Nagra gibt Standortswahl bekannt
"Nördlich Lägern" betrifft die Menschen beidseits der Grenze

Kreis Konstanz. Die Schweizer NAGRA hat am Samstag bestätigt, dass sie mit der Standortregion "Nördlich Lägern" bei Bülach / Eglisau, vor allem unweit der deutschen Hochrheingemeinde Hohentengen planen will - am Montag wurde dann in einer Medienkonferenz unterstrichen, dass es sich dabei um "den sichersten Standort« handle, also letztlich noch sicherer als der ansonsten eher favorisierte Standort bei Benken im Züricher Weinland, gegen den es auch hier aus der Region viel Widerstand gegeben hatte. 

In einer gemeinsamen Stellungnahme der Landräte und der Landrätin der Landkreise Waldshut, Konstanz, Schwarzwald-Baar-Kreis und Lörrach wird anerkannt, dass es die geologischen Gegebenheiten in der Schweiz sind, die eine sichere Endlagerung der Schweizer Atomabfälle im Opalinuston in unmittelbarer Grenznähe rechtfertigen. Sie seien auch bereit, die Lasten einer grenznahen Tiefenlagerung zu tragen, so die gemeinsame Mitteilung vom Sonntag.

Auch Umweltministerin Thekla Walker meldete sich am Sonntag bereits per Medienmitteilung:  „Wir nehmen den Endlagerstandort in der Region nördlich Lägern als Kombilager für hochradioaktive sowie für schwach- und mittelradioaktive Abfälle im Wirtsgestein Opalinuston zur Kenntnis und werden die Pläne unserer schweizerischen Nachbarn nun vertieft prüfen. Sowohl was das Endlager als auch die erforderlichen Oberflächenanlagen anbelangt, wird das Land Baden-Württemberg weiter auf die sichersten Standorte drängen und bestmögliche Sicherheitseinrichtungen und Transportkonzepte einfordern. Gerade auch bei Festlegungen, die nicht durch den Verfahrensvorrang der Geologie festgelegt werden und bei denen die Belastung Baden-Württembergs reduziert werden kann, erwarte ich eine grenzüberschreitende Beteiligung. Der Schutz unserer Bürgerinnen und Bürger vor radioaktiver Strahlung muss gewährleistet sein, insbesondere aber auch der Grundwasserschutz.“

Nachdem die betroffenen deutschen Kommunen in Grenznähe einen substanziellen Beitrag zur Lösung der schweizerischen „nationalen Aufgabe“ der Tiefenlagerung hochradioaktiver Abfälle leisten, erwartet die deutsche Grenzregion, dass sie in der Verfahrensbeteiligung als auch bei möglichen Abgeltungen in gleicher Weise wie schweizerische Kommunen und Kantone behandelt werden. Das wird auch vom Umweltministerium so klargestellt. Die vier Landkreise unterstützen die Forderung der Gemeinde Hohentengen a. H., bei möglichen Abgeltungen wie eine Infrastrukturgemeinde behandelt zu werden. 

Ein Baubeginn ist nach den ganzen Genehmigungsprozessen und Abstimmungen für 2031 vorgesehen, die erste Einlagerung von Atommüll aber 2050 dort.

Das Schweizer Bundesamt für Energie (BFE) hat am Samstag bestätigt, dass die Nationale Genossenschaft für die Lagerung radioaktiver Abfälle (Nagra) beabsichtigt, die Rahmenbewilligungsgesuche für ein Kombilager in der Standortregion Nördlich Lägern (NL) und für die Brennelemente-Verpackungsanlage (BEVA) am Standort des nationalen Zwischenlagers (ZWILAG) in Würenlingen auszuarbeiten.

Die Expertengruppe Schweizer Tiefenlager (ESchT) will sich auf Bitten des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) demnächst zu der Frage äußern, ob die Argumentation der Nagra für die von ihr  getroffene Standortwahl als argumentativ nachvollziehbar und plausibel erscheint. Die Standortwahl der Nagra kann vorerst auch aus Sicht der Landräte Dr. Martin Kistler, Zeno Danner und Sven Hinterseh und von Landrätin Marion Dammann nur auf ihre argumentative Plausibilität geprüft werden, da das Rahmenbewilligungsgesuch in den nächsten zwei Jahren erst noch ausgearbeitet werden muss.

Inbetriebnahme für 2050 vorgesehen

Anhand der Antragsunterlagen für das Gesuch, den dann vorliegenden vollständigen Gutachten und einer ausführlichen sicherheitstechnischen Begründung der Standortwahl durch die Nagra muss dann von Experten geprüft werden, ob diese Wahl zutreffend ist oder ob nicht doch andere Standorte vorzugswürdiger wären.
"Unsere Landkreise, die von einem Tiefenlager und einer BEVA als deutsche Nachbarn unmittelbar betroffen sind, haben das größte Interesse, dass die Schweiz für die Lagerung der Atomabfälle eine Lösung findet, die die bestmögliche Sicherheit gewährleistet. Ziel muss sein, ein sicheres Lager am geologisch geeignetsten, sichersten Ort zu errichten. Der Schutz von Mensch und Umwelt vor radioaktiver Strahlung ist dabei das höchste Gebot. Die radiologischen Auswirkungen und Risiken eines Tiefenlagers müssen deshalb auch frühzeitig betrachtet werden", die abgestimmte Mitteilung vom Sonntag.

Immer wieder haben die Landräte und die Landrätin in den politischen Gremien und in der Öffentlichkeit deutlich gemacht: "Wir anerkennen, dass es die geologischen Gegebenheiten in der Schweiz sind, die eine sichere Endlagerung der Schweizer Atomabfälle im Opalinuston in unmittelbarer Grenznähe rechtfertigen. Vor diesem Hintergrund waren und sind wir bereit, die Lasten einer grenznahen Tiefenlagerung zu tragen. Die Landkreise, insbesondere der Landkreis Waldshut, hatten sich bereits in Etappe 2
dagegen gewandt, Oberflächenanlagen, die prinzipiell eine geringe Standortgebundenheit aufweisen, unmittelbar an der Grenze über dem mächtigen Grundwasserstrom des Rheins oder der Aare zu platzieren. Risiken für flussabwärts liegende Grundwasserschonbereiche und heute schon genutzte Trinkwasserquellen, die sich aus dem Rheinuferfiltrat speisen, sind für uns raumplanerisch und aus Gründen eines vorsorgenden Grundwasserschutzes nicht hinnehmbar."

Zu begrüßen sei, dass aufgrund längerer Diskussionen in der Regionalkonferenz Nördlich Lägern der Standort Weiach NL 2, in unmittelbarer Nähe und Sicht der Ortsbebauung der Gemeinde Hohentengen a. H. und unmittelbar am Rhein gelegen, verworfen wurde und die Oberflächeninfrastruktur jetzt am Standort Stadel NL-6 errichtet werden soll. Auch habe die Nagra zugesagt, am dortigen Standort eine Spundwand zu errichten, um so Risiken für den Grundwasserstrom des Rheins auszuschließen. Hier hätten die Bemühungen von der deutschen Seite im langjährigen Prozess zu einem gewissen Erfolg geführt. Statt der erreichten technischen Lösung zum Schutz des Grundwassers wäre allerdings ein Standort zu bevorzugen, bei dem Risiken für das Grundwasser durch eine Lage außerhalb des Einzugsbereichs bedeutender Grundwasserleiter ausgeschlossen sind.

Aus diesem Grund sehen die Landkreise die BEVA am Standort des ZWILAG kritisch, da dieser Standort direkt über dem mächtigen Grundwasserstrom der Aare liegt. Auch wenn sich heute mit den dort gelagerten Atomabfällen schon ein großes Besorgnispotential vor Ort befinde, hätte es dieser weiteren Belastung dort nicht bedurft. Im weiteren Verfahren wollen die Landkreise ihr Augenmerk darauf richten, dass durch die Errichtung und den Betrieb der BEVA jegliche Risiken für den Grundwasserstrom der Aare und damit auch für den Rhein ausgeschlossen werden.

Die Auswirkungen eines Endlagers in Grenznähe – seien es zu erwartende Emissionen aufgrund von Bauarbeiten bzw. vom Verkehr, die langfristig bestehenden möglichen Beeinträchtigungen der Sicht, die Transporte der einzulagernden schwach- mittel- und
hochaktiven Abfälle über die gesamte Betriebsphase hinweg und nicht zuletzt eine nicht auszuschließende vom Tiefenlager ausgehende Strahlenexposition – würden an der Staatsgrenze nicht haltmachen. Die betroffenen deutschen Kommunen in Grenznähe würden somit einen substanziellen Beitrag zur Lösung der schweizerischen „nationalen Aufgabe“ der Tiefenlagerung hochradioaktiver Abfälle leisten.

„Aus diesem Grund besteht auf deutscher Seite die mehrfach formulierte Erwartung, dass wir als Nachbarn sowohl im Verfahren wie auch bei möglichen Abgeltungen in gleicher Weise wie schweizerische Kommunen und Kantone behandelt werden. Die ursprüngliche, zwischenzeitlich aber wieder verworfene Schweizer Überlegung, Deutschland eine feste Summe an den Abgeltungen für eigenständige Projekte der Regionalentwicklung zukommen zu lassen, stelle einen vernünftigen Weg dar“, halten Landrätin Marion Dammann und die Landräte Dr. Martin Kistler, Zeno Danner und Sven Hinterseh fest. „Wir haben auch die Erwartung und die Forderung, dass wir als betroffene Nachbarn in einem künftigen Partizipationsgremium für die Konkretisierung der BEVA am
Standort ZWILAG angemessen vertreten sind und uns mehr als ein Feigenblatt-Sitz zugestanden wird“.

„Wir sehen im weiteren Prozess auch die Chance, in und mit der Standortregion Nördlich Lägern die grenzüberschreitende Kooperation auf vielen Feldern zu verstärken. Eigentlich lässt uns das Tiefenlager keine andere Wahl: Wir sollten das Wohl unserer Region in die eigenen Hände nehmen. Dazu muss die Standortregion bereit sein, neue Wege zu gehen; und sie muss angemessen mit Abgeltungen ausgestattet werden“, unterstrichen Landrätin Marion Dammann und die Landräte Dr. Martin Kistler, Zeno Danner und Sven Hinterseh in ihrer gemeinsamen Stellungnahme.

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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