Weitere Kundgebung am Mittwoch in Radolfzell
Diese Kundgebung soll nur der Anfang sein

Blick auf die Kundgebungsbühne zwischen dem Cano-Einkaufszentrum und dem Galeria auf der Singener August-Ruf-Straße. | Foto: Anja Kurz
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Singen. Aus allen Richtungen strömten am Samstagvormittag die Menschen in die Singener Fußgängerzone. Doch anders als vielleicht sonst üblich, war deren Ziel nicht das Ladeninnere, sondern die Kundgebung im Herzen der Einkaufsstadt. Die wurde laut dem Organisationsteam bewusst auf den 27. Januar als Tag des Gedenkens der Opfer des Nationalsozialismus gelegt. 

Inhaltlich waren die Beiträge dabei sehr auf der Linie des Mottos "Singen steht auf": für die Demokratie, für die Vielfalt und für den Zusammenhalt. Und für das eng mit der deutschen Identität verwobene "Nie wieder" in Erinnerung an die schrecklichen Verbrechen der Nazi-Zeit. Für viele der Redner bedeutete das auch, dass es um mehr geht, als um solidarisches Klatschen, Pfeifen und Rufen bei dieser einen Veranstaltung. Es brauche weiteres Engagement bei Demonstrationen auf der Straße, aber auch bei den am 9. Juni anstehenden Kommunalwahlen.

"Kämpft für die Zukunft"

Zum Beginn um 10.30 Uhr ergriff zunächst Mona Schramm, zweite stellvertretende Vorsitzende des die Kundgebung austragenden Vereins inSi, das Wort. Mit der Kundgebung wolle man daran erinnern, worauf es wirklich ankomme, betonte sie. 
Der inSi-Vorsitzende Bernhard Grunewald erinnerte an die Wahlen in 19 Wochen. Die Kommunal- und Europawahlen am 9. Juni gelte es zu nutzen, denn "jede Stimme zählt" - auch in den Wochen bis dahin, so Grunewalds Aufruf: "Es liegt an uns, ob wir die Beteiligung bei der Wahl nach oben bringen oder andere ihr Kreuz setzen lassen."
Für seine erste Rede trat dann Giuseppe Femia, Präsident des Stadtjugendkomitees, ans Mikrofon. Seiner Ansicht nach würden viele Menschen nicht verstehen, dass sie ein System unterstützen, dass ihnen jegliche Hoffnung nehme. Er richtete einen Appell an die Jugend, weise zu wählen: "Kämpft für die Zukunft, denn ihr müsst die Last tragen."

Klaus Mühlherr, Kreisvorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbunds, betonte: "Mehr als jeder Zweite in Singen hat einen Migrationshintergrund." Egal ob im Krankenhaus, im Restaurant oder im eigenen Betrieb: Diese Menschen würden fehlen. Demokratie basiere grundlegend darauf, jeden Menschen zu respektieren. Er rief die Teilnehmenden am Samstag dazu auf, hierfür euch bei weiteren Veranstaltungen einzustehen.
Als Teil einer Familie, die schon seit etwa 50 Jahren in Singen lebt, trat Paula Mendes vor Mikrofon. Heute sei sie wie auch ihre Familie gut integriert, ein Weg bei dem sie auch viel Unterstützung erfahren hätten.
Oguz Akbudak vom Hegauer Kulturverein lebt und arbeitet seit 40 Jahren in Deutschland: "Ich gehöre hierher und werde auch hier bleiben." Weiter rief er zum friedlichen Widerstand auf, denn "Singen ist bunt, Singen hat Vielfalt". 

Foto: Ute Mucha

Oberbürgermeister Bernd Häusler zeigte sich stolz auf die Stadt und den Hegau, von wo auch einige Bürgermeister-KollegInnen aus angereist waren. Er betonte: "Der heutige Tag reicht nicht aus." Es gelte "gegen die Rechtsextremisten Front zu machen und diesen Rechtsextremismus auszutrocknen." Die Wahl im Juni sei mit einer großen Verantwortung verbunden, so warnte er vor einem "Denkzettel-Kreuz". Ein Parteiverbot der AfD dränge diese nur weiter in eine Opferrolle und sei nicht sinnvoll, stattdessen rief er dazu auf "Abgerückte" zurückzuholen.

Schulterschluss für die Demokratie

Der Bundestagsabgeordnete Andreas Jung stieg ein mit der Erinnerung an Matthias Erzberger, nach dem die Singener Erzbergerstraße benannt ist. Dieser wurde von Rechtsextremisten ermordet. "Aus Worten können Taten werden", verdeutlichte Jung daran, "sowas darf es hier nicht mehr geben." Dabei zeigte er sich im Schulterschluss mit den VertreterInnen der anderen Parteien aus dem Bundes- und Landtag, Ann-Veruschka Jurisch (MdB der FDP), Hans-Peter Storz (MdL der SPD) und Dorothea Wehinger (MDL der Grünen): "Wir stehen gemeinsam gegen den Extremismus!" Leute, wie Björn Höcke, die Hass und Hetze verbreiten, dürften in diesem Land niemals das Sagen haben, unterstrich er: "Wir kämpfen für unsere Demokratie und das lassen wir uns nicht von Rechtsextremisten kaputt machen." Es gehe um "die Würde des Menschen und nicht die Würde des Deutschen."
Hans-Peter Storz machte in seinen Worten auf die Aktion Stolpersteine aufmerksam. Die Stolpersteine erinnern an Menschen, die während der NS-Zeit, verfolgt, vertrieben oder ermordet wurden. "Nationalsozialistisches Gedankengut ist wieder in unserer Mitte angekommen", musste er feststellen.  

Foto: Ute Mucha

Zum Ende der Veranstaltung wurden Gebete der vier Religionen Buddhismus, Judentum, Christentum und des Islam, sowie das Gebet der Nationen gesprochen. 

Während Bernhard Grunewald zum Schluss der Kundgebung eine Zahl von 2.000 bis 3.000 Teilnehmenden schätzte, wurde diese schon kurz nach der Veranstaltung durch das Organisationsteam auf etwa 4.000 Menschen nach oben korrigiert. Eine so große Kundgebung habe Singen lange nicht gesehen. Um weitere Demonstrationen zu organisieren, plane Grunewald das "Bündnis unterm Hohentwiel" zu reaktivieren.

Angekündigt wurde zudem eine weitere Kundgebung schon am Mittwoch, 31. Januar, auf der Marktplatz in Radolfzell. Beginn ist um 17 Uhr.

Autor:

Anja Kurz aus Engen

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