»Der Trend geht zum Drittkind«
KiTas an der Kapazitätsgrenze

Der Waldorf Kindergarten in Singen konnte durch seine »Holzrahmenbauweise« sehr schnell entstehen. | Foto: Stadt Singen
  • Der Waldorf Kindergarten in Singen konnte durch seine »Holzrahmenbauweise« sehr schnell entstehen.
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Singen. Es sollte Anlass zur Freude sein: Die Stadt Singen verzeichnet in den letzten Jahren in der Gesamtbevölkerung einen Zuwachs bei den Kindern im Alter zwischen 3 und 6. Allerdings sind die Kitas im Bereich der Stadt eh schon bis zum Anschlag ausgelastet.

So gab es im Jahr 2021 unter der Singener Bevölkerung 2.104 Kinder im Alter von 3-6 Jahren – das sind 374 Kinder mehr als 2015 ohne einen entsprechenden Zuwachs in der Gesamtbevölkerung. Einen der Gründe hierfür kann Bürgermeisterin Ute Seifried sehr deutlich benennen: »Der Trend geht zum Drittkind.« Doch besonders der anhaltende Bundestrend zuwandernder Familien mit vielen Kindern und die daraus folgenden Auswirkungen auf die Altersverteilung im Land zeichnet sich hier in der Region sehr deutlich ab. Die Kalkulationen der Stadt, was den Wohnraum und die Zahl der dort (theoretisch) lebenden Personen angeht, sind dadurch inzwischen hinfällig. Das macht eine rechtzeitige Planung und Einrichtung von Betreuungsplätzen schwer bis unmöglich.

Vor entsprechend großen Herausforderungen steht man im Rathaus in der Frage, wie beziehungsweise wo die Kinder unter 6 Jahren angemessen betreut werden können. Auch in diesem Jahr ist eine zufriedenstellende Antwort darauf schwer zu finden. Denn die Zahl geschaffener Plätze, der vermittelten Kitaplätze und der Kinder, welche noch auf einen Betreuungsplatz warten, ändert sich laut Aussage der Bürgermeisterin am vergangenen Mittwoch quasi stündlich. Doch die Tendenz ist deutlich: Es gibt zu wenig Plätze in den Singener Kindertagesstätten für zu viele Kinder auf den Wartelisten und das, obwohl im letzten Jahr 106 zusätzliche Plätze geschaffen wurden.

So konnten seit Januar 2022 bis zum 11. Mai mehr als 400 Plätze, 155 an unter Dreijährige und 258 Plätze an Kinder von drei bis sechs Jahren, vermittelt werden.
Doch auf den Wartelisten für einen Platz in einer Kita in der Stadt befanden sich am Mittwoch noch immer 68 Kinder der jüngeren und 325 der älteren Gruppe. Paradoxerweise werden im September allerdings etwa 50 Kinder mehr eingeschult, als Plätze in den Kitas vergeben wurden. Diese Lücke erklärt sich Bürgermeisterin Ute Seifried mit Kindern, die vor ihrer Einschulung beispielsweise in keiner von dieser Statistik erfassten Betreuung waren.
Besonders bei der älteren Kindergruppe reichen die Plätze bei den Tagesstätten also bei Weitem nicht aus. Trotzdem hat Leonie Braun, Leiterin der Abteilung Kindertagesbetreuung in Singen, noch ein kleines Ass im Ärmel, denn für September gibt es noch 72 weitere Plätze, die ab dann frei werden und zumindest schon mal miteinkalkuliert werden können. Auch durch Schließen der personellen Lücken könnten weitere 45 Plätze belegt werden.

Dabei betonen im Gespräch am Mittwoch beide, Bürgermeisterin wie auch Abteilungsleiterin Leonie Braun, wie kurzlebig diese Statistik ist. So sehen die tagesaktuellen Zahlen zu frei werdenden Plätzen und Wartelisten heute wohl schon wieder anders aus.
Dass bis in den Herbst noch mehr als 400 Plätze für die Kleinen im Kindergartenalter aus dem Boden gestampft werden können, bleibt dabei zwar wünschenswert, allerdings mindestens ebenso unrealistisch. Trotzdem hat sich die Stadt ein Vorgehen überlegt, um zumindest einem Teil der Kinder die ihnen zustehende Betreuung bieten zu können.

Man sei laut Bürgermeisterin Ute Seifried beispielsweise bereits im Gespräch mit zwei Investoren und auf der Suche nach geeigneten Orten für kurzfristige Neubauten. So könnten hoffentlich zum Sommer 2023, ähnlich wie bei der Waldorf-Kita in »Holzrahmenbauweise«, weitere Plätze geschaffen werden.
Auch für die spontanere Schaffung von Kapazitäten in diesem Jahr gibt es Lösungsansätze. So will die Stadt unter anderem die Möglichkeit der etwa gleichbedeutenden Kindertagespflege ausbauen. Hierfür qualifizierte Personen, also Tagesmütter oder –väter, betreuen kleinere Kindergruppen meist bis circa drei Jahren entweder in privaten oder hierzu angemieteten Räumen. Die entstehenden Kosten für Miete, Anschaffungen und Ähnlichem werden dabei von der Stadt bezuschusst. So kann ein Teil der momentan in Kindertagesstätten betreuten Kinder, die jünger als drei Jahre sind, in die Kindertagespflege wandern und die frei werdenden Plätze für die etwas älteren Kinder genutzt werden. Hierzu fehlen der Stadt allerdings neben entsprechendem Personal auch geeignete Räumlichkeiten. Diese müssen zwei oder mehr Zimmer haben, ein Bad, eine Küche sowie einen kleinen Garten oder eine andere Spielmöglichkeit im Freien. Aus Sicherheitsgründen sollten die Räume zudem im Erdgeschoss liegen, um angemessene Fluchtwege zu bieten.
Als dritten Ansatzpunkt möchte die Stadt an den Kindertagesstätten sogenannte »Zusatzkräfte« einstellen. Denn der Fachkräftemangel ist wohl die größte und schwierigste Baustelle bei der Betreuung, der unter 6-Jährigen. So sind in den 11 von der Stadt getragenen Kitas im Moment 5 Vollzeit- sowie 3 Teilzeitstellen unbesetzt. Ähnlich sieht es an den 20 weiteren Einrichtungen anderer Träger aus, mit 7 Voll- beziehungsweise 8 Teilzeitstellen, die zu besetzen wären.
Um sich zur Zusatzkraft qualifizieren zu können, muss »eine Qualifizierung als pädagogische Fachkraft« angestrebt werden. Hierfür kommen also zum Beispiel Personen infrage, deren ausländische Abschlüsse sich im Moment im Prüfungsprozess befinden, solche, die sich aktuell in der praxisintegrierten Ausbildung im Fachbereich Erziehung befinden oder Ähnliches. »Damit haben wir einen Bewerberpool entdeckt, der für uns hochinteressant ist und der sich sonst nicht bewerben würde«, hofft Ute Seifried, dass so gewonnenes Personal auch mit Qualifizierung hier bleiben wird.

Das wichtigste Ziel der Stadt bleibt dabei, den Kindern auch eine angemessene Betreuung zukommen lassen zu können. Was jedoch ebenfalls feststeht: Dieser Tage bekommen viele Familien, die für ihr Kind auf einen Platz in einer Kindertagesstätte hoffen, eine – zumindest vorläufige – Absage. Und einige dieser Familien, deren Kind auf der Warteliste nicht nachrücken konnte, stehen dann auch im September noch vor der Frage: »Was mache ich denn jetzt?«

Wer freie Räumlichkeiten für die Einrichtung einer Kindertagespflege hat, auf eine der genannten Weisen zur Zusatzkraft oder Tagesmutter/zum Tagesvater qualifiziert ist, kann sich melden bei:
Leonie Braun, Telefon 07731/85-191 E-Mail: kindertagesbetreuung@singen.de

Autor:

Anja Kurz aus Engen

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