Die Region fragt… Berlin und Stuttgart antworten
Wohin treibt die Unzufriedenheit die Wähler?

"Die Region fragt – Berlin und Stuttgart antworten" | Foto: swb-Bild: Amrit Raj
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Landkreis Konstanz. Die AfD ist im Aufwind und erzielte 19,5 Prozent bei der jüngsten, bundesweiten INSA-Umfrage "Wen würden Sie wählen, wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre?" Die Ergebnisse der internetbasierten Befragung unter 2.003 Teilnehmern wurden am 12. Juni veröffentlicht. Hingegen sind die Grünen im Sinkflug und erreichten nur noch 13 Prozent. Dieses Ergebnis lässt bei den übrigen Parteien, SPD, FDP, CDU/CSU oder den Linken, die Alarmglocken schrillen. Ihnen gelingt es nicht, die abwandernden Wähler für sich zu gewinnen.

Vielmehr stagnieren oder sinken auch ihre Umfragewerte: Die CDU/CSU erreichte 27 Prozent, die SPD 20 Prozent, die FDP 8 Prozent und Linke 4,5 Prozent.

Deutet sich damit ein Rechtsruck an, wie es in einigen ostdeutschen Bundesländern der Fall ist? Woran liegt es, dass die BürgerInnen mit der Arbeit der Regierungskoalition derart unzufrieden sind? Bieten CDU/CSU und die Linken keine Alternativen? Welche Rolle spielen die anhaltend hohe Inflation, die Migrationspolitik, das umstrittene Gebäudeenergiegesetz, der Ukrainekrieg und die Konflikte in der Koalition bei dieser Entwicklung?

Diese Gemengelage birgt viel Unsicherheit und Zündstoff. Daher stellten wir unseren Abgeordneten in Bundestag (MdB) und Landtag (MdL) im Rahmen der Rubrik "Die Region fragt – Berlin und Stuttgart antworten" folgende Fragen:

1. Worin sehen Sie die Gründe für die hohen Zustimmungswerte der AfD?
2. Was hat Ihre eigene Partei zu diesem Trend beigetragen?
3. Wie wollen Sie das Vertrauen der Wähler zurückgewinnen beziehungsweise stärken?

Dr. Lina Seitzl, SPD, MdB:

Dr. Lina Seitzl, SPD | Foto: Christian Baranowski
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1. Die Menschen sind verunsichert. Und wer kann es Ihnen verübeln; die letzten Krisen haben uns allen vor Augen geführt, dass Frieden und Wohlstand keine Selbstverständlichkeit sind. Die AfD bietet hier einfache Antworten, die gar nicht auf eine Lösung zielen, während die demokratischen Parteien alles daran setzen, die Herausforderungen tatsächlich zu meistern.

2. Wir als SPD haben die Anliegen der einfachen Leute immer im Blick. Ob Bürgergeld, Mindestlohn, mehr Bafög, Wohngeldweiterentwicklung, 49-Euro-Ticket und vieles mehr hat sich durch uns vieles zum besseren gewandelt. Wir vergessen nur manchmal auch über diese Erfolge zu sprechen.

3. Unsere Aufgabe als Abgeordnete ist es, Politik zu machen, die mit den Lebensrealitäten der Menschen übereinstimmt, und diese Politik dann auch vor Ort zu kommunizieren. Das geht nur im Kontakt mit den Menschen. Mein Anspruch ist es, so präsent wie möglich im Wahlkreis zu sein. Deshalb freue ich mich auf die nächsten Wochen, wenn in Berlin Sommerpause ist und ich wieder viel rund um den See und im Hegau unterwegs bin.

Dr. Ann-Veruschka Jurisch, FDP, MdB:

Dr. Ann-Veruschka Jurisch, FDP | Foto: Ulrike Sommer
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1. Nach der Pandemie direkt Russlands Krieg, Sorgen um die Sicherstellung der Energieversorgung, Inflation. Dazu kommen gesellschaftliche Umwälzungen aus demografischem Wandel, Digitalisierung und Dekarbonisierung aller Sektoren. Wenn die Politik den bereits bestehenden Stress bei der Ausgestaltung von Politik nicht hinreichend mitdenkt und die Menschen nicht mitnimmt, kann das zu diesen Werten führen.

2. Selbstkritisch will ich sagen: Als FDP waren und sind wir oft der Stachel im Fleisch und drängen so lange darauf, bis eine für die Menschen tragfähige Lösung da ist. Das nervt viele und mag im schlimmsten Fall auch zu einer Abwendung von Politik beitragen. Im besten Fall bewirkt es, dass Menschen den Wert des mühsamen Ringens um gute Lösungen erkennen.

3. Die Mehrheit der Menschen, gerade auch in unserer Heimat, sympathisiert nicht mit der AfD. Das möchte ich festhalten. Als Abgeordnete mache ich den Menschen das Angebot zum direkten Austausch. Auf meiner Website, in meinem Podcast "Von der Spree zum See" und im gleichnamigen Newsletter, erhalten die Wähler regelmäßige Informationen zu meiner Arbeit.

Andreas Jung, CDU, MdB:

Andreas Jung, CDU | Foto: Deutscher Bundestag
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1. Krisen und Umbrüche verunsichern viele Menschen: Ukrainekrieg, Migration, Klimawandel und Demografie etwa. Die Menschen haben zudem Sorgen wie Energiekosten, Lebensmittelpreise, Wohnungssuche oder Kinderbetreuung. Von alldem profitiert derzeit die AfD - obwohl sie als rechtsradikale Partei keinerlei Lösungen hat, sondern nur Öl ins Feuer gießt.

2. Die meisten Wählerinnen und Wähler der AfD sind selbst nicht rechtsradikal, sondern von den anderen Parteien enttäuscht. Das trifft also die Ampelparteien, aber es trifft auch uns. Umso mehr sind wir gefordert, mit klaren Konzepten zu überzeugen. Wir alle sind gefordert, darüber mit guter Streitkultur demokratisch zu ringen.

3. Vertrauen kann man nur gewinnen, indem man Probleme offen anspricht, Hintergründe erklärt und dafür konkrete Antworten gibt. Kein Schönreden, keine plumpe Vereinfachung, sondern überzeugende Konzepte und ständiger Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern dazu.

Nese Erikli, Die Grünen, MdL:

Nese Erikli, Die Grünen | Foto: Maks Richter
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1. Die Umfragen verfolge ich immer aufmerksam. Aktuell stehen wir vor vielen Herausforderungen und Krisen. Das führt zu Ängsten und Verunsicherung. Das macht sich die AfD zu Nutze. Aber sie bieten den Menschen in keiner Weise Lösungen an. Die AfD ist eine Partei, die eine sehr enge Nähe zu Russland hat, mehrfach von Russland finanziell und organisatorisch unterstützt wurde. Die AfD wird zudem als Verdachtsfall vom Verfassungsschutz eingestuft aufgrund von Rechtsextremismus.

2. Wir sind im Bund in der Mitte der Legislaturperiode und müssen große Veränderungen einleiten: Klimawandel, Transformation der Wirtschaft, Digitalisierung, Infrastrukturprojekte und vieles mehr – das sind alles Dinge, die in der Vergangenheit, also 16 Jahre lang, liegen geblieben sind. Unser Beitrag ist, dass wir nun all diese Veränderungen anstoßen und unser Land zukunftssicher sowie krisenfest gestalten müssen.

3. Wichtig ist, dass wir die Menschen mitnehmen, besser kommunizieren und mit ihnen in den Dialog treten. Außerdem müssen wir über die Natur der AfD und die Hintergründe dieser Partei besser aufklären. Wir müssen den Gegnern des Rechtsstaates und der Demokratie stärker Paroli bieten.

Dorothea Wehinger, Die Grünen, MdL:

Dorothea Wehinger, Die Grünen | Foto: Bündnis90/Die Grünen
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1. Klimawandel, Krieg in der Ukraine, der hohe Zustrom an Flüchtlingen, Corona – das sind alles Krisen, die uns in den letzten 3 Jahren viel zugemutet haben und noch zumuten werden. Gleichzeitig nimmt die Resilienz der Gesellschaft im Umgang mit Krisen ab und der/die Einzelne ist es nicht mehr gewohnt, selbst Verantwortung zu übernehmen. Daraus entstehen Ängste und Verunsicherung in der Bevölkerung – und das macht sich die AfD zu Nutze und schürt diese. Wenn man genauer hinsieht, wird aber deutlich: außer Populismus hat die AfD keine Lösungen parat.

2. Die Grünen in der Bundesregierung nehmen die Aufgaben wahr, die in der Vergangenheit versäumten Maßnahmen zum Beispiel im Klimaschutz, in der Flüchtlingspolitik, Krieg in Europa, Korruption in der Welt voranzutreiben. Das ist für viele unangenehm, da es auch bedeutet, sein eigenes Verhalten zu überdenken und gegebenenfalls zu verändern. Mit "weiterso" können wir an dem Klimawandel, der uns alle bedroht und an den weltweiten Bedrohungen nichts ändern. Hätte man früher vorausschauender gehandelt, wäre alles einfacher.

3. Mir ist es das Wichtigste, mit den Menschen zu sprechen und offen über ihre Nöte und Ängste zu diskutieren – dabei geht es auch darum, Aussagen richtig zu stellen. Es ist immer wieder bemerkenswert, wie schnell sich Falschinformationen verbreiten. Und das nützt die AFD in starkem Maße aus.

Hans-Peter Storz, SPD, MdL:

Hans-Peter Storz, SPD | Foto: SPD
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1. Den Krieg in der Ukraine spüren wir alle: Preise steigen, die Energieversorgung war gefährdet, Menschen fliehen vor den russischen Bomben. Auch die Corona-Krise ist noch nicht lange her. Das macht vielen Menschen Angst. Nicht immer überzeugt die Politik von Bund und Ländern. Das nützt in den Umfragen Parteien, die keine Lösungen vorschlagen können oder wollen.

2. Die SPD stellt mit Olaf Scholz den Bundeskanzler. Konflikte innerhalb der Koalition sind stets ein Problem der größten Regierungspartei. In den letzten Wochen ist zu oft der Eindruck entstanden, die Ampel befinde sich im Dauerstreit untereinander, anstatt Lösungen für die drängenden Probleme unseres Landes umzusetzen. Das jedoch lässt sich ändern.

3. Trotz aller Herausforderungen durch Krieg und Krisen kann die SPD in der Ampel einige Erfolge vorweisen. Für die anstehenden großen Aufgaben ist es wichtig, mit gegenseitigem Respekt gründlich nach den besten Lösungswegen zu suchen und diese dann verständlich darzulegen. Demokratische Politiker müssen offen für Kritik sein und sich stets dem Urteil der Bürger stellen: im Bund, im Land und in der Stadt.

Bernhard Eisenhut, AfD, MdL:

Bernhard Eisenhut, AfD | Foto: AfD
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1. Die AfD ist die einzige Partei, die sich noch der realen Probleme der Menschen in diesem Land annimmt. Und das sind keine Themen wie Minderheitenrechte oder Gendersprache, sondern etwa bezahlbares Wohnen, eine gescheite Gesundheitsversorgung und natürlich die Asylpolitik, die all das bedroht und für die die Bürger auch noch bezahlen sollen.

2. In der Asyl-, Corona- und Energiepolitik hat die AfD recht behalten. Viele Bürger haben nicht nur gemerkt, dass die AfD kompetent ist, sondern auch, dass wir in vielen Bereichen, etwa der Krankenhaus- oder Asylpolitik, einen komplett anderen Politikansatz brauchen und nur die AfD bereit und in der Lage wäre, einen solchen umzusetzen.

3. Wir werden unsere Politik auch künftig zuallererst nach dem Wohl unseres Volkes ausrichten. Statt uns an ideologischen Debatten zu beteiligen, beschäftigen wir uns mit echten Problemen und bieten Alternativen an. Viele Bürger haben verstanden, dass die Altparteien ihnen nichts mehr anbieten können und wählen uns daher nicht nur aus Protest.

Autor:

Redaktion aus Singen

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