Der Umgang zweier Schulen mit dem Krieg
»Dabei leben wir doch gerade Geschichte!«

»Peace« - Schüler des Gymnasium Engen | Foto: Foto im Zeichen der Solidarität mit der Ukraine am Gymnasium Engen. // swb-Bild: ak
  • »Peace« - Schüler des Gymnasium Engen
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Engen. Die Schüler des Gymnasiums miteinbeziehen und mit ihnen im Austausch zu bleiben – für Engens Rektor Thomas Umbscheiden ist das in dieser Krise besonders wichtig. Auch wenn das Engagement der Schüler in dieser Sache zu wünschen übrig lässt ...

Montagmorgen, 10.50 Uhr. Pünktlich zur großen Pause schallt eine Ansage durch das Engener Gymnasium, mit der Bitte, sich auf dem Pausenhof zu versammeln. Es entstand ein Foto im Zeichen der Solidarität mit der Ukraine, zur freiwilligen Teilnahme wurde im Vorfeld über die schuleigene Cloud eingeladen. Doch bereits letzte Woche stellten der Schulleiter und eine Vielzahl der SchülerInnen eine Sammelaktion auf die Beine – mit unglaublicher Resonanz. Neben dem Hauptziel der Aktion, der Ukraine humanitär zur Seite zu stehen, gab es einen willkommenen Nebeneffekt: »Man kann mit anpacken.«

So entstand in den Faschingsferien bei den helfenden Eltern und Schülern von der fünften Klasse bis in die Kursstufen auch das angenehme Gefühl, als Gemeinschaft etwas tun zu können, zu helfen. Seine eigene Beteiligung sieht der Engener Rektor eher als eine »Zündkerze, der Motor ist woanders«.

Klar ist, dass das Thema auch nach den Ferien aufgearbeitet wird, mit dem Foto einerseits, doch noch viel wichtiger: im Unterricht. Es gebe bereits seit Ende letzter Woche fächerübergreifendes Material vom Kultusministerium, um Lehrern zu helfen, mit unterschiedlichen Ansätzen den Ukraine-Russland-Konflikt aufzugreifen.

Trotzdem seien die Pädagogen hier weitgehend auf sich gestellt, was zugleich auch viele Möglichkeiten biete, die Krise vielfältig, kreativ und altersgerecht zu thematisieren. Zum Teil gehe es darum, das eigene Erleben und Fühlen greifbar zu machen, beispielsweise im Kunstunterricht. Auch außerhalb der Schule ist es den Jüngeren möglich, sich mit speziellen Nachrichtenangeboten oder Suchmaschinen in einem ihrem Alter angemessenen Rahmen mit der Krise auseinanderzusetzen.

Thomas Umbscheiden hat sich am Montagvormittag mit einer Schulklasse brandaktuell dem Thema Fake News angenommen. Hier stellte sich schnell heraus, dass der größte Teil der Fünftklässler aktuell keine Nachrichten schaut und »dafür habe ich Verständnis«, sagt der Schulleiter selbst. So könne eben auch eine Nachrichtenpause sinnvoll sein, um die Schulkinder nicht mehr zu belasten als notwendig ist.

Generell scheint der Konflikt im Osten für den größten Teil aller SchülerInnen sehr weit weg zu sein. Besonders die Älteren, die sich noch bei »Fridays for Future« bereitwillig engagiert hätten, bezeichnet der Rektor als geradezu lethargisch. »Dabei leben wir doch gerade Geschichte! Was wir heute erleben, wird in einigen Jahren in den Geschichtsbüchern stehen.«

Thomas Umbscheiden bringt die Lage auf den Punkt: »Schule ist gerade kein Spaß.« Durch die Pandemie gibt es keine Beratung zur Anmeldung für künftige Fünftklässler, es fallen wieder Lehrkräfte aus und »jetzt kommt der Krieg noch obendrauf«.

Doch unterkriegen lässt man sich nicht. So plant Umbscheiden, in der Aula ein großes Plakat aufzuhängen, wo die SchülerInnen die Möglichkeit haben, ihre Sorgen, Wünsche und Ängste in einem »offenen Schreibgespräch« anonym zu verschriftlichen. Auch Angebote im Bereich Religion oder in Zusammenarbeit mit den Nachbarschulen seien geplant.

Im Weiteren sollen die Schüler maßgeblich selbst über ihr Engagement entscheiden und zum Beispiel im Rahmen der SMV die Initiative ergreifen. Für die Umsetzung können sie jedoch gewiss auf die Lehrerschaft zählen.

Auch an der Zeppelin-Realschule in Singen wurden schon vor Ferienende Grundsteine für den Schulbeginn zu Krisenzeiten gelegt. So wurden die LehrerInnen gebeten, das Thema der Russland-Ukraine-Krise in ihren Klassen aktiv anzusprechen. Speziell für solche Momente angedachte Klassenlehrerstunden konnten so genutzt werden, sich gezielt der Sorgen und Fragen der SchülerInnen anzunehmen. Zwar bestehe bei den Jüngeren hier weniger Gesprächsbedarf, doch in älteren Klassenstufen konnten so teils volle zwei Stunden darauf verwendet werden, Fragen zu stellen. Florian Kunemann, Konrektor der Zeppelin-Realschule in Singen, berichtet, dass bisher keine großen Schwierigkeiten in der Schülerschaft aufgetreten wären. Doch man sei sich bewusst, dass es hier zum Teil ähnliche Hintergründe im Kontext Krieg und Flucht gebe, auch deshalb stehen die Lehrer der Schule gerne jederzeit für Fragen und Sorgen zur Verfügung.

Doch wie erklärt man nun Kindern den Krieg? Für Kunemann gibt es hier »kein Richtig und kein Falsch.« Wichtig sei es, flexibel zu sein, authentisch zu bleiben, die Lage »altersangemessen« zu erklären und zu zeigen, wo die Schüler seriöse Informationen bekommen können. In älteren Klassenstufen könne man dabei mehr Hintergrundinformationen einfließen lassen, wobei auch die Materialien des Kultusministeriums hilfreich sein können.
Die Frage der Informationsbeschaffung ist für den Konrektor dabei durch die sozialen Medien eine zentrale. Hier sei es besonders wichtig, dass den Schülern bewusst wird, woher ihre Informationen eigentlich stammen.

Autor:

Anja Kurz aus Engen

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