Wirtschaftskammern aus Deutschland und der Schweiz formulieren scharfen Forderungskatalog
Gäubahn-Bummelei wird zur »Schande« für den Südwesten

Foto: Singen ist als wichtiger Umschlagsplatz für Güter auf die Schiene durch den seit 70 Jahren nicht realisierten Ausbau der Gäubahn behindert. swb-Bild: IHK
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Stuttgart/ Tuttlingen. Trotz des massiven Investitionshochlaufs verzögert sich der Ausbau der Schienenstrecke Stuttgart-Zürich seit Jahrzehnten. Das will die Wirtschaft entlang dieser Achse nicht länger hinnehmen. Die Industrie- und Handelskammern Schwarzwald-Baar-Heuberg, Nordschwarzwald, Stuttgart, Reutlingen und Hochrhein Bodensee haben sich zu einem grenzüberschreitenden Wirtschaftsbündnis mit deutschen und schweizerischen Verbänden zusammengeschlossen. Die insgesamt zwölf Verbände repräsentieren rund 430.000 Unternehmen. Von Schweizer Wirtschaftsverbänden werden die Verzögerungen beim Ausbau gar schon als »Schande für Deutschland« gewertet.

Es gleiche einer Verzögerungstaktik, wie das Bundesverkehrsministerium und die Deutsche Bahn vorgehen, kritisiert Birgit Hakenjos-Boyd, Präsidentin der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg, die die Initiative gestartet hat. Sie fordert eine leistungsfähige Verbindungsachse für die beiden Wirtschaftsräume, eine funktionierende Zulaufstrecke für den Gotthard-Tunnel und für die Neue Eisenbahn-Alpentransversale in der Schweiz sowie eine leistungsfähige Kapazitätsreserve für die überlastete Rheintalbahn und eine Ausweichstrecke bei Störfällen wie bei Rastatt im Jahr 2017: „Der Bundesverkehrswegeplan muss bis Ende der Laufzeit 2030 umgesetzt sein.“

Prof. Dr. Claudius Marx, Hauptgeschäftsführer der IHK Hochrhein-Bodensee kann dem nur zustimmen. Dass zwei Metropolen wie Stuttgart und Zürich über 70 Jahre nach Kriegsende immer noch dermaßen defizitär verbunden sind, könne man nur - ja müsse man – als ein Unding bezeichnen. Die Gäubahn sei ungeachtet ihres lustigen Namens keine Regionalbahn, sondern verbinde zwei der wirtschaftsstärksten Regionen Europas. »Die Ertüchtigung der Strecke ist überüberfällig. Die aktuellen Reisezeiten sind ein veritabler Standortnachteil für die Unternehmen und ihre Beschäftigten. Und wer in den Abendnachrichten den Bau der neuen Seidenstraße verfolgt, muss sich fragen, ob wir überhaupt noch in der Lage sind, Infrastruktur zu realisieren,« so Marx bei dem Treffen in Tuttlingen-Rietheim.

„Wäre Pendeln mit dem Zug eine echte Alternative, würde das uns und alle Arbeitgeber zwischen Stuttgart und Zürich noch attraktiver machen“, verdeutlicht Dr. Harald Marquardt stellvertretend für die Industrie, warum er sich für den Schienenausbau einsetzt. „Wir haben jetzt wirklich die Nase voll und fühlen uns abgehängt.“

Doch nicht nur in Anbetracht der Pendler sei der zweispurige Ausbau des Bahnabschnitts unumgänglich. Neben dem Fachkräftemangel spricht Andrea Marongiu vom Verband Spedition und Logistik Baden-Württemberg auch die staubedingten Qualitätsverluste sowie die Flächen für Logistik an. „Auf der Straße sehen wir den Stau, auf der Schiene nicht – aber er ist da“, bemängelt Marongiu. Die Schweiz habe ihre Hausaufgaben gemacht, aber für Deutschland sei es eine Schande, so lange hinterherzuhinken.

Das Bündnis übe zurecht und zu einem günstigen Zeitpunkt Druck auf die Politik und die Deutsche Bahn aus, sagt der Landes-Justizminister und Vertreter des Interessenverbands Gäu-Neckar-Bodensee-Bahn, Guido Wolf: „Der Ausbau dauert schon viel zu lange.“

Mit dem grenzüberschreitenden Wirtschaftsbündnis wendet sich die Initiative nun direkt an das Bundesverkehrsministerium und die Deutsche Bahn. „Wir geben uns nicht mehr länger zufrieden mit Lippenbekenntnissen. Die Wirtschaft braucht Transparenz und Planbarkeit“, sagt Hakenjos-Boyd. Sie wolle aber auch die Verantwortlichen zu Gesprächen einladen und ihre konstruktive Mitarbeit anbieten.

Zum Bündnis

Das grenzüberschreitende Bündnis aus der Wirtschaft zum Ausbau der Schienenachse Stuttgart-Zürich besteht aus den IHKs Schwarzwald-Baar-Heuberg, Region Stuttgart, Reutlingen, Nordschwarzwald und Hochrhein-Bodensee sowie dem VSL Verband Spedition und Logistik Baden-Württemberg und dem Interessenverband Gäu-Neckar-Bodenseebahn. Aus der Schweiz wird die Initiative unterstützt vom Schweizerischen Dachverband der Wirtschaft economiesuisse, dem Speditionsverband Spedlogswiss, der Handelskammer Deutschland-Schweiz, der Zürcher Handelskammer sowie der Industrie- und Wirtschaftsvereinigung Schaffhausen.

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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