IG Metall warnt davor soziale Reformen wieder zu verwässern
Europa vor nationalistischen Strömungen schützen

Foto: Rund 400 Besucher waren nach Singen auf den Rathausplatz zum traditionellen Maifest der Gewerkschaften gekommen. swb-Bild: of
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Singen (of). Gewerkschaftsarbeit ist keine Gutwetterarbeit, das wurde bei der zenralen Kundgebung der Gewerkschaften zum 1. Mai besonders deutlich, die doch unter deutlich wolkenverhangenen Himmel mit nicht allzu viel Publikumszuspruch stattfinden musste. Rund 400 Menschen hatten sich nach dem ökumenischen Gottesdienst und fahnenbewehrten Umzug am Rathausplatz vor der Stadthalle versammelt hatten. „Nie wieder Krieg“, begann Frank Iwer von der IG-Metall Bezirksleitung Baden-Württemberg seine Rede in Erinnerung an den Ausbruch des 1. Weltkriegs vor 100 Jahren und 75 Jahre nach dem Beginn des 2. Weltkriegs. Dies auch in Hinsicht auf den Aufmarsch von Truppen am östlichen Ende von Europa in der Ukraine. Europa sei ein Friedensprojekt sagte, Iwer, doch der Nationalismus erstarke wieder durch rechtspopulistische Strömungen, auch in Frankreich oder in England. Man werde sich dagegen verwahren, dass Nationalisten die Völker in Europa gegeneinander ausspielen wollten. Europa sei ein soziales Projekt, aber es seien 27 Millionen Menschen arbeitslos. Auch wenn es immer heiße, dass die Finanzkrise überwunden sei, müsse man sehen das die Löhne von Arbeitern in den Krisenländern um bis zu 20 Prozent abgesenkt worden seien. Die Troika antworte auf die Krise nicht nur mit unsozialen Maßnahmen, sondern auch mit Antworten auf die Gewerkschaftsrechte. In Portugal und Spanien habe man die Tarifbindung in weiten Teilen abgeschafft. Solche fehlenden sozialen Perspektiven bedrohten nachhaltig den dauerhaften Frieden für Europa, befand Frank Iwer. Deshalb sei es um so wichtiger, an der Europawahl teilzunehmen und damit Position für ein soziales Europa zu beziehen. Es sei ein Kurswechsel in Richtung einer sozialen Perspektive nötig. „Wir wollen Baroso und die Politik der Troika abwählen“, wünschte sich Iwer.

Die soziale Spaltung sei nicht nur ein europäisches, sondern vor allem ein deutsches Problem. „Die unteren 20 Prozent der Haushalte in Deutschland haben Schulden von über 4.500 Euro, die oberen 20 Prozent aber haben ein Guthaben von einer Million.“ Rund sieben Millionen Arbeiter müssten für unter 8.50 Euro arbeiten, meinte Iwer. Es gebe in Deutschland inzwischen sogar einen „Arbeiterstrich“. Menschen ohne Rechte würden dort wie Sklaven gehandelt. „Das dürfen wir niemals akzeptieren. Schon seit 2002 fordere man einen gesetzlichen Mindestlohn. „Jetzt können diese sieben Millionen Arbeiter hoffen, zum Jahresende einen deutlichen Entgeltzuwachs zu erreichen“, freute sich Iwer. Die Ankündigung der Wirtschaft, dass dadurch Millionen Arbeitsplätze verloren gingen, sei Heuchelei. Beispiele aus England zeigten, dass durch einen Mindestlohn kaum Arbeitsplätze verloren gegangen seien.

„Wir brauchen ein Ende der Rente mit 67“, betonte Iwer weiter. Wer 45 Jahre seine Beiträge eingezahlt habe, müsste ohne Abzüge in den Ruhestand gehen können. Jetzt müsse sich gegen alle Versuche verwahren, diese angestoßenen Reformen zu verwässern. „Eine solche Wende wird natürlich nicht ohne eine Korrektur der Verteilungsverhältnisse möglich sein“, zeigte sich Iwer kämpferisch. Deutschland leide seit Jahren unter einem Verfall der Infrastruktur. Ohne Vermögenssteuer und Abgabe von 3 Prozent auf große Vermögen werde das nicht gehen.

„Wir sind wieder da“, gab Iwer bekannt. Nach Jahren des Rückgangs bei den Mitgliederzahlen habe man sich stabilisieren können und könne zum Teil, unterstützt durch erfolgreiche Tarifabschlüsse, sogar teilweise wieder einen Zuwachs der Mitglieder verzeichnen.

Die IG-Metall-Jugend propagierte in ihrem Auftritt die „Revolution Bildung“, denn das Land stehe vor dem Abgrund der Bildungslücke. Es sei ein Weiterbildungsgesetz nötig, dass eine Freistellung bei voller Lohnfortzahlung ermögliche. 48 Prozent der Jugendlichen Beschäftigen hätten laut Umfragen der IG Metall einen akuten Weiterbildungsbedarf. Das müsse auch bei künftigen Tarifverträgen geregelt werden. 2025 würden sechs Millionen Fachkräfte fehlen, das sei eine Bankrotterklärung der Bildungspolitik.

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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