Ehemaliges Radolfzeller Klinikum als Schauplatz
Eine Katastrophenschutzübung enormen Ausmaßes

Hier wird im Rahmen der Katastrophenschutzübung im ehemaligen Radolfzeller Klinikum ein Intensivpatient evakuiert. | Foto: Philipp Findling
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Radolfzell. Nahezu regelmäßig sind Rettungsdienste wie das Deutsche Rote Kreuz dazu angehalten, Katastrophenschutzübungen durchzuführen. Nach einer langen Corona-Pause wurde am Samstag, 3. Februar das ehemalige Radolfzeller Klinikum Schauplatz einer so noch nie durchgeführten Übung.

Insgesamt rund 250 Beteiligte, darunter 30 Darsteller, sowie zahlreiche Einsatzkräfte, unter anderem vom Technischen Hilfswerk und den Maltesern, Personal des Hegau-Bodensee-Klinikums Singen oder auch den Johannitern waren am Samstagmorgen, 3. Februar versammelt. Zudem waren insgesamt zwei Einsatz-Einheiten aus dem Landkreis Konstanz als auch eine Einheit aus Tuttlingen à jeweils 32 Einsatzkräften, sowie Übungsbeobachter aus Bayern, Titisee, Singen oder auch Kanada anwesend.

Kriegsbombenfund als Ausgangsszenario

"Als Szenario sind wir davon ausgegangen, dass bei Baggerarbeiten am Klinikum eine Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden wurde", erklärte Philipp Karrer, Katastrophenschutzbeauftragter des DRK-Kreisverbands Konstanz. Hierbei sollen beim Baggern Telefon- und Stromleitungen beschädigt worden seien, wodurch der Aufzug fiktiv außer Gefecht gesetzt wurde. Deshalb eignete sich ihm zufolge das ehemalige Radolfzeller Klinikum ideal als Übungsort: "Der Gedanke kam bei uns im Juli 2023, also wenige Tage nach der Schließung. Somit hatten wir ein gutes halbes Jahr Vorlauf, um die Übung vorzubereiten." Sinn und Zweck der Übung waren laut Michael Bentele, leitender Notarzt im Landkreis Konstanz, um regelmäßige Beplanungen für Schadensereignisse sowie Alarmeinsatzpläne für Kliniken zu überarbeiten. "Für uns ist es hierbei gerade nach Corona wichtig, die regelmäßige Übungstätigkeit wieder hochzufahren", so Bentele.

Die Aufgabe der Übung, welche vom organisatorischen Leiter Rettungsdienst Tobias Mayer und dem leitenden Notarzt des Szenarios, Dr. Florian Steckkönig, geleitet und koordiniert wurde, war es ab Beginn um 8 Uhr bis 10.30 Uhr alle Patienten aus dem Gebäude zu evakuieren, bevor die Bombe gesprengt werden müsse. "Dies wäre aufgrund eines Verzögerungszünders nicht anders möglich", erläuterte Michael Bentele den Unterschied zu einer Entschärfung. Ein Hubschrauber wurde laut Szenario angefordert, konnte jedoch nicht landen, auch eine Drehleiter sei nicht verfügbar. "Generell wollten wir diese Übung ohne Polizei und Feuerwehr durchführen, da sie auch ohne diese Einsatzkräfte stattfinden kann", so Bentele. Zudem wollte man laut Philipp Karrer auf Sondersignale zu verzichten, um die umliegende Bevölkerung nicht zu verunsichern. Zusätzlich zu den 30 Patienten, welche von Kindern bis hin zu Senioren reichte, wurde auch mit sechs Puppen gearbeitet, um hierbei die Evakuierung von beatmeten Intensivpatienten darzustellen. 

Üben für den Ernstfall eines Kriegsbombenfundes

Mettnauhalle wird zum Behandlungsplatz

Bei einer Führung durch das Übungsgelände bekamen unter anderem Vertreter des GLKN, Landrat Zeno Danner sowie die SPD-Bundestagsabgeordnete Lina Seitzl einen unmittelbaren Einblick in das Szenario. Über die Intensivstation und der "Allgemeinstation 1" ging es in Richtung Mettnauhalle, wo man einen Behandlungsplatz (BHP 25) inszenierte, in welchem 25 Patienten pro Stunde in den Sichtungskategorien Grün (leichtverletzt), Gelb (mittelschwer verletzt) und Rot (schwerverletzt) behandelt werden können. "Zudem müssen wir auch aufgrund von Kriegsszenarien wie in der Ukraine mit Blau (abwesend/nicht auffindbar) und Schwarz (Tote) handeln", ergänzte Karrer. "Hier wird bei einer Eingangssichtung vor der Halle geschaut, inwiefern die Menschen weiter versorgt werden können oder nicht, bevor sie in die für das Szenario gedachten Kliniken nach Freiburg, Villingen, Stuttgart, Tübingen oder Konstanz gebracht werden", so Philipp Karrer. In einem dafür vorgesehenen Sichtungszelt werden die Patienten schließlich in die Sichtungskategorien eingeteilt. "Dieses zusätzliche Szenario", erzählte Michael Bentele, "haben wir so nie zuvor geübt." Das Konzept des BHP 25 wurde im Jahr 2006 zur Fußball-WM in Deutschland überarbeitet, mittlerweile findet man solche BHPs unter anderem auch auf Festivals. In einer simulierten Patientenauskunftsstelle konnten sich dann Angehörige darüber informieren, in welches Krankenhaus die Patienten gebracht werden. 

Forderung rechtlicher Gleichstellung

Über die Übung hinaus tun sich die sogenannten "weißen Einsatzkräfte" wie THW, DRK, Johanniter und Malteser heutzutage nicht gerade leicht, wie der Kreisvorsitzende des DRK-Kreisverbands und Landrat a.D. Frank Hämmerle vor dem Rundgang erklärte: "Bis zur Ahrtal-Katastrophe hat der Katastrophenschutz ein Schattendasein geführt." Ihm sei es wichtig, rechtlich mit Rettungsdiensten und der Feuerwehr gleichgestellt zu werden. "Feuerwehrleute erhalten beispielsweise finanziellen Lohnersatz, weiße Einsatzkräfte, die das größtenteils ehrenamtlich machen, jedoch nicht", erklärte Philipp Karrer. Zudem mangle es weiterhin stark an geeignetem Material, Zelten sowie modernen Fahrzeugen. "Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass es zwar genügend Betten gibt, aber ein akuter Personalmangel in den Kliniken und der Pflege herrscht", ergänzt Michael Bentele, welcher gleichzeitig auch Oberarzt der Anästhesie am Singener Klinikum ist. Die Forderungen der rechtlichen Gleichstellung wurde von Hämmerle unmittelbar an Lina Seitzl weitergegeben, mit der Bitte um Änderung. "Ich werde es mit nach Berlin nehmen und dort ansprechen", entgegnete die SPD-Abgeordnete.
Insgesamt sei die Übung für alle Beteiligten sehr zufriedenstellend verlaufen. Dabei sei es laut Bentele auch wichtig, wenn hierbei Fehler gemacht wurden, um daraus für zukünftige Szenarien zu lernen. Auch eine grenzüberschreitende Arbeit sei dem DRK in Zukunft sehr wichtig, wie Philipp Karrer betonte: "Gerade aufgrund der Nähe macht es Sinn, mit Kollegen aus der Schweiz solche Übungen durchzuführen."

Autor:

Philipp Findling aus Singen

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