Karl Lauterbach: Mehr als drei Mal schuldig
Das Unschuldslamm muss tüchtig blechen

Karl Lauterbach wusste gut auszuteilen bei seiner Verteidigungsrede, aber das schien das Gericht eher vom Gegenteil, nämlich seiner Schuld zu überzeugen.
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Stockach. Das war insgesamt ein ganz anderer Tag für das Narrengericht zu Stockach. Nicht nur, dass der Flieger des Beklagten Prof. Karl Lauterbach in Afrika hängen geblieben war und der eine Linienmaschine nutzen musste, was zunächst einen Empfang mit einem Pappkameraden zur Folge hatte. Auch der Umzug fand mit diesem statt, nachdem der Minister erst nach dem Start des Narrenbaumkorsos in der Stadt Kuonys angekommen war. Dann beim Zimmererstreik unter dem fast fertig aufgestellten Narrenbaum gab sich Lauterbach siegesgewiss und propagierte seine Unschuld - und griff ans eigene Portemonnaie, um ein Zeichen gegen die schlechte Bezahlung der Zimmerer zu setzen.

Verspätung dann auch bei der Gerichtsverhandlung. Ihr Start musste wegen aufwändiger Eingangskontrollen im Beginn um eine Dreiviertelstunde verschoben werden, bis zu 500 Meter lang war die Schlange vor dem Eingang, da hier doch eine Gefahr durch die Stockacher Narren vermutet wurde. Mehrfach entschuldigte sich dafür Narrenrichter Jürgen Koterzyna vor dem Publikum.

Urteil mit Ösen und Haken

Die Verhandlung war turbulent, und das Publikum zeigte deutlich, wo es die Schuld ausmachte. Am Ende gab es ein Urteil, das vom Publikum sehr innig beklatscht wurde: Denn als unschuldig befanden die Gerichtsnarren Lauterbach keineswegs und sprachen ihn in drei von drei Anklagepunkten schuldig, was zunächst acht Eimern Wein, sprich 480 Litern Wein entsprach, die er nun zahlen muss. Eine so hohe Strafe gab es noch nie.

Als Gnade wurde ihm nur gewährt, dass die Hälfte der Weinstrafe in Randegger Mineralwasser beglichen werden müsse, um Schorle zu bekommen. Und eigentlich sei er ja auch - zumindest an den Coronaschäden - nicht alleine schuld, sodass ein Teil dieser Strafe dann von seinem Vorgänger Jens Spahn mitbezahlt werden solle.

Und noch ein Zusatz zum Urteil gab es: Zusätzlich solle Lauterbach noch einen Tag Frondienst mit dem Verteilen von Schokoladeneis im Stockacher Krankenhaus leisten und darüber hinaus zehn neue Mitglieder für den Krankenhaus-Förderverein anwerben, meinte Koterzyna in seiner Urteilsbegründung, bei der Lauterbach übrigens immer wieder abwinkte.

Bildergalerie des Narrengerichts:

Karl Lauterbach vor dem Stockacher Narrengericht

Das Urteil als Video:

Acht Eimer Schorle als Urteil gegen den Gesundheitsminister

Das Stockacher Krankenhaus kam sozusagen als ernster Teil des närrischen Wortgefechts immer wieder ins Spiel, sogar vom Kläger wie auch vom Fürsprech. So rief Michael Nadig unter starkem Applaus aus: "Mehr Geld für die kleinen Krankenhäuser." Das Thema blitzte immer wieder auf. Und das sollte es auch, wie sogar schon beim Empfang des Pappkameraden närrisch kundgetan wurde. Sogar der Narrenrichter hielt es da für denkbar, aus dem Krankenhaus wieder ein Kreiskrankenhaus zu machen, indem man wieder einen Landkreis Stockach erschaffe, was natürlich närrisches Florett war. Denn die Kreisumlage müsse man dann in Wein zahlen.

Mit Lohnerhöhung den Zimmererstreik abgewendet

"Niederes Gericht"

Nicht nur das Florett, sondern gleich den Hammer hatte der Kläger Wolfgang Reuther dann in der Halle vor dem Publikum ausgepackt. Der meinte gar, dass die Zahl möglicher Klagepunkte noch die Zahl der Titel Lauterbachs überschreiten würde, man sich aber doch nur auf drei Punkte konzentrieren wolle. Das waren "Hochstapelei und Täuschung", "Populismus und Alarmismus" in der Coronapandemie, etwa indem er Kinder als Pandemietreiber und Coronaschleudern bezeichnete, sowie "Narzissmus und Mediengeilheit", was er in markigen Beispiele ausführte, bei denen der Kläger freilich auch nicht vor Bashing gegenüber der Politik zurückschreckte, beispielsweise zu Ricarda Lang von den Grünen.

Reuther sah die "Sensemann-Aura, die Lauterbach ausstrahle, als Teil seines Programms. Er sehe ihn als Totengräber der kleinen Krankenhäuser im ländlichen Raum, was immer das auch mit den Anklagepunkten zu tun hatte. Da ging sogar beim Narrenrichter der Bock durch, der bereits von "abgrundtiefen Verfehlungen" sprach und sogleich zum Urteilsspruch vor der Verteidigung ausholte, als lebe er im Reiche Putins.

Der Beklagte war erst mal nur von Pappe

Der Fürsprech Michael Nadig blieb dabei beim klaren "unschuldig" auf der ganzen Linie und warf dem Kläger gar "Ehrabschneidung" vor. Obwohl er gestand, dass der erst mal an den Spruch Andreas Brehmes "Haste Scheiße am Fuß, haste Scheiße am Fuß!" gedacht habe, als er erfuhr, wen er da verteidigen solle. Zumal der so viele auf die Palme bringe, von den Ärzten über die Krankenhauschefs bis zu den Apothekern, die sich in der Halle auch lautstark bemerkbar machten.

Der Kläger freilich wäre besser auf seiner Palme geblieben und dort zum Affen gemacht. Lauterbach polarisiere, aber er habe halt einfach recht, meinte Nadig. Frei nach Kuony heiße das: "Ein echter Narr und echter Jeck, macht immer einen Faktencheck", erkannte Nadig. Und Lauterbach könne je wenigstens kommunizieren, im Gegensatz zu seinem Kanzler.

Lauterbach selbst hatte vor der Eröffnung des Termins noch einen Befangenheitsantrag gestellt, weil das Gericht wegen zweier durch Corona ausgefallener Weinstrafen nicht objektiv urteile. Er sei die Unschuld vom Lande und komme mit einem guten Gewissen. Das Narrengericht bezeichnete er zwinkernd als "Weiberfastnachtsfest", wohl wissend, dass dies für die Narrenrichter wie Weihwasser für den Teufel wäre.

Willkür des Gerichts

Er gehe auch von einer vollkommenen Willkür des Gerichts aus, die Vorwürfe seien an den Haaren herbeigezogen. Was könne er dafür, dass er mehr Abschlüsse habe als das gesamte Gericht, welches zudem Harvard für eine Rebsorte halte. Was Hochstapelei beträfe, so staple die Ampel nur Probleme und dazu müssen man den Oppositionsführer der Regierung, Finanzminister Christian Lindner, zur Rechenschaft ziehen. Zudem sei er Vorbeugemediziner, gebe also Ratschläge, die er selbst nicht befolge. Und da es in der Politik auch sei, dass man den Leuten rate, was man selbst nicht mache, habe er sich nicht mal umstellen müssen.

Seine Definition von Politik: Wir sind die Wegweiser, gehen den Weg aber nicht mit - da tobte der Saal. Wenn mal was nicht stimme, dann praktiziere er das, was alle Politiker praktizierten, nämlich Erinnerungslücken. Das sei auch eigentlich eine Voraussetzung im Kabinett Scholz, legte er nach. In den politischen Seitenhieben blitzte aber schon der Satz auf: "Auch die kleinen Krankenhäuser haben ihren Wert, mit Stockach angefangen", was den vermuteten Sinn dieser Anklage deutlich machte, weil der Minister nach einem Freispruch wohl nicht noch mal den Weg hier zum Tor am Bodensee gefunden hätte.

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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