Wie das Narrengericht sein 650-Jähriges feierte
Ein Umzug der ganz besonderen Art und Weise

Karl Bosch, von 1989 bis 2004 Narrenrichter des Stockacher Narrengerichts. | Foto: Philipp Findling
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  • Karl Bosch, von 1989 bis 2004 Narrenrichter des Stockacher Narrengerichts.
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Das Stockacher Narrengericht hat weit über die regionalen, wenn nicht sogar über die Grenzen von Baden-Württemberg hinaus einen sehr hohen Stellenwert, wenn es um Fastnacht und Brauchtumspflege geht. Das Fasnetstreiben in Stockach begann im Jahr 1351 und zu dessen 650-jähriger Feier wurde ein großes Fest gefeiert. An das erinnert sich auch der ehemalige Narrenrichter und die Fastnachtskoryphäe Karl Bosch zurück.

„Wir haben die Feierlichkeiten an einem Wochenende im Januar 2001 durchgeführt, wozu ein Nachtumzug am Samstagabend, ein Zunftmeisterempfang am Sonntagmorgen sowie ein großer Umzug am Sonntagnachmittag gehörten.“
Letztgenanntes fand unter ganz besonderen, zu dieser Jahreszeit sehr ungewöhnlichen Bedingungen statt, wie Bosch erzählt: „Wir hatten einen Umzug bei bestem Sonnenschein im Januar und schwitzten sehr viel. Für jeden war es daher eine gute Sache, wenn man am Bahnhof mal kurz das Häs von sich werfen konnte.“ Eine weitere Besonderheit spielte sich nicht unmittelbar auf den Straßen Stockachs, sondern im Gebundenen ab. So hat der damalige Narrenschreiber Alfred Eble ein Begleitbuch erstellt, in welchem er alles aus der Geschichte des Narrengerichts niedergeschrieben und bebildert hat. „Aufgrund der Tatsache, dass das Privileg von Albrecht dem Weisen nicht mehr aufzufinden war, Eble aber wusste, dass es dieses gab, gestaltete sich vieles darin als ‚Ondit‘ (Gerücht).“ Die Jubiläumsfeier geht zurück auf das Jahr 1351 als der Hofnarr Hans Kuony von Albrecht dem Weisen das Privileg einer Gerichtsbarkeit der Fastnacht ausgestellt bekam. „Dieses Privileg, als Normalbürger an der Fastnacht ein Gericht abzuhalten, galt damals wie heute als etwas ganz Besonderes“, erzählt Karl Bosch.

Ein weiteres Highlight für ihn war zweifelsohne der große Nachtumzug am Samstagabend, an dem rund 50 Zünfte teilnahmen. „Alle Zünfte der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte (VSAN) konnten wir nicht einladen, das hätte das Ganze gesprengt.“ Ganz besonders war die Zunft aus Schönberg, welche bei jedem Umzug eine Polonaise machen und an diesem Abend mit ihren gut 100 Leuten durch die Hauptstraße tänzelten. „Das war mit all den Scheinwerfen und bei dieser Atmosphäre einfach nur grandios.“

So schelmisch wie die Narren manchmal sind, war es auch Karl Bosch, der sich für diesen Umzug etwas ganz Hinterlistiges einfallen ließ. „Von der VSAN gibt es die Vorschrift, die Stadtzünfte zuerst laufen zu lassen und dann erst die ‚Dorfzünfte‘. Wir haben das an diesem Abend andersherum gemacht, weil ich meinem Vorgänger Walter Schneider ein Schnippchen schlagen wollte.“ Dieser hatte vor Boschs Amtsantritt nämlich einmal behauptet, dass die Dorfzünfte alles von der Stadtzunft geklaut und keine eigene Fantasie gehabt hätten. Bosch und dessen damaliger Vizepräsident Peter Sommerfeld haben die Änderung der Reihenfolge dann allein durchgezogen. „In der VSAN habe ich zudem ein Statement vorgelegt, in welchem stand, dass diese Behauptung rein die eigene Meinung von Walter Schneider war und nicht die des Narrengerichts. So war ich im wahrsten Sinne des Wortes ‚aus dem Schneider‘.“ Dieser Fakt hallte laut Bosch auch über die Feier hinaus noch nach: „In Stockach ist es schon immer wichtig gewesen, die Tatsachen vom Mythos zu trennen. Aus diesem Grund hat der damalige Stadtarchivar Thomas Warndorf im Nachgang der 650-Jahr-Feier eine Schrift zu Mythen und Tatsachen der Stockacher Fastnacht angefertigt, um auch diese Trennung darzustellen.“

Portrait:

Name: Karl Bosch

Alter: 79

Beruf: Pensionär

Was verbindet Sie mit der Region: Ich habe zum einen meine Schulzeit größtenteils im Hegau und in Stockach verbracht. Zudem war ich Realschullehrer in Stockach und lange Zeit auch Vizepräsident der Narrenvereinigung Hegau-Bodensee und von 1989 bis 2004 Narrenrichter in Stockach.

Was treibt Sie an: Immer eine „Fastnacht für alle“ haben zu wollen, wo jeder das Recht hat, Fastnacht zu machen sowie den Leuten das Gefühl zu geben, dass Fastnacht etwas Schönes ist.

Der Ort:

Foto: Archiv Singener Wochenblatt

Rund 50 Zünfte schlängelten sich damals beim 650-jährigen Jubiläum des Narrengerichts im Jahr 2001 durch die Gassen der Stockacher Oberstadt. Am Umzugssonntag des 650-jährigen Jubiläums gab es vor lauter Andrang schier kein Durchkommen für die teilnehmenden Zünfte.

Foto: Archiv Singener Wochenblatt
Autor:

Philipp Findling aus Singen

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