Die befürchtete Welle an häuslicher Gewalt während dem Corona-Lockdown wurde bisher nicht verzeichnet
In Stockach bleibt die Lage ruhig

Häusliche Gewalt | Foto: Viele Expertinnen und Experten befürchteten einen Anstieg von häuslicher Gewalt während des Lockdowns. swb-Bild: Adobe Stock
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Stockach. Mit Beginn des Lockdowns kamen die Befürchtungen, dass die Fälle an häuslicher Gewalt massiv zunehmen werden. Wie Bärbel Wagner, die Fachbereichsleiterin Beratung, Qualifizierung, Existenzsicherung beim Diakonischen Werk im evangelischen Kirchenbezirk des Landkreises Konstanz damals im Gespräch mit dem WOCHENBLATT betonte, war das Problem, dass viele Opfer von häuslicher Gewalt während dem Lockdown keine Chance hatten, sich Hilfe zu holen. Deshalb wurde mit dem Beginn der Lockerungen eine Welle erwartet. Mittlerweile wurden schon Statistiken veröffentlicht, die darauf hinweisen, dass es eine Zunahme bei der häuslichen Gewalt gegeben hat.

Wie Carsten Tilsner vom Stockacher Ordnungsamt auf Nachfrage des WOCHENBLATTs erklärt, nimmt die Behörde bisher keinen Anstieg an Fällen von häuslicher Gewalt wahr. »In 2019 hatten wir etwa 19 Fälle häuslicher Gewalt, in 2020 bisher zehn – also zumindest keine offensichtliche Zunahme«, so Tilsner. Gezählt wurden hierbei alle Fälle, von denen das Ordnungsamt mindestens eine Meldung von der Polizei erhalten habe.
Auch bei der Stadtjugendpflege ist zu diesem Thema nichts aufgelaufen, erklärt Stadtjugendpfleger Frank Dei gegenüber dem WOCHENBLATT.

Das bestätigt auch das Landratsamt. »Wir verzeichnen nicht mehr oder weniger Fälle, als dies auch in üblichen Zeiten der Fall ist. Die Frage ist, ob die Fälle auch bekannt werden«, erklärt Marlene Pellhammer, die Pressesprecherin der Behörde auf Nachfrage des WOCHENBLATTs.

Pestalozzi Kinderdorf rechnet mit steigender Nachfrage

Die Nachfrage nach stationären Plätzen im Pestalozzi Kinderdorf ist allgemein hoch, macht Petra Bärenz, Ressortleiterin Pädagogik im Pestalozzi Kinderdorf, deutlich. »In den nächsten Monaten wird sich die Zahl der Anfragen wahrscheinlich noch erhöhen. Häufig sind Lehrer und Erzieher diejenigen, die einen Verdacht auf Kindeswohlgefährdung bei den Jugendämtern melden. Da Schulen und Kindergärten aber erst seit wenigen Wochen wieder den Betrieb aufgenommen haben, wird es wohl noch dauern, bis die Auswirkungen des Lockdowns spürbar werden«, erklärt sie.

Keine Kontrollmöglichkeit

Im Hinblick auf Gewalt gegen Kinder und Jugendliche stellen im Alltag Schulen und Kitas eine Kontrollinstanz dar, denn wenn zuhause etwas im Argen ist, dann ist es oft das Lehr-/ Kindergartenpersonal, das blaue Flecken oder ungewöhnliches Verhalten entdeckt und eingreifen kann. Insofern waren viele Verantwortlichen besorgt, dass hier einiges unentdeckt bleibt. Auch für die Stockacher Stadtjugendpflege war es schwierig, den Kontakt zu den Kindern und Jugendlichen aufrechtzuerhalten, wie Dei schildert: »Vereinzelt gab es Kontakt durch E-Mail-Verkehr oder persönliche, meist zufällige Begegnungen, eine ›Kontrollmöglichkeit‹ hinsichtlich häuslicher Gewalt war hier allerdings nicht gegeben.« Inzwischen sind die Schulen und Kitas schon wieder auf dem Weg in einen Normalbetrieb. Dementsprechend kann auch die Schulsozialarbeit wieder anlaufen. Auch hier seien glücklicherweise nicht mehr Fälle aufgelaufen als im Normalbetrieb, erklärt Frank Dei. Er zitiert in diesem Punkt das Fazit einer seiner Kolleginnen: »Corona erfordert ganz viele kreative Ideen, um nach dem Lockdown mit den Kindern und deren Familien in Kontakt zu treten und zu arbeiten. Sobald mehr Normalität gelebt werden kann, werden wir an die Themen der Kinder und Familien herankommen und dann können die Erfahrungen aus dem Lockdown be- und verarbeitet werden. Die Kooperation von Beratungsstellen, Jugendämtern und sonstigen hilfeleistenden Institutionen sind von großer Wichtigkeit.«

Frauenhäuser in Sorge

Wenngleich die Lage in Stockach ruhig zu sein scheint, verzeichnen die Frauenhäuser in der Region wie im ganzen Land einen starken Zulauf. Deutlich ablesbar sei die Welle auf der Internetplattform, die die Verfügbarkeit von Plätzen in Frauenhäusern Baden-Württemberg-weit zeigt. »Noch vor drei bis vier Wochen gab es viele freie Plätze, aber inzwischen sind nur noch wenige frei«, schildert Wagner die Situation, betont jedoch gleichzeitig, dass immer eine Lösung gefunden werden muss. »Sollten die Plätze einmal nicht ausreichen, müssen wir zusätzlichen Wohnraum anmieten«, so Wagner.

Wichtige Hilfenummern:

Frauenhäuser:
Konstanz: 07531/15728
Singen: 07731/31244
Radolfzell: 07732/57506

Beratungsstelle Frauen helfen Frauen: 07531/67999

Das bundesweite Hilfetelefon »Gewalt gegen Frauen« (rund um die Uhr besetzt, in 17 Sprachen): 08000/116 016

Psychologische Beratungsstelle für Kinder und Jugendliche im Landkreis Konstanz: 07531/800-3211 oder -3311

- Dominique Hahn

Autor:

Redaktion aus Singen

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