Politisches WOCHENBLATT-Interview mit Annegret Kramp-Karrenbauer
»Kein Platz für Politzocker und Spieler«

AKK  | Foto: Annegret Kramp-Karrenbauer ist die Beklagte 2019 vor dem Stockacher Narrengericht. Im WOCHENBLATT-Interview äußerte sich die Bundesvorsitzende der CDU zu wichtigen politischen Sachthemen.swb-Bild: CDU/Laurence Chaperon
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Stockach. Es soll nicht nur närrisch sein. Ergänzend zum humorvollen Interview auf Seite 1 stellte das WOCHENBLATT der CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer als der Beklagten 2019 vor dem Stockacher Narrengericht politische Sachfragen zu wichtigen Themen.

WOCHENBLATT: Auf dem CSU-Sonderparteitag Mitte Januar in München sind Sie als Gastrednerin aufgetreten. Welches Verhältnis streben Sie als CDU-Vorsitzende zu der Schwesterpartei an?

Annegret Kramp-Karrenbauer: Wir haben viele Gemeinsamkeiten, aber auch unsere Eigenarten, die wir bewahren wollen. Wichtig ist, dass wir nach den Streitigkeiten im letzten Jahr jetzt wieder gemeinsam an einem Strang ziehen – und zwar auf der gleichen Seite. Da bin ich mir mit Markus Söder einig und da sind wir auf einem sehr guten Weg.

WOCHENBLATT: Sie sprachen davon, dass es zwischen der CDU und der CSU sein muss wie zwischen echten Geschwistern. Man streitet sich, aber wenn die Nachbarskinder kommen hält man zusammen. Wer sind denn bitte die »Nachbarskinder«?

Annegret Kramp-Karrenbauer: Das sind natürlich die »Nachbarskinder« von der politisch linken »Straßenseite«.

WOCHENBLATT: Querelen gab es nicht nur unter den Unions-Parteien, sondern auch innerhalb der Regierungskoalition in Berlin. Hält die Vernunftehe bis zum Ende der Mandatsperiode im Oktober 2021?

Annegret Kramp-Karrenbauer: Die Koalition ist von den Bürgern gewählt und hat jetzt einen Auftrag zu erfüllen. Deutschland ist mit dieser Kanzlerin ein Hort der Stabilität in einer zunehmend unüberschaubaren Welt. In der aktuellen Lage ist kein Platz für Politzocker und Spieler. Es sollten sich deshalb jetzt alle darauf konzentrieren, ihren Job zu machen.

WOCHENBLATT: In einem Spiegel-Online-Interview im Januar haben Sie ein Jamaika-Bündnis mit FDP und Grünen nicht von vorne herein ausgeschlossen. Aber warum sollte in der Zukunft gelingen, was in der Vergangenheit so grandios gescheitert ist?

Annegret Kramp-Karrenbauer: Ich habe lediglich darauf hingewiesen, dass Jamaika ja in Schleswig-Holstein funktioniert, und es deshalb komisch wäre, wenn wir ein solches Bündnis per se ausschließen. Aber im Moment stellt sich die Frage nicht.

WOCHENBLATT: Bei der Wahl um den Bundesvorsitz Ihrer Partei haben Sie Ihre Mitbewerber Friedrich Merz und Jens Spahn hinter sich gelassen. Wo sehen Sie die künftige Rolle eines Friedrich Merz innerhalb der CDU?

Annegret Kramp-Karrenbauer: Ich freue mich, dass Friedrich Merz sich bereit erklärt hat, in unserem Expertenkreis für soziale Marktwirtschaft mitzuarbeiten. Außerdem wird er das Thema transatlantische Beziehungen an führender Stelle begleiten.

WOCHENBLATT: Friedrich Merz hatte Ihnen ja vorgeworfen, den Erfolg der AfD mit einem »Achselzucken« hingenommen zu haben. Wie sollte Ihrer Meinung nach mit der rechtspopulistischen Partei, auch angesichts anstehender Landtagswahlen im Osten der Republik, umgegangen werden?

Annegret Kramp-Karrenbauer: Tausende CDU-Mitglieder bieten der AfD auf allen Ebenen jeden Tag die Stirn. Denn sie ist unser klarer Gegner. Gleichzeitig ist für uns klar: Wenn wir die AfD »kleiner« machen wollen, dürfen wir uns nicht an ihr abarbeiten, sondern müssen uns um den Teil der AfD-Anhänger kümmern, die für uns noch erreichbar sind.

WOCHENBLATT: Schon vor der Wahl um den CDU-Vorsitz wurden Sie als politische Ziehtochter von Angela Merkel gehandelt. Wie wollen Sie sich von diesem Image lösen und sich gegenüber der Bundeskanzlerin abgrenzen?

Annegret Kramp-Karrenbauer: Ich habe meinen eigenen Stil und meine eigene Art, Politik zu machen. Aber natürlich verbindet mich viel mit Angela Merkel – sowohl persönlich als auch politisch. Ich werde nicht damit beginnen, mich aus taktischen Gründen davon zu distanzieren.

WOCHENBLATT: Angela Merkel galt als Frau der politischen Mitte, vielen klassischen CDU-Wählern steht sie zu weit links. In welche politische Richtung geht die CDU unter Ihrer Führung?

Annegret Kramp-Karrenbauer: Die CDU bleibt das, was sie seit Helmut Kohl ist und stark macht: eine Volkspartei der Mitte mit drei starken Strömungen - der christlich-sozialen, der liberalen und der wertkonservativen.

WOCHENBLATT: Die CDU musste bei den Wahlen in Ländern und Bund herbe Verluste hinnehmen. Wie wollen Sie hier gegensteuern und bessere Werte für die Christdemokratie erzielen?

Annegret Kramp-Karrenbauer: Indem wir als Regierungspartei alles tun, damit Deutschland stark und lebenswert bleibt. Indem wir als Partei mit einer klaren Haltung und einem klaren Profil Antworten geben auf die Herausforderungen für unser Land. Und indem wir es gemeinsam mit unserer Schwesterpartei CSU anpacken. Bei allen drei Punkten sind wir auf einem sehr guten Weg.

WOCHENBLATT: Nach Ihrer Wahl zur CDU-Bundesvorsitzenden haben Sie erklärt, die gesamte Asylpolitik müsse auf den Prüfstand gestellt werden, und Sie kündigten eine kritische Aussprache an. Welche Neuerungen streben Sie denn hier an?

Annegret Kramp-Karrenbauer: Wir hatten ein sehr gutes Werkstattgespräch zu diesem Thema, bei dem wir Bilanz gezogen haben und gleichzeitig konkrete Lösungen für konkrete Probleme entwickelt haben. Dabei kommt es uns auf eine Kombination aus Humanität und Härte an. Konkret steht für mich an allererster Stelle, dass wir in Zukunft für Deutschland und am besten auch für Europa insgesamt ein umfassendes Migrationsmonitoring brauchen. Das wäre ein wichtiger Schritt, um eine Situation wie im Jahr 2015 zu verhindern.

WOCHENBLATT: Sie haben sich auch für eine verbindliche Altersprüfung bei unbegleiteten Minderjährigen ausgesprochen. Greift das nicht zu stark in die Persönlichkeitsrechte ein?

Annegret Kramp-Karrenbauer: Die Menschen in Deutschland sind bereit, Menschen in Not zu helfen. Darauf können wir stolz sein. Aber die Bürger erwarten zu Recht, dass wir nur den Menschen helfen, die wirklich Hilfe benötigen, und unsere Hilfsbereitschaft nicht ausgenutzt wird. Und sie erwarten zu Recht, dass wir genau wissen, wer wirklich zu uns kommt. Deshalb halte ich die verbindliche Altersprüfung für gerechtfertigt. In meiner Zeit als Ministerpräsidentin im Saarland haben wir das übrigens genau deshalb auch so gehandhabt.

WOCHENBLATT: Die Umwandlung der Bundeswehr in eine Berufsarmee war ein riesengroßer politischer Kraftakt. Dennoch machten Sie sich in einem Videobeitrag 2018 für eine Diskussion zur Wiedereinführung der Wehrpflicht, verbunden mit einer allgemeinen Dienstpflicht, stark. Was wären aus Ihrer Sicht die Vorteile gegenüber einer Berufsarmee?

Annegret Kramp-Karrenbauer: Von den CDU-Mitgliedern kam der Anstoß darüber zu reden, wie wir das Verhältnis vom Einzelnen zur Gemeinschaft stärker in den Blickpunkt nehmen können. Eine Idee ist dabei eine allgemeine Dienstpflicht. Ich habe große Sympathien dafür, weil damit nicht nur jeder Dienst an unserer Gesellschaft leisten würde, sondern weil es auch zur Identifikation mit unserem Land beitragen könnte. Das gilt gerade für die Migranten. Denn die müssten diesen Dienst auch leisten.

WOCHENBLATT: Der Dieselskandal ist ein weiteres wichtiges, innenpolitisches Thema, das die Gemüter erhitzt. Sie favorisieren eine Hardware-Nachrüstung auf Kosten der Hersteller. Was tut denn die CDU als Regierungspartei, um diesem Ziel zu Lasten der mächtigen Autoindustrie näher zu kommen?

Annegret Kramp-Karrenbauer: Beim Diesel-Skandal sind die Verbraucher betrogen worden. Dadurch hat die Automobilindustrie als Ganzes Vertrauen verloren. Ich erwarte, dass die Unternehmen jetzt alles tun, um den Schaden wieder gut zu machen und das Vertrauen zurückzugewinnen. Dazu gehört, dass die Autokonzerne zügig für die Kosten der Nachrüstungen aufkommen, sobald die entsprechenden Genehmigungen erteilt sind.

WOCHENBLATT: 26 Prozent Frauenanteil in der CDU. Auf einer Veranstaltung der Frauen-Union im November 2018 meinten Sie: »Ohne Frauen ist keine Volkspartei zu machen«. Was tut die CDU, um den Frauenanteil in Partei und Ämtern zu erhöhen?

Annegret Kramp-Karrenbauer: Wir haben bei unserer Parteireform »Meine CDU 2017« einige Maßnahmen beschlossen, um die Attraktivität unserer Partei für Frauen zu erhöhen. Das fängt schon damit an, dass Sitzungen bereits bei der Einladung mit festen Endzeiten versehen werden müssen, damit Frauen etwa keine Probleme mit dem Babysitter bekommen. Oder dass man möglichst keine Parteitermine auf den Sonntag legt. Aber insgesamt brauchen wir ein breiteres Verständnis in der Partei, dass Frauen auf allen Ebenen und auf allen Positionen eine große Bereicherung für uns als Volkspartei sind.

WOCHENBLATT: Im Juni 2015 äußerten Sie in einem Interview mit der Saarbrücker Zeitung Kritik an einer Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften mit der Ehe. Der Bundestag hat aber mehrheitlich die Ehe für alle beschlossen. Würden Sie diesen Beschluss aufrecht erhalten?

Annegret Kramp-Karrenbauer: Ja. Die Ehe für alle ist demokratisch vom Bundestag beschlossen worden. Deshalb ist sie eine Realität, mit der man umgehen muss.

- Simone Weiß

Autor:

Redaktion aus Singen

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