Schulterschluss zwischen und in den Kommunen
Optimismus trotz vieler Herausforderungen

Susen Katter legt für ihre Amtszeit viel Wert auf Bürgerbeteiligung, die aus mehr als "nur" Infoabenden besteht. | Foto: Anja Kurz
  • Susen Katter legt für ihre Amtszeit viel Wert auf Bürgerbeteiligung, die aus mehr als "nur" Infoabenden besteht.
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Stockach. Weniger als sieben Jahre sind es bis 2030. Wenig Zeit für Verwaltungen, um angesichts vieler Auflagen und Vorschriften Veränderungen voranzubringen. Und wenig Zeit für die Menschen, um sich darauf einzustellen. Was braucht es, damit diese Aufgaben dennoch gelingen? Unter anderem darüber hat das WOCHENBLATT mit Stockachs Bürgermeisterin Susen Katter gesprochen.

WOCHENBLATT: Wie sieht die Zukunft im Jahr 2030 aus, wenn es gut sein soll?

Katter: Die Herausforderungen jetzt haben Auswirkungen auf 2030 und die Frage ist: Kriegen wir das hin oder nicht? Das ist sehr vielfältig und ich finde es ungemein schwierig, das bis 2030 abschließend zu sagen. Ich weiß, wie lang die Verwaltung braucht, um manche Projekte umzusetzen, sieben Jahre sind in der Hinsicht fast eine kurze Zeitspanne. Für mich ist die größte Herausforderung die Klimaanpassung und der Naturschutz, als unsere Lebensgrundlage. Ich weiß nicht, ob wir es schaffen, bis 2030 klimaneutral zu sein, aber ich denke die kommunale Wärmeplanung ist da ein großer Baustein. Das hat eine große Bedeutung für die Sanierung unserer Oberstadt oder auch für neue Wohnbaugebiete. Bestenfalls haben wir bis 2030 Verbesserungen im ÖPNV, vielleicht mit einem innerstädtischen Bürgerbus. Auch Flächenverbrauch ist ein ganz großes Thema. Es gibt einen demografischen Wandel und da stellt sich die Frage: Müssen alle zu zweit in einem Einfamilienhaus wohnen? Da sage ich: Nein, macht Platz für die nächsten Generationen. Dem gegenüber stehen die Wohnungsnot beziehungsweise der fehlende Wohnungsbau. So gibt es in Stockach eine Vielzahl an genehmigten Projekten, die wegen der Krise in der Baubranche nicht realisiert werden. Gerade was Klimaanpassung angeht, braucht es ein größeres Umdenken in der Gesellschaft, das braucht aber auch Zeit.

WOCHENBLATT: Wie schafft man es, dass die Gesellschaft das mitmacht?

Katter: Mir ist Bürgerbeteiligung sehr wichtig, in einer echten Beteiligung gemeinsam Prozesse oder Ideen zu erarbeiten. Wobei das nicht heißt, dass ich alles davon umsetzen werde. Aber die Menschen können auch viel mehr damit umgehen, was gemacht wird. Deswegen mag ich zum Beispiel auch die Kommunalpolitik. Für mich ist das die ehrlichste Form der Politik, weil ich mit den Menschen viel näher zusammenarbeiten kann. Das sind Möglichkeiten, die ich nutzen kann und muss. Ich habe aber auch nicht die Erwartung, dass ich jeden überzeuge, das wird nicht funktionieren.

WOCHENBLATT: Was braucht es damit Ziele, wie Klimaneutralität, erreicht werden können?

Katter: Teilweise fehlt noch das Fachwissen oder eine Unterstützung für die Kommunen. Es gibt die Erwartung: „Stellt euch doch mal klimaneutral auf.“ Okay, gerne. Aber wie? Es gibt eine unheimliche Vielzahl an Maßnahmen, das Wissen dafür kann ich gar nicht alleine mitbringen. Bei der Stadt Konstanz machen sie ganz viele Projekte. Aber wenn man sieht, was das für Gelder sind und wie klein Stockach ist... Wir haben jetzt mit 33 Millionen Euro beim Investitionsplan eine Rekordsumme aufgestellt. Klimaneutralität ist eine Mammutaufgabe und ich glaube, man muss eines nach dem anderen machen.

WOCHENBLATT: Von wem müsste Unterstützung oder Fachwissen kommen?

Katter: Es gibt schon Stellen, aber ich habe da teilweise nicht mehr die Übersicht: Es gibt Programme vom Bund, vom Land und die Energieagentur unterstützt auch. Wenn es um eine Förderung für einen Bürgerbus geht, ist das woanders angesiedelt, als wenn es um Radwege geht. Vielleicht bräuchte es eine einheitliche Stelle, wo alles gesammelt wird und nicht einen Fördertopf für jeden Punkt.

WOCHENBLATT: Wie kann eine eher kleine Stadt wie Stockach die Menge an Investitionen stemmen?

Katter: Ich brauche die Menschen vor Ort und das ehrenamtliche Engagement. Beim Bürgerbus in Rielasingen-Worblingen ist es so, dass die Fahrer von einem Verein gestellt werden. Die Fahrer nicht bezahlen zu müssen, ist eine Entlastung für die Kommune. Oder man muss die Dinge gestaffelt nacheinander angehen oder man schließt sich für Projekte zusammen. Die kommunale Wärmeplanung machen wir in der Verwaltungsgemeinschaft und mit Steißlingen zusammen, damit man zum Beispiel Kosten sparen kann.

WOCHENBLATT: Auf welche Bereiche kommt es Ihrer Ansicht nach noch an, bis 2030?

Katter: Eine gute schulische Bildungslandschaft mit fairen Bildungschancen für alle finde ich sehr wichtig. Wir haben ein ziemlich gutes Level, auch was die Ausstattung angeht, aber das muss auch gehalten werden. Auch ist es wichtig, die Kindertageseinrichtungen gut aufzustellen, damit die Menschen arbeiten können und damit Frauen genauso wie Männer die Möglichkeit haben, sich im Beruf weiterzuentwickeln. Da muss man auch teilweise die Konzepte neu denken: Brauche ich für mein Kind acht Stunden durchgehend eine hochwertige, pädagogische Betreuung? Was genauso eine große Rolle spielt für unsere Zukunft ist das Thema Digitalisierung und Breitband. Dass Prozesse bestenfalls komplett digitalisiert sind, gehört für eine zukunftsfähige Stadt dazu. Ganz wichtig ist dabei immer die Zusammenarbeit mit anderen, mit vielen Herausforderungen steht man ja nicht alleine da. Die Verwaltungsgemeinschaft ist ein Beispiel für eine gute Zusammenarbeit und auch im Landkreis tauschen wir uns aus. Beim Beispiel Digitalisierung der Verwaltung bespricht man sich auch, ob man einheitliche Programme nimmt oder ob sie kompatibel sind. Auch gemeinsame Projekte sind ungemein wichtig, wie das interkommunale Gewerbegebiet Blumhof.

WOCHENBLATT: Aber reicht das alles am Ende aus?

Katter: Obwohl es so vielfältig und komplex ist, so möchte ich nicht ganz negativ in die Zukunft blicken. Ob es reichen wird, das wird man hinterher sehen. Aber es ist absolut erforderlich und notwendig.

WOCHENBLATT: Worauf kommt es für die Gesamtgesellschaft an, wenn Sie in die Zukunft schauen?

Katter: Ein guter Zusammenhalt und dass sich die Menschen auch weiterhin für ihre Gesellschaft einsetzen. Die Frage, in welche Richtung wir uns entwickeln werden und manche Strömungen... das macht mir auch manchmal ein wenig Angst. Die Demokratie ist eines der wichtigsten Güter, die wir haben. Auch wenn nicht alles perfekt ist, geht es uns im Großen und Ganzen gut: Wir können in die Schule gehen, dürfen demonstrieren oder streiken. Der Arbeitskampf ist ein Recht, das sich hart erkämpft wurde, das darf man nicht vergessen. Dieses Jahr hat das Grundgesetz den 75. Geburtstag, es ist ein Geschenk und darf keine Selbstverständlichkeit sein. Wir haben viele Hidden Champions, gerade in Baden Württemberg. Das ist auch ein Resultat davon, wie unser Rechtsstaat aufgebaut ist, davon bin ich überzeugt. In der Vergangenheit wurde viel Vertrauen zerstört, weshalb die Gefahr der Spaltung in der Gesellschaft gegeben ist. Ich weiß nicht, ob man das verhindern kann, aber aufklären und reden ist wichtig. Deswegen lege ich zum Beispiel auch so großen Wert auf Bürgerbeteiligung. Weil ich nah dran bin, muss ich vielleicht auch mal mehr aushalten. Aber es macht auch alles spannender.

WOCHENBLATT: Sie haben auch davon gesprochen, dass Ihnen manche Entwicklungen Angst machen. Wie gehen Sie damit um?

Katter: Ich muss meinen Optimismus bewahren und glaube immer noch an das Gute in den Menschen. Die Herausforderungen sind in so vielen Sachen so umfangreich, aber ich muss daran glauben, dass es uns gelingen wird. Sonst bräuchte ich dieses Amt hier nicht ausführen. Irgendwie geht es immer weiter und manchmal sind Zwänge und Herausforderungen auch Chancen.

Autor:

Anja Kurz aus Engen

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