Erinnerungen eines vergessenen "Bue"
"Das würde heute nie mehr passieren"

Karl Amann | Foto: Tobias Lange
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Karl Amann ist ein Horner Urgestein. Er ist dort geboren, aufgewachsen und heute noch wohnhaft. Er weiß also aus eigener Erfahrung, wie sich das Leben in der Region in den vergangenen Jahren entwickelt hat. „Es hat sich die letzten 50 Jahre drastisch viel verändert“, sagt er. Die Zeit sei früher nicht so hektisch gewesen. „Es gab mehr Gemütlichkeit.“ Und: „Die Menschen haben sich verändert.“

Er kann sich an die Zeit als Junge in den späten 60er Jahren erinnern. „Der Verkehr war anders und vor jedem Haus war ein Misthaufen, weil jedes Haus noch Vieh gehabt hatte. Da sind Hühner auf der Straße herumgelaufen und auch mal eine überfahren worden.“ An einen Vorfall könne er sich gut erinnern: Dem Nachbar seine Henne ist überfahren worden. Dann haben sie zu ihm gesagt: "Du, von euch ist eine Henne überfahren worden". Dann hat er auf die Straße geguckt und gesagt: "So flache Hühner haben wir nicht."
In dieser Zeit sei der Straßenverkehr im Ort auch noch weniger gewesen, erinnert sich der Hirschen-Wirt. „Als wir noch jung waren, haben wir auf der Hauptstraße Fußball gespielt. Da ist alle zwei Stunden ein Auto gekommen.“

Ein Ereignis aus seiner Kindheit, das sich in den späten 60er Jahren abgespielt hat, ist Karl Amann besonders in Erinnerung geblieben. Im Herbst habe die Familie immer das Mostobst nach Radolfzell in die Obstbau gefahren. „Die Obstbau war dazumal mitten in der Stadt, da wo jetzt die Höllturmpassage ist. Da hat man das Obst abgegeben und da ist Saft gemacht worden, den man unterm Jahr abgeholt hat.“

Bei einer dieser Ausfahrten begleitete der junge Karl den Vater nach Radolfzell: „Ich bin als Bue mit meinem Vater rübergefahren. Der hatte aber das Obst vergessen. Ich bin dann ein wenig herumgelaufen, als Bue macht man das ja. Mein Vater ist dann wieder heimgefahren und hat mich total vergessen. Der hat gar nicht gewusst, dass er mich dabeihatte.“
Glücklicherweise hatte Karl Amann Verwandtschaft in der Stadt – genauer gesagt eine Tante, zu der er dann gegangen sei. „Das war dazumal das Kaufhaus Geckle. Das war beim Münster. Da bin ich hingelaufen und habe zur Tante gesagt: ‚Du Tante, der Vater hat mich vergessen‘. Sie hat dann angerufen in Horn und hat gesagt: ‚Du Amann Karl – der hat auch geheißen wie ich – du hast deinen Bue vergessen in Radolfzell‘.“

Auch an die Reaktion des Vaters kann sich der Gastwirt erinnern. „Ohje, da habe ich nicht mehr dran gedacht. Den hole ich sofort.“ Was dann auch geschehen sei. „Das sind so die Unterschiede zu heute. Das würde heute nie mehr passieren.“

Portrait:

Name: Karl Amann

Alter: 68

Wohnort: Horn

Beruf: Metzgermeister, Gastwirt im Hirschen

Was treibt mich an: Ich bin von Herzen gerne Wirt und mache meinen Beruf mit viel Leidenschaft.

Was verbinde ich mit der Region:
Die Höri ist ein Paradies. Hier wohnen viele gute, bodenständige Menschen.

Der Ort:

Foto: Stadtarchiv Radolfzell/ Liedl-Archiv
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Radolfzell in den 60er Jahren. Damals besuchte Karl Amann die Stadt zusammen mit seinem Vater, der in eines Tages dort vergaß.

Karl Amann | Foto: Tobias Lange
Foto: Stadtarchiv Radolfzell/ Liedl-Archiv
Autor:

Tobias Lange aus Singen

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