In Städten und Gemeinden
»Die Belastungsgrenze ist erreicht«

In der alten Stadthalle in Engen soll Platz für 60 bis 70 Geflüchtete geschaffen werden.
 | Foto: swb-Bild: Ute Mucha
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Landkreis Konstanz. »Die Grenzen der Leistungsfähigkeit der Städte und Gemeinden ist erreicht – sie fühlen sich von den Landes- und Bundesregierungen im Stich gelassen«, brachte Johannes Moser, Engener Bürgermeister und Kreisvorsitzender des Gemeindetags Baden-Württemberg, Kreisverband Konstanz, die aktuelle Situation bei der Unterbringung von Geflüchteten auf den Punkt.

Auslöser für seinen dringlichen Appell an die politischen Vertreter des Landes und Bundes im Landkreis Konstanz für eine schnellstmögliche, ausreichende Unterstützung für die Sicherung der Flüchtlingsunterbringung, war eine Pressemitteilung des Ministeriums der Justiz und für Migration im Nachgang zu einer Videokonferenz von Ministerin Marion Gentges MdL und Ministerin Nicole Razavi für Landesentwicklung und Wohnen.
Darin wurde der Ernst der Lage zwar bestätigt, doch »mit anerkennenden Worten durch die Ministerinnen ist es allein nicht getan. Es wird dadurch keine weitere Unterkunft geschaffen«, so Moser, der selbst an der Konferenz teilgenommen hatte.
»Wir brauchen schnelle und unbürokratische Strukturen, um den drohenden Kollaps bei der Wohnraumversorgung verhindern zu können«, fordert der Engener Bürgermeister. Er verwies auf die Stellungnahme des Gemeindetagspräsidenten Steffen Jäger, dass »die MitarbeiterInnen der Kommunen durch die zusätzlichen erheblichen Arbeits- und Finanzbelastungen aus der Flüchtlingszuwanderung seit 2015, der Corona-Pandemie, dem Ausbau des Rechts auf Kinderbetreuung, der Erdgasmangellage und vielem mehr an der Belastungsgrenze angekommen sind.«

Die Kommunen seien seit Jahren im Dauerkrisenmodus. Ohne Flexibilisierung bei den rechtlichen Rahmensetzungen, ohne einen spürbaren Abbau von Standards und ohne eine konsequente Aufgabenkritik werde es zu einer Überlastung der kommunalen Ebene und der dort tätigen Mitarbeitenden kommen, prognostizierte Jäger. Es brauche in Zeiten einer multiplen Krise eine gesamtstaatliche Besinnung auf das Wesentliche. »Die Städte und Gemeinden sind festen Willens, die ihnen übertragenen Aufgaben zu erfüllen, sie brauchen dafür jedoch den passenden rechtlichen Rahmen und die personellen und finanziellen Ressourcen«, unterstrich der Gemeindetagspräsident.
Die Aufnahmekapazitäten des Landes für Geflüchtete wurden seit Frühjahr 2022 bereits nahezu verdoppelt und die Kommunen müssen ständig neue Unterbringungsmöglichkeiten nachliefern, zeigt Johannes Moser das Dilemma auf. Dies sei kaum zu leisten, auch nicht durch ein 80-Millionen-Euro-Förderprogramm des Landes, das »lediglich ein Tropfen auf dem heißen Stein ist«, so Moser.

Der Engener Bürgermeister weiß, wovon er spricht. Die Stadt Engen ist nach ihrer Zuteilungsquote derzeit noch mit 96 Personen im Defizit. Deshalb soll nun in der alten Stadthalle begrenzt auf ein bis zwei Jahre Platz für 60 bis 70 Geflüchtete geschaffen werden. Auch in der ehemaligen Jugendherberge in Bittelbrunn können zeitlich befristet rund 30 Flüchtlinge untergebracht werden und das ehemalige Hotel Sonne wird derzeit vom Landkreis zu einer Gemeinschaftsunterkunft für gut 50 Geflüchtete umgebaut. Mittelfristig soll zudem auf dem Grundstück der Krone in Anselfingen eine gemischte Bebauung für Flüchtlinge und für günstigen Wohnraum entstehen. Allerdings sei das Bauamt der Stadt derzeit gut ausgelastet und werde bei der Umsetzung durch Material- und Personalmangel zusätzlich gebremst, erklärt Moser, der sich neben finanzieller Unterstützung mehr Flexibilität im Baurecht mit weniger Einschränkungen und Verzögerungen, dafür mehr Befreiungen und schnellere Umsetzung wünscht. Er befürchtet angesichts der prekären Situation in der Flüchtlingsunterbringung einen »heißen Herbst« für Region.

Autor:

Ute Mucha aus Moos

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