50 Jahre Landkreis Konstanz
Zeno Danner: "Es ist einfach unglaublich spannend"

Landrat Zeno Danner spricht im Interview mit dem WOCHENBLATT über Krisen, Besonderheiten und die Schönheit, die er in seiner Amtszeit erlebt hat. | Foto: Tobias Lange
  • Landrat Zeno Danner spricht im Interview mit dem WOCHENBLATT über Krisen, Besonderheiten und die Schönheit, die er in seiner Amtszeit erlebt hat.
  • Foto: Tobias Lange
  • hochgeladen von Tobias Lange

Landkreis Konstanz. Der Landkreis Konstanz feiert das 50-jährige Bestehen. Das WOCHENBLATT hat sich mit Landrat Zeno Danner zusammengesetzt und darüber gesprochen, was er mit der Region verbindet, wie er seine bisherige Amtszeit erlebt hat und was er dem Geburtstagskind für die Zukunft wünscht.

WOCHENBLATT: Herr Landrat Danner, welcher ist für Sie der schönste Ort im Kreis für einen Tagesausflug?

Zeno Danner: Ich bin am liebsten auf oder im See. Aber wir haben so viele schöne Orte. Im Hegau, wenn man auf den Hohentwiel geht und herunterschaut oder neulich waren wir am Rhein. Es gibt bei uns einfach so viel Schönes, dass gar nicht die Zeit ausreicht, um alles aufzuzählen (lacht).

WOCHENBLATT: Sie haben es schon gesagt, Sie sind am See groß geworden. Was ist Ihre schönste Kindheitserinnerung an den Landkreis?

Zeno Danner: Ich bin mir völlig bewusst, dass ich ein Riesenglück hatte, hier aufzuwachsen. Für mich ist es die schönste Gegend. Wir leben dort, wo andere Urlaub machen. Wenn man auf der Reichenau zu Abend isst und den Hegau im Sonnenuntergang sieht, oder zur Ruine Bodman wandert — das sind traumhafte Erlebnisse und auch Erinnerungen, die ich an früher habe.

WOCHENBLATT: Wir feiern nun 50 Jahre Landkreis Konstanz. Welche Themen haben den Kreis Ihrer Ansicht nach in dieser Zeit geprägt?

Zeno Danner: In der Anfangszeit war eine der größten Herausforderungen, den Kreis als eine Einheit zu verstehen. Es war nicht selbstverständlich, dass zwei Kreise und damit auch Traditionen gut zueinanderfinden. Und auch das Miteinander zwischen städtischen und ländlichen Regionen. Ich finde, das ist sehr gut gelungen.
Was immer ein großes Thema war und ist, ist das Verhältnis zur Schweiz. Wie geht es hier zu an der Grenze? Wir haben alle in der Coronazeit gemerkt, was wir eigentlich schon erreicht hatten und was plötzlich wieder weg war — die Durchlässigkeit der Grenze. Ich habe es neulich in Stuttgart gesagt: Die Leute sind schon viel weiter. Schwierig wurde es über die Jahrhunderte immer aufgrund von politischen Entscheidungen.
Mobilität, Seehas – das hat auch mit der Schweiz zu tun – ist ein großes Thema, bei dem in der Vergangenheit sehr gute Entscheidungen getroffen wurden. Da müssen wir daran arbeiten, dass es noch besser wird. Es ist ein Dauerthema. Genauso die Gesundheitsversorgung. Seit 2012 betrifft sie den Landkreis als solchen. Das sind schwierige Diskussionen, die kennen wir, glaube ich, alle.

WOCHENBLATT: Sie haben es gesagt: Seit 2012 ist die Gesundheitsversorgung Landkreisthema. Ist es für Sie sinnvoll, dass solche Themen im Landkreis landen, oder würden Sie sich manchmal eine einheitliche Entscheidung von Land oder Bund wünschen?

Zeno Danner: Ich bin überzeugt, dass man die Dinge auf der Ebene bearbeiten muss, die am nächste dran ist. Das Gesundheitsthema war früher ein rein kommunales Thema. Durch die Entwicklung in der Gesundheitspolitik und die Quantensprünge in der Medizin kam man dazu, dass man von kleineren Krankenhäusern gesagt hat: Ok, das funktioniert jetzt so nicht mehr, wir brauchen größere Einheiten für die größeren Aufgaben. Auf die Weise kam das Thema dann beim Landkreis an, wobei Stockach ja weiterhin ein eigenes Krankenhaus betreibt.
Ich glaube nicht, dass Berlin oder Stuttgart den neuen Standort eines Klinikums besser aussuchen kann als wir. Da muss der Landkreis unter Beteiligung vieler Mitspieler eine Einigung finden.
Was ich mir wünsche sind klare Rahmenbedingungen. Es ist schwierig, wenn man etwas plant und dann ändern sich auf einen Schlag die Vorgaben. Diese Klarheit brauchen wir von der höheren Ebene und dafür ist sie auch da.

WOCHENBLATT: Blicken wir wieder auf den Landkreis Konstanz: Was macht ihn für Sie besonders?

Zeno Danner: Was herausragend ist, ist unsere Lage: Schönheit, Natur, Landschaft. Auch die Mischung aus ländlichem und urbanem Gebiet macht den Landkreis spannend. Es gibt gleich zwei Hochschulen, die über den Wissenschaftsverbund Vierländerregion Bodensee eng verbunden sind mit insgesamt 25 Hochschulen in den Anrainerstaaten des Bodensees. Die Grenzlage ist spannend. Hinter uns kommt aus Deutscher Sicht eine EU-Außengrenze. Wir haben außerdem die Exklave Büsingen. Eine weitere völkerrechtliche Spezialität ist der Bodensee. Das gibt es in den allermeisten Landkreisen nicht. Regelmäßig findet auf der Mainau die Abschlussdiskussion der Nobelpreisträgertagung statt, bei der sich die schlausten Köpfe der Welt zu aktuellen Fragen unserer Zeit austauschen. Wir haben ein Netzwerk aus Forschung und Wissenschaft und ein riesen Kulturangebot, starke Firmen, die in die ganze Welt exportieren. Auch an Fastnacht geht es bei uns hoch her, Stockach hat bundesweite Bekanntheit mit dem Narrengericht erreicht. Das sind Dinge, die das Leben hier einzigartig machen.

WOCHENBLATT: Sie sind seit 2019 Landrat. Hat Ihnen Herr Hämmerle bei der Amtsübergabe Tipps zum Umgang mit Kreis und Kreistag gegeben?

Zeno Danner:
Das hat er nicht getan. Wir sprechen sehr offen miteinander und ich habe ihn auch in der Coronakrise angerufen und gefragt: ‚Fällt Dir jetzt noch was ein?‘ Ich habe auch mit Robert Maus einen sehr offenen Kontakt. Gleichzeitig freue ich mich, dass mir niemand vorgeben will, wie ich Probleme anzugehen habe. Das wäre auch nicht angemessen. Zum einen hat sich der Landkreis sehr schnell gewandelt, zum zweiten ist es der dritte Landkreis, in dem ich unterwegs bin. Ich bin also nicht ganz unvorbereitet gekommen.
Was mir wichtig ist, sind die Diskussionen im Kreistag und das Bemühen, Beschlüsse mit einer möglichst großen Mehrheit und auch Überzeugung zu fassen. Ich finde, da haben wir eine sehr produktive und an der besten Lösung unserer Themen orientierte Stimmung in unseren Gremien. Das ist viel wert!

WOCHENBLATT: Ihre Amtszeit und die Corona-Pandemie begannen fast zeitgleich. Wie war es für Sie, gleich zu Beginn mit einer solchen Herausforderung konfrontiert zu sein?

Zeno Danner: Es war ja schon die zweite Krise. Wir waren mittendrin in der Buskrise, die schon fast wieder in Vergessenheit geraten ist (lacht). Es ist einfach sauanstrengend. Was uns gut gelungen ist, war alle an einen Tisch zu bringen, die potentiell damit zu tun haben. Also: Städte und Gemeinden, Krankenhäuser, Blaulichtorganisationen, Ärzteschaft, die entscheidenden Stellen im Landratsamt. Alle waren immer auf demselben Wissenstand und wir konnten mit den verschiedenen Expertisen gute Lösung finden. Das war viel wert. Auf eines bin ich stolz: Wir hatten vor der ersten Infektion schon zwei Coronatestzentren. Das habe ich von anderswo noch nicht gehört. Insofern sind wir da gut hineingestartet. Unser Ziel war es auch, dass niemand am Krankenhaus abgewiesen werden muss. Dieses Horrorszenario konnten wir abwenden. Und man muss sich irgendwann selbst klarmachen, dass man das nicht im Griff haben kann, sonst wäre es keine Pandemie. Man kann es nur so gut machen, wie es einem eben möglich ist.

WOCHENBLATT: Dann kam die nächste Krise: der Ukrainekrieg samt der Frage der Flüchtlingsunterbringung. Haben Sie sich mal gedacht: Hätte ich doch etwas anderes gelernt?

Zeno Danner: (Lacht) Nö. Mein Job ist unglaublich spannend. Und ich finde die Leistung der Kommunen bemerkenswert angesichts der großen Herausforderungen, die alle zu meistern haben. Die Gemeinden müssen die Leute nicht nur unterbringen, sondern auch in ihr Leben integrieren. Da geht es um Kindergarten, um Schule, um Arbeitsplätze, um Wohnraum. Ich finde, dass wir im Landkreis Konstanz sehr unaufgeregt und konzentriert an der Sache arbeiten. Ich nehme wahr, dass wir alle wahnsinnig unter Druck stehen, uns aber einig sind, dass wir uns um die Menschen kümmern müssen. Gleichzeitig haben wir die Erwartung an Bund und Land, dass es klare Rahmenbedingungen gibt und klare Abschätzbarkeiten.
Aber Sie waren bei den vielen Krisen. Sagen wir es so: Wenn ich es einfach wollte, wäre ich nicht Landrat geworden. Es häuft sich ein wenig, aber ich bin ja nicht alleine. Wir sind ein guter Laden, ich habe sehr gute Leute um mich herum, wir haben ein gutes Miteinander.

WOCHENBLATT: Nach 50 Jahren darf gefragt werden: Hat sich das Modell "Landkreis Konstanz" bewährt und hat es Bestand für die nächsten 50 Jahre?

Zeno Danner: (Lacht) Wenn ich die Fähigkeit hätte, vorauszusehen was in der Zukunft passiert, wäre ich wahrscheinlich nicht Landrat. Ich bin fest davon überzeugt, dass es sich bewährt hat. Der Landkreis ist in dem Zuschnitt gut gelungen. Der ist auch nicht vom Himmel gefallen, sondern hat historische Wurzeln. Wir haben ein hervorragendes Miteinander, das haben wir bewiesen. Es funktioniert gut und ich glaube, das wird es auch in den nächsten 50 Jahren. Solange ich Landrat bin, werde ich alles dafür tun.

WOCHENBLATT: Was wünschen Sie sich für die kommenden 50 Jahre?

Zeno Danner: Ich wünsche mir, dass es weiterhin so positiv bei uns zugeht. Wir wohnen im Paradies. Alle Herausforderungen, die wir haben, können wir meistern. Nirgendwo sonst auf der Welt geht es besser zu, als bei uns. Man muss daran arbeiten, dass es so bleibt. Konkret ist ein großes Thema die Anbindung des Landkreises. Mir hat neulich jemand gesagt, es sei so schwierig zum Landkreis Konstanz zu kommen. Er sei so weit ab vom Schuss. Dann habe ich gesagt: ‚Nein, ist er nicht. In einer Stunde bin ich in Zürich und von da in der Welt. Der Kreis ist nur weit weg von Stuttgart und Berlin.‘ Da wünsche ich mir, dass es deutlich besser wird. Die B33 wird gebaut, das ist ein langer Prozess. Die Gäubahn ist ein Drama. Und wenn man Entscheidungen über die Grenzregion trifft, muss man diese Region auch einbeziehen. Viel schlechter, als die Mitteilung ‚Übrigens wird morgen die Grenze geschlossen‘ kann man es nicht machen und de facto war es während Corona so. Das hat sich aber deutlich geändert und ich arbeite daran, dass wir immer wieder gehört werden.

WOCHENBLATT: Mit Blick auf die Zukunft: Das Thema „Künstliche Intelligenz“ ist derzeit in aller Munde und die Menschen Fragen sich, welche Berufe in Zukunft von ChatGPT und Co. ausgeübt werden könnten. Gehört da auch die Arbeit eines Landrats dazu?

Zeno Danner: Wir fragen ChatGPT dazu: „Wir leben in einer Demokratie, die darauf basiert, dass Bürgerinnen und Bürger aus ihrer individuellen Freiheit heraus ihre Volksvertreter wählen. Die Aufgabe und auch der Auftrag eines Landrats ist es, die besten Lösungen für die Region zu finden. Das geht über die analytischen Fähigkeiten einer Künstlichen Intelligenz hinaus. Dafür gibt es zu viele verschiedene Positionen, die vereint werden müssen. Es braucht politisches Gespür, das Abwägen von Werten, komplexe Kompromissfindung, zwischenmenschliche Fähigkeiten, Führungskompetenz, einen moralischen Kompass und den Mut zur Umsetzung.“ – hätte ich nicht besser sagen können.

WOCHENBLATT: Zum Abschluss: Welche Glückwünsche haben Sie für das Geburtstagskind, bevor es die Kerzen auspustet?

Zeno Danner: „Möge der Landkreis Konstanz auch in Zukunft im Glanze seiner Segnungen, im Glück kluger und von Recht getragener Entscheidungen, in Einigkeit seiner Einwohnerinnen und Einwohner und im Herzen eines vereinten und freien Europas blühen.“ Das wünsche ich mir und daran arbeiten wir – und so habe ich es auf die erste Seite unseres neuen goldenen Buches geschrieben.

Autor:

Tobias Lange aus Singen

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Eine/r folgt diesem Profil

Kommentare

Kommentare sind deaktiviert.
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.