Eberhard Böhm (Fraktionsvorsitzender der Bündnis 90/Die Grünen) und Dr. Franz Hirschle (Facharzt für Urologie) mit ihren Argumenten
Kontrovers: Naturschutz oder Tourismus

Hohentwiel von Süden
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Naturschutz oder Tourismus?

Er ist das Wahrzeichen von Singen und strahlt weit in die Hegaulandschaft: Der Hohentwiel prägt Stadt und Region und ist beliebtes Ausflugsziel inmitten einer besonderen Naturlandschaft. Soll der Singener Hausberg touristisch aufgewertet oder sollen Natur und Landschaft stärker geschützt werden – darüber wird kontrovers diskutiert.

Eberhard Röhm: Mehr Menschen sind neben den Wegen

»Der Hohentwiel ist ein fantastisches Kulturdenkmal inmitten eines einzigartigen, ökologisch sehr wertvollen Gebietes, in dem sich Naturschutzgebiet, Landschaftsschutzgebiet, Vogelschutzgebiet, Flora und Fauna Habitat überlappen oder aneinander anschließen.

Schon unter der aktuellen Nutzung leidet dieses ökologisch sensible Gebiet. Aufgrund der Felsstürze und der Corona Pandemie war die obere Burg lange geschlossen und der Besucherandrang deshalb stark reduziert. Erste Auswertungen zeigen, dass das aber gut für die Natur war. Die Populationen einiger Vogel- und Schmetterlingsarten haben sich stabilisiert bzw. verbessert.

80.000 zahlende Besucher und fast noch einmal die gleiche Anzahl Besucher, die nur bis zur Karlsbastion gehen und somit nicht registriert werden, verursachen an schönen Wochenenden oft ein Verkehrschaos. Vielleicht hilft da der kostenlose Shuttlebus an den Wochenenden, dieses Problem zu reduzieren. Mehr Besucher bedeutet leider auch mehr Menschen, die nicht auf den Wegen bleiben. Insbesondere auch Mountainbike-Fahrer verursachen erhebliche Schäden.

Wir brauchen nicht mehr Tagestouristen, die abends wieder nach Hause fahren. Wenn wir als Region vom Tourismus in Form von Übernachtungsgästen, Restaurantbesuchern und Einkaufsgästen mehr profitieren wollen, dann brauchen wir Konzepte, die die Menschen länger im Hegau halten. Die 3D-App, die Burgen und Schlösser vor kurzem vorgestellt hat oder die Lauschtour App mit dem »Vulkanpfad am Hohentwiel«, sind ein kleiner Betrag dazu, den Besuchern inhaltlich mehr Informationen über den Hohentwiel und die Region anzubieten. In den Apps spielen auch Natur und Naturschutz eine wichtige Rolle. Auch dafür gibt es eine Zielgruppe.

Der CDU Antrag verweist auch auf die Forderungen des Verein »Freunde des Hohentwiel«. Da gibt es Vorschläge, wie z.B. eine Toilette beim Kiosk, die unterstützenswert ist und auch dem Naturschutz zugutekommt, wenn sich die Besucher nicht mehr in die Büsche schlagen müssen. Umstritten sind dagegen die »Freilegungen«, sprich Rodungen im Bereich von Aussichtspunkten oder dort, wo eine bessere Aussicht gewünscht wird. Neben der hohen Qualität des Bannwaldes würden kahle Hänge auch die Frischluftströme für die Stadt negativ beeinflussen. Bei einer zunehmenden Stadterwärmung kann das nicht in unserem Sinne sein.

Auch beim Thema Beleuchtung der Ruine gibt es klare Gegensätze. Entgegen anderslauten der Behauptungen ist der Naturschutz strikt gegen eine Beleuchtung. Auch bei einer modernen LED Beleuchtung hat diese Beleuchtung gravierende Auswirkungen auf die Insektenwelt. Motten, Nachtfalter, Mücken, Käfer etc. werden durch künstliche Beleuchtung die Orientierung genommen. Wenn sie dann erschöpft sind, sterben viele. Dadurch reduziert sich wiederum das Nahrungsangebot für Fledermäuse, Vögel usw.

Vor der Corona Pandemie stand das Insektensterben groß in der öffentlichen Diskussion. Singen hat als eine von zwei Modellregionen in Baden-Württemberg eine Vorreiterrolle im Bereich Biodiversität übernommen. Der Stadtrat hat auf Antrag der Grünen Fraktion zugestimmt, dass auf städtischen Wiesen und Ackerflächen nur sehr eingeschränkt Pestizide ausgebracht werden dürfen und dass 5 Prozent der Fläche als Blüh und Altgrasstreifen angelegt werden müssen, was unmittelbar auch Insekten zugutekommt. Eine Beleuchtung des Hohentwiel würde diese Fortschritte wieder zunichtemachen. Der Hohentwiel ist Eigentum des Landes Baden-Württemberg. Die Forderungen nach der Aufstellung eines Landschaftsplanes suggeriert, dass die Stadt Singen direkten Einfluss hätte. Dem ist nicht so. Das Land als Eigentümer entscheidet, was auf dem Hohentwiel möglich ist oder nicht. Vielleicht wäre es an der Zeit, überzogene Forderungen zurück zu nehmen und sich auf die unstrittigen Entwicklungspunkte zu konzentrieren. Dann würde man mehr erreichen.«

Eberhard Röhm

Franz Hirschle: »Das was einfach schön!«

Franz Hirschle spricht sich klar für eine zeitgemäße Infrastruktur bei der touristischen Nutzung auf der Domäne und der Karlsbastion aus. Der öffentlich zugängliche Bereich sollte neu gestaltet werden sowie die Bänke entlang der Zugangswege erneuert oder gegebenenfalls saniert. Auch die Zugänglichkeit für Menschen mit Handicap und Senioren sollte verbessert und eine Toilettenanlage auf der Karlsbastion installiert werden. Zudem wird eine infrastrukturelle Aufwertung des Aufenthaltsbereichs für – zum Beispiel Familien mit Kindern (inklusive Grillplatz) – auf der Karlsbastion und auf der Domäne angestrebt. Hirschle spricht sich für eine Überplanung der Domäne mit dem historischen Friedhof, der Gaststätte, dem Infozentrum und dem Gutshof aus und: »Es sollte die Möglichkeit geschaffen werden, auf der Karlsbastion eine Eintrittskarte auf die Festung zu erwerben«. Neben der Installation einer Webcam auf dem Hohentwiel (Hohentwiel, Felsen, Festung) sollte die Wirkung der Ruine als Bauwerk (wieder) hervorgehoben werden. Der Felsen und die Festung waren vor 20 Jahren noch von allen Seiten gut sichtbar. Heute ist dies lediglich noch von Gottmadingen, Hilzingen und der Südstadt aus möglich. Aus der Blickrichtung Kernstadt, Nordstadt und von der Autobahn kommend ist die Festung wie zugewachsen. Die Domäne und die Festung liegen im Landschaftsschutzgebiet. Hier wäre es möglich, in diese Teilbereiche einzugreifen, sie wieder sichtbarer zu machen – insbesondere den Turm auf der Festung. Auch eine temporäre Illumination von Teilen der Festung könnte sich der Gemeinderat vorstellen.

»Im Rahmen der Eingemeindung des Hohentwiels zur Stadt Singen 1969 gab es eine temporäre bengalische Beleuchtung der Festung. Damals wurde die Festung in rotes Licht getaucht. Das war einfach schön und viele alte Singener erinnern sich gerne und mit Freude daran. Es sollte heutzutage mit entsprechender Technik möglich sein, in Absprache mit dem Naturschutz zum Beispiel im Winter Teile der Festung temporär zu beleuchten«, regt Franz Hirschle an. »Mit diesen Maßnahmen wollen wir das Naherholungsgebiet für unsere Singener Bevölkerung erweitern und verbessern und in keinster Weise als touristischen Magnet aufwerten. Denn wir sind uns durchaus unserer ökologischen Verantwortung bewusst, sehen aber auch die historische Verpflichtung zur Erhaltung der einmaligen Festungsanlage«, erklärt er.

Die Verwaltung sollte ihre Möglichkeiten und Chancen im Rahmen ihrer Planungshoheit ergreifen und mit allen Eigentümern und zuständigen Stellen interaktiv den Austausch forcieren, um die Interessen der Bürginnen und Bürger der Stadt Singen noch mehr zu berücksichtigen. – Der Hohentwiel in 3 D als App. In einem Pilotprojekt »Der Hohentwiel in 3 D als App« haben die Staatlichen Schlösser und Gärten die Singener Festungsruine Hohentwiel digitalisiert. Dabei sollen auch Informationen zur Baugeschichte, dem sozialen Leben und der Pflanzen- und Tierwelt vermittelt werden.

Das Vorhaben gehört zum Projekt »Digitale Rekonstruktion«, der Hohentwiel ist hierbei das Initialprojekt. Durch die Digitalisierung wird im Verlauf mit einer höheren Besucheranzahl auf dem Hohentwiel zu rechnen sein, kalkuliert Franz Hirschle und ergänzt: »Dankeswerterweise wurde der Hohentwiel-Shuttlebus durch die Stadt Singen schon eingerichtet, was die Parksituation im Rahmen der touristischen Nutzung bisher schon deutlich verbessert hat.«

Franz Hirschle

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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