WOCHENBLATT-Interview mit Stockachs Bürgermeister Stolz
Der Kampf mit Bürokratiemonstern

Foto: Stockachs Bürgermeister Rainer Stolz nahm im WOCHENBLATT-Interview zu wichtigen Themen Stellung. swb-Bild: sw
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Stockach (sw). Der Gemeinderat hat sich in die Sommerpause verabschiedet. Dennoch herrscht keine kommunalpolitische Flaute. Das WOCHENBLATT sprach mit Stockachs Bürgermeister Rainer Stolz.

WOCHENBLATT: Stadtrat Thomas Warndorf (SPD) hatte im Gemeinderat eine distanziertere Haltung der Stadt zu dem umstrittenen AfD-Landtagsabgeordneten Dr. Wolfgang Gedeon angemahnt. Wie wird die Stadt hier verfahren?

Rainer Stolz: Ich habe im Gemeinderat meine Haltung zum Ausdruck gebracht und erklärt, dass mein Demokratieverständnis nicht dort aufhört, wo ich die Meinung eines anderen nicht teilen kann. Deshalb sind und bleiben die gewählten Abgeordneten Vertreter dieses Wahlkreises, und die Stadt Stockach bleibt gesprächsfähig und ist auch bereit, ihnen zuzuhören.


WOCHENBLATT: Die Integration der in Stockach lebenden etwa 500 Flüchtlinge ist eine Mammutaufgabe. Kann die Stadt diese Herausforderung stemmen?

Rainer Stolz: Vorab möchte ich den beiden Beauftragten der Stadt, den ehrenamtlichen Helfern und den Mitarbeiter des Landkreises, die sich nach Kräften bemühen und eine wertvolle Arbeit leisten, herzlich danken. Trotz des Einsatzes aller, bleiben Konfliktpotentiale wie zum Beispiel Lärm. Am Ende wird das nur lösbar sein, wenn wir es schnell umsetzen können, dass Fehlverhalten konsequent beispielsweise durch Leistungskürzungen geahndet wird. Denn die Freundlichkeit und der große Einsatz zur Integration endet dort, wo sie ausgenutzt und missbraucht wird.

WOCHENBLATT: Die Ortsumfahrung Espasingen scheint eine unendliche Geschichte zu werden. Gibt es hier neue Entwicklungen?

Rainer Stolz: Die Ortsumfahrung Espasingen wird sicher keine unendliche Geschichte, denn hier wird es in den nächsten Jahren eine Entscheidung geben. Beschlüsse und Fortschritte im Straßenbau, so dringlich und notwendig sie auch sein mögen, sind leider keine Sache nur von Jahren, sondern inzwischen von Jahrzehnten. Diese lange Verfahrenzeit liegt auch in Fragen der Finanzierung, im umfassenden Schutz von Lebewesen und Pflanzen sowie den zum Teil sehr anspruchsvollen Beteiligungswegen begründet.



WOCHENBLATT: Diskutiert wird mit Blick auf die Verkehrssituation auch über die Schiesser-Kreuzung. Wie geht es hier weiter?

Rainer Stolz: Das Regierungspräsidium hat vor Monaten in öffentlicher Gemeinderatssitzung verschiedene Varianten dazu im Gemeinderat vorgestellt. Wir wollen nun gemeinsam mit dem Bund und dem Land im Herbst ein Gutachten zur Verkehrsplanung auf den Weg bringen, das Antworten auf die zahlreichen Problempunkte bringen soll. Die Untersuchung soll im Frühjahr 2017 vorliegen und uns erste Antworten geben.

WOCHENBLATT: Die Gemeinde Orsingen-Nenzingen musste ja ihre Aufbauten im Kreisverkehr »Zollbruck« am Ortseingang aus Sicherheitsgründen abbauen. Könnte so ein Schicksal auch dem Kreisel am »Blumhof« mit der Skulptur »Das Tor zum Bodensee« drohen?

Rainer Stolz: Der Kreisel mit »Das Tor zum Bodensee« wurde richtig geplant und umgesetzt. Die Beschilderung, die Beleuchtung und die Geschwindigkeitstrichter reichen völlig aus, um dem Sicherheitsbedürfnis der Autofahrer zu entsprechen. Das habe ich im übrigen auch bei der »Zollbruck« als gegeben angesehen. Wir müssen uns immer wieder gegen unsinnige Bürokratiemonster wehren. Wenn wir den Regeln der STVO so wenig trauen, sollten wir sie gänzlich überprüfen.

WOCHENBLATT: Zum Thema Windkraft. Im Raum Stockach sollen entsprechende Planungen ruhen, bis die Ausweisung möglicher Gewerbe- und Wohnbauflächen erfolgt ist. Ist das Thema »Aufstellung von Windkraftanlagen« damit in der Raumschaft vom Tisch?

Rainer Stolz: Eine Windkraftanlage wird in Verenafohren auf der Tengener Gemarkung auch mit finanzieller Beteiligung der Stadtwerke Stockach gerade umgesetzt. Man kann also nicht davon sprechen, dass das Thema vom Tisch sei. Nur beschäftigen wir uns in der Verwaltungsgemeinschaft Stockach aber erst dann mit konkreten Windkraftstandorten, wenn die für die nächsten 15 Jahre dringend benötigten Wohn- und Gewerbeflächen im Verwaltungsraum planungsrechtlich ausgewiesen worden sind. Das ist logisch, vernünftig und der rechtlich sichere Weg. Die Aufstellung der Flächennutzungspläne wird etwa zwei bis drei Jahre dauern.

WOCHENBLATT: Das Gewerbegebiet »Blumhof« zwischen Stockach und Ludwigshafen stößt auch durch die Ansiedlung der Schweizer Baumer Group an seine Grenzen. Kann Stockach ansiedlungswilligen Betrieben noch Flächen anbieten?

Rainer Stolz: Die Verwaltungsgemeinschaft Stockach wird für ansiedlungswillige Firmen immer Flächen finden und haben. Mit der Fertigstellung des Firmensitzes der Baumer-Group im »Blumhof« ist übrigens bis zum Herbst 2017 zu rechnen.

WOCHENBLATT: Wie steht das Krankenhaus mit Blick auf die Fallzahlen und die finanzielle Lage zur Jahresmitte da?

Rainer Stolz: Die Fallzahlen und die finanzielle Entwicklung bewegen sich im geplanten Bereich.

WOCHENBLATT: Stockach setzt auch auf DSL. Wie sieht die Marschrichtung beim schnellen Internet aus?

Rainer Stolz: Alle Bereiche, die bisher mit einem bis zwei MBit unterversorgt sind, sollen bis zu den Jahren 2016 und 2017 auf 15 bis 20 MBit aufgerüstet werden. Wir sind hier nicht allein Herr des Verfahrens. Denn wir dürfen keine eigenen Angebote machen, wo ein anderer, privater Anbieter erklärt, dass er das machen wolle.

WOCHENBLATT: Warum werden die beiden Außenklassen der Jahrgangsstufe eins, die bisher in Hindelwangen beschult wurden, zum neuen Schuljahr an der Grundschule in der Kernstadt unterrichtet?

Rainer Stolz: Zum Schuljahr 2017/18 wäre dieser Schritt mit der Fertigstellung des Gebäudes für den Schulverbund »Nellenburg« sowieso erfolgt, er war zu diesem Zeitpunkt fest vorgesehen. Nun hat die Schulleitung der Grundschule gewichtige pädagogische Gründe ins Feld geführt, die Zusammenlegung um ein Jahr vorzuziehen. Und die Stadt ist diesem Wunsch gefolgt.

WOCHENBLATT: Wie fällt Ihre erste Bilanz zum Schulverbund »Nellenburg« aus, der zum Schuljahr 2015/16 gestartet ist?

Rainer Stolz: Die Entscheidung war goldrichtig. Alles andere hätte die Bildungsqualität in der Raumschaft Stockach geschwächt und verschlechtert. Das Schulgebäude für den Verbund, das wir ja gerade zwischen »Nellenburg-Gymnasium« und Realschule bauen, wird mit der Mensa zum Schuljahr 2017/’18 fertig gestellt sein. Bisher bewegen wir uns im anvisierten Kostenrahmen. Doch bei weiter steigenden Preisen sind Ausgabenerhöhungen nicht völlig auszuschließen.


WOCHENBLATT: 2017 steht in Stockach eine Bürgermeisterwahl an. Mit Ihnen?

Rainer Stolz: Meine Amtszeit endet im Winter 2017, und ich werde im Frühjahr 2017 meine Entscheidung über eine mögliche Kandidatur bekannt geben. Der Entscheidungsprozess ist noch nicht abgeschlossen, denn es finden sich gute Argumente für das eine wie das andere. Bezüglich des Alters wäre das kein Problem. Nach der neuen Regelung darf der Amtsinhaber, wenn er bei der Wahl noch keine 65 Jahre alt ist, bis zum Ende der acht Jahre im Amt bleiben. Und ich werde im September ja erst 60 Jahre alt.

WOCHENBLATT: Bei der letzten Bürgermeisterwahl haben sich auch Kandidaten aufstellen lassen, an deren Qualifikation für das Amt es erhebliche Zweifel gab?

Rainer Stolz: Angesichts der Komplexität und Schwierigkeit der Aufgaben eines Bürgermeisters erwarte ich eine Prüfung der Frage der Bewerbung mit großem Respekt vor der Aufgabe und dem notwendigen Ernst. Es geht ja nicht nur um das Führen und Entwickeln einer Stadt, also von derzeit rund 17.000 Menschen, es geht auch um die Verantwortung für zwei wirtschaftliche Unternehmen, und das Verantworten von Entscheidungen in mehreren kommunalen Zweckverbänden. Es steht das Wohl der Menschen und Millionenwerte auf dem Spiel. Man muss sich schon der gesamten Tragweite einer solchen Entscheidung bewusst sein.

Interview: Simone Weiß

- Simone Weiß

Autor:

Redaktion aus Singen

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