Dekan Markus Weimer zur Ostern 2024
Ein Aufbruch aus der "neuen Platzanweisung"

Dekan Markus Weimer ist an Ostern 2024 hin- und hergerissen: Zum einen gibt es den innigen Wunsch nach Frieden angesichts der aktuellen Kriege, andererseits freut er sich über den aktuellen Aufbruch der evangelischen Kirche aus dem Tal der Krise heraus. | Foto: Oliver Fiedler
  • Dekan Markus Weimer ist an Ostern 2024 hin- und hergerissen: Zum einen gibt es den innigen Wunsch nach Frieden angesichts der aktuellen Kriege, andererseits freut er sich über den aktuellen Aufbruch der evangelischen Kirche aus dem Tal der Krise heraus.
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Böhringen/Kreis Konstanz. Ostern, in einer Zeit, die von Kriegen geprägt ist, in der Ukraine wie im Gaza-Streifen. Ostern ist für Dekan Markus Weimer vom evangelischen Kirchenbezirk Konstanz gerade in den Zeiten der Krise seiner Kirche unbedingt auch ein Signal des Aufbruchs, wie er im Gespräch mit dem WOCHENBLATT sagt. Und persönlich ist für den ehemaligen Pfarrer der Kirchgemeinde Böhringen der Karsamstag der emotional bewegendste Tag: Der Tag der Hoffnungslosigkeit unter den Jüngern nach der Kreuzigung und dem Tod Jesu, an dem sie gar nicht mehr wissen, wie es weiter geht. Ein Tag, der sich erst am nächsten Tag mit dem Wunder der Auferstehung auflöst.

Die Krise der evangelischen Kirche ist schon seit einigen Jahren Thema. Ein Drittel der Mitglieder fehlen inzwischen, die Corona-Lockdowns haben die Entwicklung noch befeuert. Seit 2021 habe man einen Transformationsprozess gestartet in der badischen Landeskirche, in dem Einsparziele um 30 Prozent in allen Bereichen in einem Zeitraum bis 2036 proklamiert wurden. Das hat schon jetzt in der Region strukturelle Auswirkungen. "Wir werden unsere neue Platzanweisung in der Gesellschaft annehmen, die bedeutet, dass wir eine Minderheit sind", sagt Markus Weimer klar - und gar nicht in Bitterkeit.

Strukturell bedeutet es, dass man aus derzeit 35 kirchlich genutzten Gebäuden bis in zehn Jahren 13 machen wird, die noch selbst betrieben werden als Kirchen oder Gemeindesäle. Dazu hatte man ein Ampelsystem in den Synoden und den Diskussionen mit den Kirchgemeinden entwickelt und der "Fahrplan" sei aufgestellt. Die Gemeinden, die man hier selbstständig halten wolle, werden nun in Kooperationsräumen zusammengefasst, auch um die personelle Reduktion aufzufangen. Die Räume heißen dann Bodanrück, Hegau (für Aach über Büsingen-Gailingen bis nach Tengen), "Mitte" für Radolfzell, die Höri und Böhringen und "Riela-Singen" im Zentrum des Hegaus, erläutert Markus Weimer. Der Beschluss dazu fiel in der letzten Synode Ende Februar und Markus Weimer sieht das keineswegs als Rückzug, sondern auch als klaren Aufbruch, auch wenn die Personalplanung da die Kürzung um vier Pfarrstellen und 1,5 Diakonstellen bis 2032 vorsieht.

Es sei da bei denen, die sich für Kirche und Glaube engagieren, eine wirkliche Aufbruchstimmung zu spüren, sagt Markus Weimer. Das gebe ihm selbst sehr viel Zuversicht, hier den richtigen Weg gefunden zu haben, denn dieser Weg bedeute auch, die Mitglieder der Gemeinde viel stärker in die Seelsorge und Gemeindearbeit einbeziehen zu können, ihnen neue Aufgaben geben zu können, auch mit der Gestaltung von Gottesdiensten.
Und da ist schon vieles an Bewegung im Gange, freut er sich. "Wir haben inzwischen für jede der Gemeinden unseres Bezirks eine App eingerichtet, mit der wir uns auf den Smartphones an die Gemeindemitglieder richten können und sie mit aktuellen Nachrichten auf dem Laufenden halten", sagte er nicht ohne Stolz. Vor allem, weil das längst nicht nur die jüngere Generation nutzt, sondern auch die älteren Gemeindemitglieder, die sich im Notfall die App von ihren Enkeln installieren lassen. Auch werde man mehr und mehr auf Vielfalt setzen, angesichts eines "sinkenden christlichen Grundwasserspiegels" auch wieder mehr und mehr auf Angebote zu setzen, mit denen man "kirchenferne" Personen erreichen könne. Da tue sich wirklich einiges und erstaunliches, freut sich Markus Weimer und sieht die Kirche hier auf einem guten Kurs im Rahmen der "neuen Platzanweisung" in der Gesellschaft.
Der evangelische Kirchenbezirk hat dafür drei zentrale Begriffe entwickelt, unter die diese Entwicklung gestellt wird: Demut - angesichts dieser neuen Platzanweisung. Zudem "müssen wir einfacher werden" und nötig sei "Wagemut", um neue Aufbrüche zu wagen, blickt Markus Weimer in die Zukunft. Dabei setzt der Kirchenbezirk auf neue theologische Ausbildungsformate und Glaubenskurse, die den Menschen die Möglichkeit geben sollen, mehr in die Tiefe zu gehen.

Steigende Konfirmandenzahlen

Eines der schönsten Beispiele bietet ihm seine ehemalige Gemeinde Böhringen, wo die Zahl der Konfirmanden stark nach oben geht nach Jahren des Rückgangs. Das Interesse von Jugendlichen und Eltern sei hier sehr intensiv zu erleben, zumal die Konfirmation und Konfirmandenzeit eine der prägendsten für Jugendliche sei. In Böhringen finden dazu gemeinsame Abende mit Eltern als "Vier-Gänge-Menü" statt, was eine sehr starke Resonanz und auch Rückmeldung finde. Nach der Konfirmation könnten die Jugendlichen außerdem als "Trainee" die nachfolgenden Konfirmanden begleiten und würden damit für Leitungsaufgaben begleitet. Delbst in Böhringen kämen bei Konfirmandentreffen inzwischen rund 60 junge Menschen zusammen, ist Markus Weimer von dieser neuen Bewegung beeindruckt.
Was Ostern betrifft, schaut er in seine eigene prägende Zeit in der anglikanischen Kirche mit dem "dying to live" nach Johannes zwölf zurück: Das Weizenkorn, das stirbt, auf dass aus ihm neues Leben entsteht. Das ist sein Signal für Ostern 2024 als Zeichen eines Aufbruchs seiner Kirche, in der der sprichwörtliche Stein des Ostermorgens schon weggerollt ist.

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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