1999 Jahre nach Christus III
Die Bankenwelt im dritten Jahrtausend

Wirtschaft und Gesellschaft stehen an der Schwelle zum 21. Jahrhundert vor ganz neuen Herausforderungen. Fakt ist, daß die Welt sich verändert, der globale Wettbewerb und der Ausbau der Kommunikationstechnologien machen die Welt kleiner und sie bringen Märkte näher. Ob am Ende dieses Prozesses globaler Wohlstand steht oder das Kapital die neue Weltre-gierung bildet, sei dahingestellt. Erkennbar ist, daß Krisen sich häufen, Lösungen der Kernprobleme jedoch ausbleiben. Wollen wir uns mit der Zukunft der Banken beschäftigen, müssen wir uns zunächst mit deren Aufgaben und der gesellschaftlichen Funktion auseinandersetzen. Auf die nationale Ebene bezogen sammeln die Banken das Sparkapital und leihen dies als Kre-dite an Wirtschaft und Privatpersonen aus. Der Geldkreislauf sicherte bisher - bezogen auf Deutschland - die dezentrale Entwicklung von Wirtschaftsräumen. Das Kapital hat den natürlichen Anspruch sich zu vermehren. Es vagabundiert zwischen Ertragschancen und Risiko, wobei die Fiskalpolitik diese Prozesse teilweise begünstigt. Auf jeden Fall wird es zunehmend der peripheren Region entzogen.

Der Wettbewerb unter den Banken in Deutschland, den Groß- und Regionalbanken, den Sparkassen mit ihren Landesbanken sowie den Genossenschaftsbanken sicherten bisher die Ver-sorgung der Wirtschaft und privaten Haushalte mit Kapital. Im folgenden kamen die Non- und Nearbanken dazu, z.B. Versandhäuser, Autohäuser, Kreditkarten-Organisationen. Sich selbst zu "Finanzberatern" erkorene, in drei Wochen auf Verkauf getrimmte Berufsfremde, gaukeln in Geldfragen wenig vertrauten Bürgern ungeahnte Erfolgschancen vor, natürlich ohne Beraterhaftung. Der Wettbewerb hat sich insgesamt verstärkt. Derzeit zeichnet sich in der Wirtschaft allgemein, bei den Banken im speziellen, eine Suche nach der idealen Unternehmensform und -größe ab. Europa- und weltweit operierende Unternehmen suchen Kooperationen bzw. Fusionspartner, um ihre Marktstellung neu zu positionieren. Dabei steht die Kapitalrentabilität, das sogenannte Shareholder-Value-Prinzip, im Vordergrund. Die Eigentümer bzw. Anleger fordern Rendite. Die Privatbanken stehen rund um den Globus bereit, die Welt unter sich zu verteilen. Durch Übernahmen und Fusionen werden derzeitig die ersten Pan-Europäischen Finanzkonzerne geschaffen. Keine Bank ist mehr sicher, von einem anderen Finanzkonzern übernommen zu werden. Ranking, Größe, Vergleich mit mächtigen amerikanischen und asiatischen Geldhäu-sern sind der Maßstab und werden zur Strategie.

Das Ziel?: Angst vor dem eigenen Nieder-gang, Verdrängung, Vorherrschaft, Profit. Wenn das nur gut geht. Die Stützungsaktionen des japanischen Staates zur Rettung von Großbanken liegen noch nicht weit zurück. Zielkunden dieser Megafinanzdienstleister sind im wesentlichen Großanleger und Wirtschaftskonzerne. Die Sparkapitalbeschaffung erfolgt über Fonds-Gesellschaf-ten, angeschlossene Versicherungstöchter oder aufgekaufte Regionalbanken. Als Alternative zu den sach- und personalkostenintensiven Filialen wird das Direktbankgeschäft via PC und Telefon angeboten. Dem Ziel der Marktbeherrschung entgegen steht in Deutschland die starke Stellung der Sparkassen mit einem Marktanteil von 36 % und den Ge-nossenschaftsbanken mit 14 %. Über politische Einflußnahmen und Klagen vor dem europäischen Gerichtshof wird versucht, Grundstrukturen zu verändern. To get big or to get out?

Oder: "Kleine Schnellboote sind wendiger als Schlachtschiffe!" Diese Frage ist noch lange nicht beantwortet. Der Mensch, der Kunde, entscheidet letztendlich, mit wem er seine Geldgeschäfte in der Zukunft tätigt. Globalisierung und weltwirtschaftlicher Strukturwandel sind nicht gleichbedeutend mit einer Überlegenheit von Zentralisierung und großen Strukturen. Im Gegenteil: Sie verlangen Gegenpole im Lokalen und Regionalen. Unser ehemaliger Bundespräsident Roman Herzog hat diese Einschätzung mit Recht auch in einen emotionalen Zusammenhang gestellt: "Der Mensch, der sich in der komplizierten Welt nicht mehr zurecht findet, sucht instinktiv die kleinen Einheiten". In Zukunft sollte des-halb den kleineren Lebenskreisen und damit nicht zuletzt der eigenständigen Problemlösungsfähigkeit der Menschen und Regionen mehr praktische Bedeutung beigemessen wer-den als bisher. Der Bedeutungsgewinn örtlicher und regionaler Handlungsstrukturen korrespondiert unmittelbar mit den Strukturen und Prinzipien der Sparkassen. Die Sparkassen stehen institutio-nell für Dezentralität. Durch ihre örtliche und regionale Verankerung gewährleisten sie eine wirtschaftliche Infrastruktur für eigenständige Handlungsmöglichkeiten und Problemlösungen in den Regionen.

Die im Regionalprinzip und dem selbständigen Unterneh-mertum begründete Konzentration auf einen bestimmten Wirtschaftsraum veranlaßt Spar-kassen aus Eigeninteresse, ihre Geschäftspolitik auf die Erhaltung und Weiterentwicklung der Wirtschaftskraft und der Lebensqualität dieses Raumes auszurichten. Sie sind moderne Netzwerkunternehmen des 21. Jahrhunderts, die zur Sicherung von Zukunftschancen für die Menschen in allen Regionen beitragen. Die Bedeutung regional ausgerichteter Kreditinstitute wurde bemerkenswerterweise in jüngster Zeit im Ausland neu entdeckt. Die Renaissance von Kreditinstituten mit Orientierung auf örtliche Märkte und Kundenkreise sowie traditionellem filialgestütztem Retail-Banking geht vor allem aber auch auf neue marktpolitische Einschätzungen zurück.

Deshalb sollte auch die derzeit über die Finanzmärkte rollende Fusionsquelle nüchtern beurteilt werden. Es gibt keinen Königsweg für die Bank der Zukunft. Im Wettbewerb der Zukunft werden sich vielmehr die Institute durchsetzen, die am besten die Bedürfnisse der Kunden erkennen und nachvollziehbaren Mehrwert schaffen. Der Prozeß der Bankenkonzentration eröffnet gerade mittelständisch strukturierten Kreditinstituten am Markt neue Chancen in Bereichen, um die sich vermeintliche "Global Player" nicht mehr kümmern können oder wollen. Verbündete der Sparkassen und weniger Wettbewerber müßten derzeit die Genossenschaftsbanken sein. Sie bearbeiten den gleichen Markt und unterhalten Filialen manchmal gerade gegenüber. Um der Region kostengünstige Unterstützung zu gewähren, wäre möglicherweise ein Zusammengehen in gleichen Wirtschaftsräumen erstrebenswert.

Die Zeit dazu ist momentan noch nicht da. Natürlich werden sich die Filial- und Betreuungsstrukturen der Sparkassen und Genossen-schaften wandeln. Allein der technische Fortschritt wird die heute sach- und personalintensiven Routinevorgänge automatisieren. Ich gehe davon aus, daß spätestens in 10 bis 15 Jahren ein Großteil des bisherigen "Schaltergeschäfts" mittels elektronischer Telekommunikationsmedien abgewickelt wird. Die nächste Generation ist zumindest darauf eingestellt, surft schon heute im Internet und fordert Handy-Banking. Die Beratung der Kunden in Geldangelegenheiten ist das Kerngeschäft der Kreditinstitute. Was wichtig ist und bleibt ist die absolute Kundenorientierung des Dienstleisters Bank. Geld ist letztendlich der Lebensstandard unserer Gesellschaft. Zwischen dem Berater und dem Kunden muß ein Vertrauensverhältnis bestehen und die Region, das Lebensumfeld der Menschen ist gerade in Zeiten der Globalisierung das naheliegende. Der Computer kommt den Menschen entgegen - bleibt aber Hilfsmittel.

Joachim Twardon
Vorstandsvorsitzender Sparkasse Engen

Autor:

Redaktion aus Singen

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