Eltern oder Kinder nicht sehen können und umgekehrt, Kinder und Jugendliche nahezu jeder sozial wichtigen (also auch körpernahen wie Rangeleien, Raufereien, ersten Liebeleien etc.) Interaktionsmöglichkeit entbehren müssen, Einzelhändler, Gastronomie, Künstler etc. nicht mehr agieren dürfen, weitere Branchen darunter leiden, dann wirft das Fragen auf. Fragen, auf die es keine Antworten gibt, weil sie ignoriert werden. Genauso, wie es keine Antwort auf die Frage gibt, warum ein Automobilkonzern 1,4 Milliarden Euro Dividende auszahlen darf und gleichzeitig vom Krisenkurzarbeitergeld profitiert hat.


Die Krise ist dank fehlender strategisch wirksamer Perspektiven an einem schwierigen Punkt
und irgendwie will einem der Glaube an ein gutes Ende nicht so richtig leicht fallen. Zu engstirnig, fachidiotisch die Sichtweise, die in Berlin gelebt wird, zu wenig zielführend die Machtrangeleien und der bange Blick auf die Mehrheitsmeinung, die vor allem aus gesellschaftspsychologischer Sicht eben nicht das Maß aller Dinge sein kann, denn die Mehrheit ist die Summe der Menschen, die sagt: Ich möchte für mich Sicherheit haben und meine Werte repräsentiert sehen. Es müsste aber darum gehen, eine sinnvolle Strategie, die zur Lage passt, zu entwickeln und für die Betroffenen wirklichen Ausgleich zwischen den Gewinnern der Krise und den Verlierern hinzubekommen. Das wäre dann im Ergebnis gelebte Solidarität.

Müsste es jetzt nicht ein Innehalten geben? Und müsste nicht eine Frage gerade neu bewertet werden: Was ist die Aufgabe derzeit in der Pandemie?

Impfen zum einen. Darüber ist viel geschrieben worden. Hier haben die deutsche Bürokratie in Bund und Ländern und die Politik in Berlin und Brüssel weitestgehend versagt. Bereits die Einstellung ist hier grundlegend falsch: Die Bürokratie lässt die Bürger sich bewerben, die dann durch die Gegend fahren müssen, um sich impfen zu lassen. Und dann ist zu wenig Impfstoff da … Bürokratie fehlgeleitet ... Dabei ist trotz Meldungen über vereinzelte Nichtwirksamkeit des Impfstoffes (kein Impfstoff schützt zu 100 Prozent) das Impfen alternativlos. Wenn man hier klar entscheiden würde, könnte man auch für Geimpfte öffnen, wenn man dann das große Ganze sehen würde.

Und zum anderen geht es ja nicht darum, Kontakte zu vermeiden zwischen Menschen, sondern etwas differenzierter: die Kontakte zwischen Nichtinfizierten und Infizierten zu vermeiden. Lockdowns aber vermeiden alle Kontakte zwischen Menschen mit entsprechenden Kollateralschäden. Also geht es darum, bis Berlin und Brüssel das selbst verursachte Impfchaos auf die Reihe gebracht haben, eben zu testen, so viel wie möglich. Weil nur so klar ist, wer infiziert ist … Da ist die Ebene der Städte und Gemeinden die richtige und das wird mittlerweile ja auch gelebt, beispielsweise in Singen oder Radolfzell.

Gleichzeitig schauen wir in die Krankenhäuser und sehen, dass die Intensivstationen voll sind, auch mit Jüngeren, die an Covid-19 erkrankt sind, und gleichzeitig (Strategiefehler) zu wenig Pflegekräfte und Ärzte da sind, um das noch zu stemmen, weil ja auch Pflegepersonal und Ärzte erkranken oder in Quarantäne müssen zwischendrin.

Was auch für einen ganz harten Lockdown sprechen könnte, der aber irgendwie bedingt, dass nicht die einen dann den anderen, während sie selbst nichts mehr verdienen, weiter das Geld aus der Tasche ziehen können.

Wir wünschen uns, dass die Verantwortlichen der Strategie:

  1. Die Ressourcen neu bewerten: Was kann die lokale Ebene leisten und was braucht sie dafür? Was müssen die Rahmenbedingungen sein, die der Bund gibt?
  2. Die Probleme und Blockaden neu bewerten:
    Die muss das Gesundheitssystem inklusive Impfstoffbeschaffungschnell der Lage angepasst werden? Ist die Devise »Datenschutz vor Menschenleben« wirklich richtig?
  3. Neu durchdenken, wie die Regelnund die Strategie angenommen werden können: Was sind solche Zumutungen für die Menschen, dass die Rücknahme der Beschränkungen bereits in der Verordnung klar und verlässlich drinstehen muss? Wie ist der Weg aus der Krise, für wen wann, inklusive der Frage, ob die Freiheit von Geimpften weiterhin so eingeschränkt werden darf? Wie muss Ausgleich zwischen Gewinnern und Verlierern aussehen?
  4. Neu entscheiden und klar kommunizieren.

Bis dahin wollen wir Ihnen weiterhin Ideen aus Ihrem eigenen Kreise geben, wie Sie ganz für sich persönlich für eine Zeit raus aus dem Corona-Blues kommen können. Auch diese Woche finden Sie dazu einige Ideen, eine bereits auf der Titelseite …

Und dann gibt es da heute noch etwas zu feiern: Oliver Fiedler, Chefredakteur des Wochenblattes, mit dem wir seit fast 30 Jahren zusammenarbeiten dürfen, feiert heute einen runden Geburtstag. Zeit, einmal zwischendrin danke dafür zu sagen: Loyalität ist ja irgendwie heutzutage ein altmodischer Begriff. Wer will denn schon noch loyal sein? Immer unterwegs auf der Suche nach einer besseren Option ist doch heute eher im Trend.

Oliver Fiedler indes lebt Loyalität. Unterwegs ist er trotzdem gerne und viel. Nicht auf der Suche nach der besseren Option, sondern auf der Suche nach dem Wahrhaften im Wochenblatt-Verbreitungsgebiet. Und das ist für ihn das, was man direkt bei den Terminen wahrnimmt. Für ihn ist wichtig, dass wiedergegeben wird, was ist. Nicht, was man gerne hätte oder was mehr Zustimmung bekommt. Persönlicher Journalismus mit Präsenz statt Datenjournalismus und Contentmarketing. Und das Persönliche bedeutet für ihn auch immer, dass es andere, die bei der selben Veranstaltung waren, auch persönlich wahrnehmen konnten, was er schreibt. Auch das ist Loyalität, gegenüber Ihnen, liebe Leserinnen und Leser in dieser Region, ist doch Loyalität die innere Verbundenheit und deren Ausdruck im Verhalten gegenüber einer Gruppe oder Gemeinschaft. Dabei sein und spiegeln statt moralische Überhöhung.

Danke Ihnen, Herr Fiedler, danke Dir, lieber Oliver. Deine künstlerische Ader, die eben schon einmal dazu führt, dass Barbiepuppen als Symbol für den schönen Schein im Wochenblatt landen oder Nägel in Ostereier geschlagen werden, und Dein unnachahmlicher Humor, sie sind für uns und das ganze Team oft die Würze zwischen allen Diskussionen und Bestrebungen, das beste Blatt, das wir gerade können, in die Haushalte zu bringen.

Ihnen eine schöne Zeit trotz allem. Bleiben Sie sich gegenseitig gewogen, trotz aller Meinungsverschiedenheit, und schauen Sie nach sich.

Carmen Frese-Kroll, Verlegerin
Anatol Hennig, Herausgeber

Autor:

Redaktion aus Singen

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