Wafrös alemannische Dialektik vom 19. Oktober 2005

Am Samschtig, so kurz vor Mittag, hot d Uschi gschellet und en Hefezopf brocht. Er sei ein Grueß vu de Muetter, aber die Mei und i hond doch kon Geburtstag ghet. Seit iber fufzeh Johr krieged mir nämlich en Hefezopf vu de Trudl und de Trudl ihre Kranzbrot isch bis etz no vu nint ibertroffe wore. Entweder bringt en Trudl selber, wenn sege gratuliere kunnt, oder sie schickt ons vu ihre sechs Kinder, wenn ons devu grad uf Bsuechisch. Desmol hot se die Jüngscht gschickt, weil se schwer krankisch, d Trudl, und i hon nu weng verläge gfrogt, »wie goht's de Mamme, wa macht se?« Do hot se gsagt, d Uschi, »S goht it guet, s goht z End. Sie hot uns Mädle no beauftragt, mer solled au Zöpf backe und ihrne Freund bringe, als Abschiedsgrueß!« No hond die vier Töchtere Zöpf bache und on devu hond mir kriegt, die Mei und i. Noch de sechse z Obed hot de Thomas agruefe, d Muetter sei friedlich eigschlofe. Ufem Kuchetischisch no de frisch Zopf gläge ...
Gertrud hot se eigentlich gheiße, aber de Schwob und de Badenser kürzed do ab auf »Trudl«. Ä waschechte Schwäbin isch se gsei, ä Oberschwäbin sogar, aus Söflinge bei Ulm, und sie hot ihre Schwäbisch bhalte bis zletscht. Sie war d Frau vum Albert, vom Dr. Frei, wo au en Schwob aus sellere Gegend isch und de erschte urologische Schefarzt in Singe war. Er hot anne 46, woner aus de Gfangeschaft hoimkomme isch, sei Trudl gheirote und isch als junge Dokter fir Urologie a de Hamburger Uniklinik gsi. Do hot sei Trudl scho drei Kinder ghet und drei sind denn no dezue kumme. 1960 sind se uf Singe kumme, die Freis, hond ä Haus underm Hohentwiel baut, damit se all uf ihre schwäbische Hoemet luege känned. S war die Trudl wo defir gsorgt hot, dass de Herr Schefarzt Kontakt haltet zu de Singemer. »Sui«, wie d Schwobe saged, isch ä Rebwieb wore und wa fir oins! Koin Zunftball, koin Narrespiegel, koin Johrmarkt ohne Trudl und iber ä Vierteljohrhundert hot se am Fasnetsamschtig im Helmut sei Guggemusik empfange und mitere himmlische Hoorigsuppe gschpeist, wo de Denzel Wolfgang noch ihrem Rezept kocht hot. Wa ibrig war, hot se eigfrore und i hon all wieder mol en Bolle fir die Mei und mi kriegt. Weil se sich fir die Poppelezunft buechschtäblich beinah krumm gschafft hot, isch se »Ehrenrebwieb« wore und de Albert nadierlich Ehrezunftgsell. Die zwoi hond als erschte die Schranke abbaut, zwische de sogenannte Halbgötter in Weiß und de Bürger i unsere Stadt! Underm Johr, wenn koi Fasnet war, hot se näbe de Sorg um ihre guet grotene sechs Kinder no 20 Johr d Nähschtub fir d Aussiedler organisiert und mitgnäht. So isch se zweiundachtzge wore, voller mordsmäßige Freid a ihrer große Enkelschar, bis der vermaledeite Krebs komme isch. De Ulli, de Professer, hot se no z Berlin vome Kolleg operiere losse und mer hot gmoint, s dät's no ä Weile. No vor vierzeh Tag homer mitenand Kaffee trunke. Denn hot sich der Dämon rabiat wieder zruckgmeldet. Aber a dem Tag, wo se hot sterbe derfe, hond ihrne Mädle no Zöpf bache müesse fir ihrne Freund, bevor se d Auge fir immer zuegmacht hot. S isch eifach wunderbar, dasses uf de Welt gottseidank halt au Mensche giit, wie unsere Singemer Schwäbin Trudl. Wenn's nu au no vill gäb, sotte wie sui.

Von Walter Fröhlich

Autor:

Redaktion aus Singen

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