Aschermittwochandacht in der Peter und Paul Kirche
Die Zeit des Gauklers ist nun vorbei

Die letzte Maske ist nun abgenommen bei der traditionellen Aschermittwochsandacht in der St. Peter und Paul Kirche. | Foto: Philipp Findling
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  • Die letzte Maske ist nun abgenommen bei der traditionellen Aschermittwochsandacht in der St. Peter und Paul Kirche.
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Singen. Nun ist auch in der Stadt des Poppele die Fasnet vorüber. Dem wurde am Aschermittwoch mit der traditionellen Andacht in der Peter und Paul Kirche unter dem Thema "Wenn die Narren fasten" gedacht. 

"Wer bin ich im Spiel des Lebens? Der oder jener? Bin ich denn heute dieser und morgen ein anderer? Bin ich beides zugleich?" Diese Worte aus dem Text "Wer bin ich" von Dietrich Bonhoefer begleiteten diesen besonderen Gottesdienst und sagen zugleich soviel über das Narr-, vor allem aber Menschsein aus.
"Es ist die Brücke zur Fastenzeit und die Ende der Fasnet", betont Klinikseelsorgerin Waltraud Reichle, welche durch die Andacht führte. Dabei sei die Fasnet ihrer Ausführung zufolge wie das Spiel des Lebens, wo für es für alles ein Ende gebe. "Das Motto 'Wo goht's lang?' klingt auch am Aschermittwoch noch nach, so ist die Maske doch auch ein Symbol der eigenen Vergänglichkeit." Während diesen eröffnenden Worten kamen traditionell neun Singener Närrinnen und Narren nach vorne und legten dieses Symbol vor den Altar. 

An diesem Abend gedachte man auch denen, welche die Fasnet zum ersten Mal nicht mehr erlebten. So unter anderem dem ehemaligen Säckelmeister Dieter Bauer, der ehemalige Poppele-Zunftschreiber Klaus Braun, dem Mundartdichter und Maler Bruno Epple oder auch der Ende 2023 verstorbenen Helmut Assfalg. "Ihr werdet fehlen", bekräftigte Johannes Ruf.

Nachdenklich wurde es beim Lied "Die Zeit des Gauklers" von Reinhard Mey, wundervoll vorgetragen von Jürgen Napel, Leiter des Kinderheims St. Peter und Paul. Gleich die ersten Zeilen des Klassikers verdeutlichen eindrucksvoll, wie es sich für die Narren nun anfühlen muss, die Zeit bis zum "Ölfte Ölfte" zu überbrücken: "Die Zeit des Gauklers ist vorbei, verklungen seine Schönfärberei, verstummt die Laute, die der Musikant noch in den Händen hält." 

In ihrer Ansprache fragte sich Reichle, was der Aschermittwoch eigentlich bedeute: "Ist es ein Zeichen der Neuorientierung? Ist der Kompass hierfür richtig ausgerichtet?" Sie lobte Menschen wie die inhaftierte iranische Friedensnobelpreisträgerin von 2023, Narges Mohammadi, welche sich für Recht und Frieden im eigenen Land sowie auf der ganzen Welt einsetzen und zog nochmals eine Parallele zur Fasnacht und dem Leben an sich, so komme man bei beidem nicht an dessen Enden vorbei.
"Dein bin ich! Du Gott kennst uns, dein sind wir!" beantwortete Waltraut Reichle die anfangs gestellt Frage des Bonhoefer-Textes.
"Man sagt, der Narr ist traurig, wenn der Vorhang fällt. Und das Fest, das wir endlos wähnen, hat doch, wie alles, seinen Schluss." Diese Worte des in der Andacht gesungenen Reinhard Mey-Lieds hallen wohl noch lange nach, wenn die Närrinnen und Narren nun wieder als Menschen die Türen der St. Peter und Paul Kirche hinter sich zumachen und sich womöglich schon jetzt nach der Martinisitzung 2024 sehnen. Dies sei ihnen vergönnt.

Autor:

Philipp Findling aus Singen

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