Gala-Vorstellung beim Stockacher Narrengericht / Publikum skandiert gegen Richter
Zwei Freisprüche für Winfried Kretschmann

Foto: Ministerpräsident Winfried Kretschmann bei seinem Laufnarrenschwur, umrahmt von Ankläger Thomas Warndorf (links) und Fürsprech Michael Nadig. swb-Bild: of
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Stockach (of). Das Stockacher Narrengericht hat gesprochen: Es verurteilte den aktuellen Ministerpräsident des Landes, Winfried Kretschmann am Donnerstag Abend zu drei Eimern Wein (180 Liter) und zusätzlich noch 200 Liter Bier aus der Staatsbrauerei Rothaus. Und auch der Ankläger Thomas Warndorf kam nicht ungeschoren weg: er wurde auch zur Spende eines Eimers Wein verurteilt. Wegen der Einstellung von 500 zusätzlichen Steuerprüfer müsste Kretschmann eigentlich ein ganzes Staatsweingut spenden, meinte Narrenrichter Frank Bosch in seinem Urteilsspruch. Er sei nämlich inzwischen selbst schon Opfer eines dieser neuen Steuerprüfer geworden, meinte er zerknirscht.

Die Anklage hatte es freilich nicht leicht. Ankläger Thomas Warndorf bezeichnete Kretschmann als verkappten Altkommunist und warf dem einstigen Scheffelpreisträger maostische Tendenzen vor. Zudem habe er seine Frau bestohlen, indem er sich ihre Musikcassette von der „Hochzeit des Figaro“ gemopst habe. Warndorf meinte, Kretschmann habe seinen Leitsatz seiner Politik beim kommunistischen Bund Westdeutschland entliehen, auch wenn er das später als Irrungen der späten 68er bezeichne. Kretschmann entlasse nun die Lehrer, die ihn einst gewählt haben, griff Warndorf weiter in die Vorwurfskiste. Dafür stelle er nun 500 Steuerprüfer zusätzlich ein. „Legen sie diesem Mann das Handwerk, retten sie unser Bundesland“, schloss Warndorf seinen Vortrag, den er unter anderem mit einem Jugendbild garnierte, dass den jungen Kretschmann schlafend auf einer Wiese zeigte. Da sei er absolut voll gewesen, zitierte Warndorf einen Zeugen aus der Jugendzeit.

Richter Frank Bosch verlas einen Brief von Friedrich Merz, der einst auch schon durch das Gericht verurteilt wurde. Auch Merz forderte in einem aus einem „sicheren Drittstaat“ verfassten Brief die mögliche Höchststrafe, vor allem für die Verfehlungen schon der letzten Monate alleine.

Fürsprech Michael Nadig sah seinen Mandanten als großen Vertreter der Barmherzigkeit. Er betreibe eine Politik des Zugehört werdens. Er tröste auch auch die Trauernden und habe sogar für Jürgen Trittin bei seinem Abtritt noch gute Worte übrig gehabt. Er ertrage auch die lästigen „Rotkäppchen“ wie auch „Schwarzkäppchen“ in der Landespolitik. Der heutige Ministerpräsident habe als Alt-68er sogar in der Bundeswehr gedient. Das habe ihn wegen der olivgrünen Uniformen vielleicht sogar geprägt. Kretschman habe zu Musik von Mozart sogar eine hocherotische Küche gebaute. Dem Kläger warf er vor, er habe in den 68ern selbst am liebsten „Ho Ho Ho Tschi Min“ gerufen. Dem Angeklaten habe einst selbst der Stellvertreter Gotte in Stuttgart, Gerhard Maier-Vorfelder, einen guten Leumund ausgesprochen. Kretsch bleibe Kretsch, nicht links und nicht rechts. Er habe ganz einfach recht in seiner Barmherzigkeit. „Mit ihm haben wir den besseren Seehofer“, rief Nadig ins Publikum.

Auf die Bühne gerufen wurde die auch schon von dem Gericht verurteilte Renate Künastt gerufen. Ankläger Warndorf befürchtete da, dass angesichts der aktuellen Bildungsdiskussion um „sexuelle Vielfalt“ Baden-Württemberg Gefahr laufe, das erste transsexuelle Bundesland zu werden. Künast konterte mit dem Wappen des Landes, das schon so viele Elemente enthalte, dass ein Regenbogen dort gewiss noch Platz habe.

Kretschmann zeigte sich als Meister des politischen Konters. Für den Kläger schon das Sammeln von Lebenserfahrung offensichtlich eine Straftat. Was seine schulische Laufbahn angehe, so habe er gelernt, dass Umwege eben einfach die Ortskenntnis erhöhten. Im übrigen, Stockach sei ja auch schon mal württembergisch gewesen. Aber nur fünf Jahre. Und da ein Schwabe erst mit 40 Jahre weise werde, erkläre das doch einiges. Er habe sich auf sein reaktionäres Umfeld einfach heruntersaufen müssen“, witzelte Kretschmann weiter und zitierte dann sogar Rommel: „Lieber einmal voll heimkehren als immer leer ausgehen.“ Das war für das Publikum ein wirklicher Volltreffer. „Wer mit 19 noch kein Revolutionär ist, hat kein Herz, und wer es mit 40 immer noch nicht ist, der hat keinen Verstand“, erklärte der MP den Vorwurf zu seinen Jugendsünden ganz galant. Die einzige Lehrerstelle, die er ihm übrigen gestrichen habe, sei seine eigene gewesen, verteidigte sich Kretschmann weiter. Unsere bodenständige badische und schwäbische Sexualmoral bleibe erhalten, krönte Kretschmann seine Rede: „Der Zipfel im Bett macht alles wett“.

„Vor euch steht doch ein rechter Kerle“, meinte Kretschmann schließlich. Für ihn hätten sich alle Anklagepunkte in Wohlgefallen aufgelöst. Es gebe nicht nur badischen Wein, der von der Sonne verwöhnt sei, drohte Kretschmann vor einem Urteil. Denn es gebe auch Tübinger Nordhang im Land! Dass ein Publikum nach dieser Rede skandierend den Freispruch forderte und stehenden Applaus gab, hat es schon lange nicht mehr gegeben.

Dem konnte das Gericht sich natürlich nicht ganz entziehen. In den Anklagepunkten „Täuschung und Tarnung seit frühester Jugend“ wurde er freigesprochen. Ebenso zum Punkt „Anwendung maoistischer Guerillapraktiken auf dem langen Marsch in das Amt des Ministerpräsidenten« enbenso. Zum Punkt „Umkehrung der Gesellschaftlichen Ordnung“ aber sei er schwerwiegend schuldig, eben wegen der 500 Steuerprüfer. Um schlechten Wein zu verhindern, solle aus jedem der drei Staatsweingüter des Landes einer der Eimer kommen, setzte Frank Bosch fest.

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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