Engen
Gut gerüstet für schwierige Jahre

Johannes Moser | Foto: Ute Mucha
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Engen. Es war die letzte Haushaltsrede von Bürgermeister Johannes Moser, bevor er Ende Oktober dieses Jahres das Amt des Engener Bürgermeisters aus gesundheitlichen Gründen frühzeitig aufgeben muss. Nach 27 Jahren als Stadtoberhaupt ist Engen zwar weiterhin schuldenfrei und verfügt über ein stattliches finanzielles Polster, doch die Herausforderungen und Belastungen der kommenden Jahre werden dieses stark strapazieren.

„Der Haushaltsplan ist ein Spagat zwischen der Bewältigung der Multikrise, der Erfüllung der gesetzlichen Pflichtaufgaben und der Nutzung des restlichen geringen Spielraums für dringende städtische Projekte“, fasst Moser das Dilemma zusammen. Da der Ergebnishaushalt 2023 ein Defizit von rund 2,5 Millionen Euro aufweist, sind die gesetzlichen Voraussetzungen für einen ausgeglichenen Haushalt nicht erfüllt. Dennoch rechnet der Bürgermeister mit einer Genehmigung durch die kommunale Rechtsaufsicht.
Vorgesehen sind als größte Posten die Sanierung der Grundschule Welschingen (1,8 Millionen Euro), das Wohnbauprojekt in Anselfingen (750.000 Euro) für die Anschlussunterbringung von Geflüchteten, die Restfinanzierung der Anne-Frank-Sporthalle (615.000 Euro) sowie Hochwasserschutzmaßnahmen (355.000 Euro).
Die Ursache für die finanziellen Probleme liege in der schwachen Ertragskraft, erklärte Moser. Denn eine Kommune sollte stets aus dem laufenden Betrieb zumindest die Abschreibungen erwirtschaften können, schreibt das neue kommunale Haushaltsrecht vor. Dies ist in Engen nicht der Fall. Deshalb wird für das Haushaltsjahr 2023 eine Rücklagenentnahme von gut 2,357 Millionen Euro notwendig. Auch für die Folgejahre 2024 bis 2026 sind bereits Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 4,2 Millionen Euro eingestellt. Diese sollen für den Bau einer Wohnanlage in Anselfingen, die Erneuerung der Filteranlagen des Erlebnisbades sowie für die Komplettsanierung des Hegaustadions verwendet werden.
Für die Zeitspanne von 2023 bis 2026 ist eine Entnahme aus den liquiden Mitteln von insgesamt 16,4 Millionen Euro kalkuliert, was zur Folge hätte, dass die Rücklagen von derzeit knapp 20 Millionen Euro auf rund fünf Millionen Euro schmelzen würden. Allerdings zeige die Erfahrung, so der Ausblick der Kämmerei, dass nicht alle veranschlagten Projekte wie geplant umgesetzt werden, sodass das Finanzpolster nicht gar so stark beansprucht werden könnte.
Eine weitere Belastung droht der Stadt durch die Kreisumlage, sollte der Landkreis all seine geplanten Vorhaben umsetzen und die Kommunen diese über die Umlage finanzieren müssen. Dann, so Johannes Moser, „bekommen wir Schwierigkeiten, selbst unsere Pflichtaufgaben zu erfüllen.“
Doch trotz dieses Krisendauerzustandes sieht der Bürgermeister die Herausforderungen der Flüchtlingsunterbringungen und deren Integration, die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine, mit einer Energiemangellage und einer hohen Inflation auch dank dem großen bürgerschaftlichen Engagement in der Stadt bisher gut bewältigt. Zwar stünden schwierige Jahre bevor, aber man sei gut gerüstet und habe die nötigen Finanzmittel, um die Stadt auch in den kommenden Jahren weiterzuentwickeln und dank der Schuldenfreiheit auch den künftigen Generationen einen wichtigen Gestaltungsspielraum zu belassen, so Moser.
Sein Fazit: „Der Haushaltsplan 2023 führt uns deutlich vor Augen, dass wir unsere bisherigen kommunalen Planungen der neuen Realität anpassen müssen. Dennoch zeigt der Plan auch auf, wie wir in einer Krisenzeit die Daseinsfürsorge erfüllen und unseren BürgerInnen alle gewohnten kommunalen Leistungen und die seit vielen Jahren aufgebauten hohen Standards anbieten können.“

Wie es in Engen guter Brauch ist, nahmen auch die drei Gemeinderatsfraktionen zum Haushalt 2023 Stellung, ehe dieser einstimmig verabschiedet wurde. Conny Hoffmann (SPD) ging auf die große Hilfsbereitschaft der Engener Stadtgesellschaft ein, die nicht darüber diskutiere, ob, sondern nur, wie man am besten helfen könne. Doch auch in der Hegaustadt erleben viele Familien derzeit finanzielle Engpässe aufgrund der hohen Teuerungsraten und diese spiegeln sich auch im Haushalt der Stadt wider. Mittelfristig habe man ein großes Problem, auch wenn Engen im interkommunalen Bereich immer noch gut dastehe. Ein Umdenken sei erforderlich, Projekte müssten neu strukturiert und der aktuellen Finanzsituation angepasst werden. Auch müsse man sich die Frage stellen, ob die Prioritäten noch zeitgemäß seien und dabei die soziale Frage in den Mittelpunkt stellen.
Trotz der nicht einfachen Zeiten schaue sie optimistisch in die Zukunft angesichts der städtischen Entwicklung, denn aus der Krise wachsen immer auch neue Kräfte.

Kämpferisch gab sich Jürgen Waldschütz (CDU) angesichts der ernüchternden Haushaltszahlen. Er und die CDU-Fraktion erwarten eine „schwarze Null“ am Ende des Jahres. „Es kann doch nicht sein, dass wir unseren Bürgermeister nach 27 Jahren mit einem Minusergebnis von 2,5 Millionen Euro verabschieden wollen“, erklärte er. Doch trotz allem werde auch in diesem Jahr wieder kräftig investiert, da man in der Vergangenheit gut gewirtschaftet habe und über ordentliche Rücklagen verfüge. Um die Situation zu verbessern, müssten künftige Investitionen überprüft werden, auch einmal unangenehme Entscheidung zu treffen – wenn notwendig, um die Stadt Engen nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich für die Nach-Moser-Zeit gut aufzustellen.

Der Haushalt der Stadt Engen sei stark von den Entwicklungen des Ukraine-Krieges geprägt, fasste Gerhard Steiner (UWV) zusammen. Dazu zählt neben den steigenden Energiekosten und der hohen Inflation besonders die Aufnahme der Flüchtlinge. Er sieht die Stadt trotz des negativen Ergebnishaushaltes finanziell weiterhin gut aufgestellt dank der Schuldenfreiheit und der hohen Liquidität von fast 20 Millionen Euro. „Das ist eine solide Grundlage, um auch in Krisensituationen wirtschaftlich sinnvoll agieren zu können“, so der UWV-Sprecher. Dennoch müsse man einen genauen Blick auf die weitere Entwicklung haben und im Haushalt mit realistischen und realisierbaren Ansätzen arbeiten. Priorität hätten für die UWV-Fraktion in den kommenden Jahren Maßnahmen zur Gestaltung des Bahnhofsbereiches und Breitestraße/Schillerstraße.

Autor:

Ute Mucha aus Moos

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