Viel Applaus für den Stargast in Stockach
Boris Palmer zeigt wie närrisch Bürokratie sein kann - leider im Ernst

Boris Palmer wurde nach seinem starken Auftritt zur Stockacher Dreikönigssitzung natürlich von Pritschenmeister Helmut Lempp zum neuen Laufnarren des Narrengerichts geschlagen. | Foto: Fiedler
  • Boris Palmer wurde nach seinem starken Auftritt zur Stockacher Dreikönigssitzung natürlich von Pritschenmeister Helmut Lempp zum neuen Laufnarren des Narrengerichts geschlagen.
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Stockach. Mit einer fulminanten Sitzung hat das Stockacher Narrengericht seine Saison 2023 eröffnet und dabei schon erste große Marken setzen können. Mit Wolfgang Kubicki hole man sich den „letzten praktizierenden Dandy“ als Beklagten in die Verhandlung des Narrengerichts. Und im Spätschoppen an Dreikönig hatte man mit dem Tübinger OB Boris Palmer schon einen Stargast in der Sitzung, der hier deutlich machte, mit wie viel schlechter Narretei, sprich unsinnigem Bürokratismus, die Politik regiert.

Die „närrische Pohibition“ ist auch in Stockach wieder vorbei. Zwei Jahre „ohne“ die leibhaftige Dreikönigssitzung konnten mit einem fulminanten Anlass am Freitagabend ad acta gelegt werden, mit der Verkündung des Beklagten für die Narrengerichtsverhandlung am Schmotzigen Donnerstag. „Fühlt euch alle geliebt“, kürzte Narrenrichter Jürgen Koterzyna die Begrüßung dieser bis auf den letzten Platz gefüllten Adler-Post ab. Aus gutem Grund: denn wegen der Abstinenz der letzten Jahre musste da noch eine große Runde für nachzuholende Promi-Laufnarrenschläge eingelegt werden – für die letzten zwei Jahre mit Kontaktverbot.

Fürsprech Michael Nadig hatte es mit seinem Auftritt spannend gemacht mit der Bekanntgabe des diesjährigen Beklagten des Narrengerichts. Er legte sogar mal kurz eine falsche Spur in Richtung Agnes Strack-Zimmermann, aber es wird „Kein Hampel- aber ein Ampelmann“, wie Nadig genüsslich ausführte. Er sei ein echter Wilhelm Tell im Bundestag und alles, nur kein Moralist, er trete Scholz und Habeck in die Hacken und sage zur Karl Lauterbach auch schon mal „Spacken“. „Verbal haut der die Bomben raus, ein echter Diplomatengraus“, süffisierte Nadig weiter, schon in Vorfreude auf diese Verhandlung. Ein echter Typ von Rang und Namen sei das, eben Wolfgang Kubicki, der Vizepräsident des Deutschen Bundestags und stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP.  Der Vorverkauf für die Verhandlung startet am kommenden Samstag, 14. Januar, über die Homepage des Narrengerichts.

Narrengericht zieht mit Wolfgang Kubicki den "letzten Dandy" vor den Kadi

Diese Dreikönigssitzung hatte natürlich ihren Stargast. Boris Palmer war tatsächlich mit dem Zug nach Stockach angereist und pünktlich angekommen und mit seinen Köfferchen „in den Farben des Narrengerichts“, wie er betonte, in den Saal der Adler-Post gekommen. Und er musste auf seinen Auftritt doch ein Weilchen warten.

Politische Realsatire beim Dreikönigs-Spätschoppen des Narrengerichts

Doch dann konnte Palmer, für dessen Auftritt auch Landrat Frank Hämmerle als Ex-Tübinger ein gutes Wort eingelegt hatte und eine halbwegs seriöse Veranstaltung versprach, auch aus einer närrischen Diaspora berichten, in der sich der OB doch mit mancher Narretei auseinandersetzen müsse. Weshalb die Kommunen Energie sparen sollen, auf der anderen Seite aber die Straßenbeleuchtung nicht reduzieren dürfen, um damit die Zebrastreifen weiter beleuchtet zu halten, war eine der Fragen, die sich Palmer hier stellte. Er selbst hat deswegen freilich reichlich Ärger mit dem Regierungspräsidium. Die Digitalisierung von Anwohnerparkplätzen klingt nach einem weiteren Narrenstück, denn diese könnte man zwar digital bestellen, doch ins Auto legen darf man nur einen Karton. Die Schaffung von Photovoltaik in der Ausfahrt der Bundesstraße klingt nicht weniger kurios, denn dort gab es ein kräftiges Gehacke um Abstandsflächen innerhalb der Ausfahrt und die Befürchtung von Blendwirkung – auch hier musste mit den Behörden unsinnig gefochten werden.

Dass man Stellplätze für Carsharing nicht einfach auf Parkplätzen vor dem Tübinger Bahnhof einrichten kann, war eines der weiteren Bürokratiemonster, die Palmer hier aus eigener Erfahrung einbringen konnte. Doch da war ihm dann das Glück des Entschlossenen hold: Im Zuge des mehrwöchigen Antragsstellungsverfahrens auf die Entwidmung der Stellflächen sei herausgekommen, dass man vor Jahrzehnten diese Bahnhofstraße gar vergessen habe als Straße zu widmen, und keiner der Rechtswächter habe das gemerkt, erzählte er mit Genugtuung. Die andere Seite: Seit neun Jahren läuft bereits das Genehmigungsverfahren für die Windkraft-Projekte. Und jetzt, kurz vor dem Abschluss, grätsche nun eine Umweltschutz-Initiative mit einer Klage herein, was nochmal viel Zeit benötigen würde.

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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