Besonders im westlichen Hegau ist es zu Trocken
Dürren haben jetzt schon Folgen für Jahrzehnte

Es geht eben nicht mehr aufwärts. Gerade für die Natur wird die Bedrohung durch den menschengemachten Klimawandel immer greifbarer. | Foto: Graphik/Amrit Raj
  • Es geht eben nicht mehr aufwärts. Gerade für die Natur wird die Bedrohung durch den menschengemachten Klimawandel immer greifbarer.
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Kreis Konstanz. Die Nachrichten der letzten Wochen sind gar nicht gut. Kaum Regen. Und wenn, dann nur als sehr lokale Ereignisse und gleich als »Starkregen«, der die ausgetrocknete Erde noch fortspült. Der Bodensee hat inzwischen am Pegeln Konstanz auf 3,30 Meter abgenommen, der historische Tiefststand seit Beginn der Messungen liegt nur noch13 Zentimeter niedriger. Deshalb ist die Personenschifffahrt auf dem Hochrhein schon seit Wochen wieder zwischen Stein am Rhein und Diessenhofen unterbrochen, auf dem See wird das Anlegen wegen des großen Höhenunterschieds zwischen Schiff und Steg immer schwieriger, sodass bald nicht mehr alle Landestellen angefahren werden können. Und im Hilzinger Ortsteil Schlatt am Randenmuss inzwischen schon der Tankwagen das Wasser für den Hochbehälter bringen.

Und auch anLand hat sich die Situation dramatisch zugespitzt in den letzten Wochen. Letzte Woche wurde die Wasserentnahmefür Landwirteaus den meisten Gewässern untersagt, seit Wochen auch schon das Verbot fürs Grillfeuer im Wald wegen der extremen Waldbrandgefahr. Am Wochenende war es einer aufmerksamen Joggerin bei Reichenau-Waldsiedlung zu verdanken, dass ein erster kleiner Waldbrand schnell von der Feuerwehr gelöscht werden konnte. Im ganzen Landkreis herrscht freilich inzwischen die Höchste Warnstufe für Waldbrände. In der benachbarten Schweiz sind fast schon traditionell die privaten Feuerwerke zum Nationalfeiertag verboten, wegen der hohen Brandgefahr. Nur die »Profis« in Stein am Rhein, Diessenhofen und am Rheinfall dürfen ihre Raketen in den Himmel schießen.

Mais macht »schlapp«

Im Bereich der Felder und Wiesen ist die Lage nicht ganz so dramatisch wie in den beiden Dürresommern 2018 und 2019, aber wer aktuell durch die Region fährt, sieht, wie die Maisfelder förmlich nach Wasser schreien. »Die letzten vier bis fünf Wochen hat es bis auf lokale Ereignisse eigentlich keinen Niederschlag gegeben, der hier für Abhilfe hätte sorgen können«, sagt der Leiter des Landwirtschaftsamts des Landkreises in Stockach, Reinhard Schulze. Die wenige Winterfeuchte aus tieferen Bodenschichten sei aufgebraucht. Bei den frühen Getreidesorten, zum Beispiel Wintergerste, Dinkel oder Raps sei die Ernte eigentlich ganz gut gewesen in diesem Jahr, aber was jetzt später noch Wasser bräuchte, das habe gelitten. »Besonders in der Region um Engen und Tengen habe das Korn nicht ausreifen können, bevor die Pflanze vertrockne, es sei dann fraglich, ob solches Getreide zum Beispiel für Brot noch geeignet wäre. Das dicke Problem kommt jetzt aber erst noch: um die Böden zu schützen vor Erosion, um Gründünger auf dem Feld wachsen zu lassen oder auch um Blüten für die Bienen zu haben, sollte bald nach der Ernte der Felder gesäht werden. Ist keine Feuchtigkeit da, wächst auch nichts. Und das sind Substanzen, die in der nächsten Saison fehlen würden.
Weil sich die Jahre mehren, in denen den Nahrungspflanzen sozusagen unterwegs das Wasser ausgeht, würden auf den Versuchsfeldern der Landwirtschaftsforscher, die bei Lahr und bei Emmendingen (für Bioprodukte) verstärkt Versuche mit Getreidearten gemacht, die früher gesäht werden könnten, damit früher reif wären und deshalb auch vor den inzwischen fast regelmäßigen Trockenphasen geerntet werden könne. Denn auf diese Sommer müsse man sich einstellen, so Reinhard Schulze.
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Wald im roten Bereich

[/b]Und wer in diesen Tagen durch Wälder fährt, traut seinen Augen kaum: die heißen Winde der letzten Tage wehen trockene Blätter durch die Luft wie sonst im Herbst. »Gerade bei Birken und Buchen in trockenen Lagen fallen jetzt schon die Blätter ab«, bestätigt Walter Jäger als Leiter des Kreisforstamts in Radolfzell im Gespräch mit dem Wochenblatt. Die »Katastrophe« für den Wald kommt freilich mit Ansage. Letztes Frühjahr gab es viel Niederschläge, doch eigentlich ist es schon seit Oktober viel zu trocken gewesen, weshalb es eben in den tieferen Schichten keine Reserven mehr für die Bäume gibt. Absolut dramatisch sei die Lage nach wie vor in der Raumschaft Tengen, wo der Nadelholzanteil zudem hoch ist, und deshalb die Borkenkäfer, die sich durch die hohen Temperaturen und viel zu milden Winter explosionsartig vermehren, hier den Wald immer mehr vernichten. Die Zeit der Fichten in diesen Bereichen sei eigentlich vorbei. Auf dem Bodanrück seien die Buchen besonders von der Trockenheit betroffen. Die aktuellen Gewitter seien für den Boden wirkungslos. »Das ist nicht mehr als ein Schluck aus der Pulle.«

»Wenn wir etwas verändern, dann kann das erst in Jahrzehnten wirken und wie, wissen wir auch nicht«, macht der Leiter des Forstamts deutlich. Wie der Wald der Zukunft aussieht, muss ausprobiert werden. 11 Prozent Eschen gab es bis vor kurzem im Landkreis, der aus Japan eingeschleppte Erreger des Eschentriebsterbens hätte wahrscheinlich weniger Chancen gehabt, wenn die Bäume nicht so unter Stress stehen würden, sind sich die Fachleute sicher. Jetzt soll im Wald verstärkt auf Heinbuche, Douglasie, Roteiche, Bauhasel aus dem Mittelmeerraum oder Nordmanntannen gesetzt werden. Oder auf Feld- und Spitzahorn. Der gerne in den jungen Wäldern gesetzte Bergahorn wird durch einen neu hier eindringenden Erreger der »Rußrindenkrankheit« schon wieder zum Sorgenkind. Was den Wäldern da blühe, sei noch nicht ganz klar, in Bayern sei die Krankheit schon angekommen.
Was zumindest dasWaldsterben etwas aufhalten könne, wäre ein richtig langer Landregen, sagen alle. Doch die Prognose gibt es bislang nicht. »Wenn wir die 3,5 Grad Erwärmung (seit Beginn der Industrialisierung) haben, mit der die Klimaforscher rechnen, wird es bei uns im Sommer so sein wie in Süditalien, macht Walter Jäger die Zeit greifbar, auf die wir alle zusteuern.

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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