Liebe Leserinnen und Leser

wir schreiben Woche sechs, seit klar ist, dass das Coronavirus und unser Umgang damit unser Leben wesentlich verändern wird.

Zeigt uns dieses Virus nicht vor allem, wie wichtig Solidarität ist? Wir haben mal nach - geschaut:

Im alten Brockhaus (Jubiläumsausgabe von 1895) steht: »gemeinsame Verpflichtung, Einheit der Interessen. Unter der Gemeinschaft wirtschaftlicher Interessen versteht man die für die allgemeine Volkswohlfahrt notwendige Übereinstimmung der einzelnen Erwerbsgruppen im Staate … … Die Wahrung der Gemeinschaft wirtschaftlicher Interessen ist eine der fundamentalsten Aufgaben der Volkswirtschaftslehre und der Gesetzgebung.«

Heutzutage googelt man so etwas ja, stößt dann auf Wikipedia und da steht dann am Sonntag (weil sich das ja dauernd ändert): „Solidarität bezeichnet eine … … Haltung der Verbundenheit mit – und Unterstützung von – Ideen, Aktivitäten und Zielen anderer. Sie drückt ferner den Zusammenhalt zwischen gleichgesinnten oder gleichgestellten Individuen und Gruppen und den Einsatz für gemeinsame Werte aus.

Was, liebe Leserinnen und Leser, hat sich da geändert im Laufe der Jahrzehnte? Und was wäre aus Ihrer Sicht die Definition von Solidarität, die uns in dieser Zeit und danach weiterhelfen würde? Schreiben Sie uns an seitedrei(at)wochenblatt.net. Es würde uns sehr interessieren.

Wir in Verlag und Redaktion erkennen gerade, dass wir vor allem lernen müssen, dass wir oft auch nicht genau wissen, was richtig ist und was nicht und wir gut daran tun, Ihnen mehrere Sichtweisen anzubieten. (Siehe dazu Seite 4 / ein Denkanstoß).

Zurück zur Solidarität: Ein Quadratmeter von 799 auf 800 m2 trennen seit Montag die Händler, die öffnen dürfen, von denen, die weiter geschlossen sind. Klein gegen groß und groß gegen klein. Funktioniert das? Wir lernen diese Woche sehr schnell: das ist eine Trennlinie, die nicht gut gehen kann: Viele Familienbetriebe können nicht öffnen und es erwischt auch die Familienbetriebe, die sich Amazon und Co. seit Jahren erfolgreich mit ganz viel persönlichem Engagement entgegengestellt haben und die Betriebe, auch Konzernbetriebe, mit den meisten Arbeitsplätzen. 800 m2 sind eben nicht die Linie, die nur Konzerne von den Mittelständlern trennen.

Es funktioniert auch nicht für uns, die wir jede Woche eine große logistische Leistung hinlegen müssen, um das Wochenblatt mit all den journalistischen Inhalten und den Informationen des lokalen Handels in über 85.000 Haushalte zu bringen: ein Großteil der Werbeeinnahmen bleiben aus.

Und wir überlegen uns, wie es mit groß gegen klein und klein gegen groß sonst aussieht? Große Einzelhändler sind Magnete, die Kunden anziehen, von denen kleine profitieren und kleine Händler ziehen Kunden an, von denen große profitieren und machen das Gefühl wesentlich aus, das eine Stadt oder Gemeinde ihren Besuchern schenkt. Wir haben jetzt auf jeden Fall für die Händler, die wieder für Sie da sein dürfen, eine neue Kampagne in dieser Ausgabe und im Internet unter www.wirsindwiederda.love gestrickt, in bewusst fluffigem Lifestyle-Layout. Und alle Lieferservices und Onlinehändler der Region finden Sie unter www.unternehmerschaufenster.de.

Die Bürgermeister indes merken, dass ihnen viel Gewerbesteuer fehlen wird, weil auch sie große und kleine Unternehmen brauchen, um all die schönen Dinge zu bezahlen, die eine Gemeinde oder Stadt für die Bürgerinnen und Bürger bezahlt.

Klein gegen groß oder groß gegen klein? Gibt es nicht. Es braucht beide, sonst klappt die Infrastruktur und all das, was wir vor Corona als Selbstverständlichkeit gewohnt waren, zusammen: Straßen, Fußballplätze, jede Menge Arbeitsplätze und lokaler Journalismus für alle, überhaupt Orte der Begegnung, ob persönlich oder virtuell.

Zu den Orten der Begegnung gehört auch das, was der Kulturbetrieb uns schenkte vor Corona. Doch Theater, Museen, Konzerte, Kino, sie sind alle geschlossen oder abgesagt. Da gehen nicht nur wirtschaftliche Existenzen kaputt gerade, sondern der Kulturbetrieb ist genauso wie der Journalismus etwas, was uns gesellschaftlich nährt: Es zeigt uns den Spiegel und ist ein Fenster in die Welt, Kultur macht uns Hoffnung und konfrontiert uns. Unser Projekt in diesen Zeiten für die Kultur heißt: www.waswanndaheim.tips und ist die Zuhauseversion unseres Ihnen sicherlich bekannten Veranstaltungskalenders www.waswannwo.tips, der gerade ein kümmerliches Dasein fristet. Schauen Sie rein, machen Sie mit, empfehlen Sie uns gerne Künstlerinnen und Künstler, die wir präsentieren sollen und: Wenn Ihnen etwas gefällt, dann können Sie den Künstlerinnen und Künstlern direkt Gagen bezahlen. Das ist hoffentlich für Sie dann Solidarität mit Genuss.

Das alles tun wir, weil wir überzeugt sind, dass es neben der journalistischen Hauptaufgabe genau darum geht: Einen Beitrag zu leisten in der Regionund für die Region. Weil wir glauben, dass die Version »Sorge für Dich selbst, dann ist am Ende für alle gesorgt « einfach nicht funktioniert. Es geht auch nicht nur um Interessengruppen und ihre Wünsche. Es geht natürlich darum, dass wir uns gut um uns selbst kümmern. Doch wozu? Vielleicht damit wir einen sinnvollen Beitrag leisten können, in unseren Familien, Vereinen, Unternehmen, in den Städten und Gemeinden? Damit die Gesellschaft lebt und uns ein lebendiges Umfeld bieten kann.

Und vielleicht ist der Auftrag, den uns Corona gibt, dass wir Geben und Nehmen und das, was Sinn macht in der Gesellschaft wirklich neu verhandeln und nicht nur von den Balkonen klatschen oder irgendetwas liken. Und uns dann auch trauen, uns gegenseitig wirklich zu konfrontieren. Das könnte sogar dafür sorgen, dass wir die Demokratie neu entdecken, weil uns klar wird, dass es nicht heißen kann: »Ich bin die Gesellschaft«, sondern vielleicht eher heißen muss: »Wir sind die Gesellschaft und ich bin ein Teil davon«. Wer in diese Richtung denkt, merkt auch, dass er Verantwortung trägt, für das, was er tut und für das, was er nicht tut, dass er nicht der bewertende nur auf sich selbst fixierte Zuschauer ist, sondern immer mit in der Manege steht.

Mit sonnigen Grüßen für eine mutige Restwoche und weiterhin nachdenklich

Carmen Frese-Kroll, Verlegerin
Anatol Hennig, Verlagsleiter
Oliver Fiedler, Chefredakteur

- Verlag Singener Wochenblatt

Autor:

Redaktion aus Singen

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