Gemeinderäte nahmen erstmals Stellung zur ihrer Position in der Insolvenz
GVV-Aufsichtsrat konnte nicht alle Pflichten erfüllen

Foto: Der Hegau-Tower der GVV wurde zu einem der Sargnägel des Unternehmens. Ein früheres Eingreifen hätte allerdings die Insolvenz durchaus verhindern können, so die Erkenntnis der Gemeinderatsitzung vom Dienstag. swb-Bild: of
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Singen (of). Lange ist es gegangen, bis sich die Fraktionen im Singener Gemeinderat selbst zur bisher größten Finanz-Katastrophe in der Geschichte der Stadt Singen, der GVV-Insolvenz äusserten. Doch das Schweigen war erst mal bewusst gesetzt. Zuvor sollte erst mal von Experten Licht in die undurchsichtigen Finanzen der Singener städtischen Baugesellschaft GVV GmbH gebracht werden, was im Februar durch die das Rechtsanwaltbüro Sandkuhl aus Potsdam auf über 5.000 Seiten vorgestellt wurde.

Und was dort durch die wochenlange Detektivarbeit als Licht kam musste nun im Gemeinderat politisch eingeordnet werden. Schuldbekenntnisse der Gemeinderäte selbst waren freilich am Dienstag nicht zu erwarten, dafür aber die Erkenntnis, dass man die Katastrophe eigentlich hätte verhindern können, mit dem Mut sich Fehler einzugestehen durch die damals wirtschaftlich wie politisch Verantwortlichen.

Singens OB Bernd Häusler machte das in seinem Schlusswort nach über zwei Stunden Redebeiträgen der Fraktionen am Dienstagabend deutlich. Als in der GVV klar wurde, dass der Hegau-Tower zur Gefahr für das Unternehmen würde, hätte man durch »Offenheit, Ehrlichkeit und Transparenz« eine Notbremse ziehen können - und damals wäre der Schaden wahrscheinlich noch viel kleiner gewesen als die rund 30 Millionen Euro Steuergelder, die die GVV-Pleite nun wahrscheinlich die Stadt koste.

Das bleibt für Häusler die zentrale Frage, was die Beweggründe dafür gewesen seien, das Problem nicht anzupacken und in der Folge lieber Bilanzen »schön zu rechnen« bis der Teufelskreis zusammenbrach.

Veronika Netzhammer (CDU) machte in ihrer Stellungnahme deutlich, weshalb sie den Aufsichtsrat 2009 verlassen habe: ihre Kritik sei ins Leere gelaufen. Gleichwohl räumte sie ein, dass der Aufsichtsrat seiner Pflicht nur bedingt nachgekommen sei und auch nicht nachkommen konnte. Man habe sich von Nebelkerzen und falschen Gutachen des damaligen Geschäftsführers und Aufsichtsratvorsitzenen blenden lassen. Auf der anderen Seite, das führten mehre Gemeinderäte in ihren Reden auf, habe die Sparkasse im Jahr 2011 der GVV noch das »Triple A« zugesprochen, was auch ein Signal für die Aufsichträte gewesen sei. Sie selbst sei noch der Meinung gewesen, es sei noch »5 vor 12« während es in Wirklichkeit schon »5 nach 12« gewesen sei.

Walafried Schrott (SPD) vertrat die Meinung, dass der ehmalige Oberbürgermeister die politische Verantwortung trage, doch auch beim Aufsichtsrat seien Versäumnisse und Fehler zu konstatieren. Die Beratung des damaligen Geschäftsführers durch die Anwälte, die dann die besten Geschosse des Towers in Beschlag nahmen ohne sich an der Tiefgarage zu beteiligen, waren für ihn einer der großen Fehler, die erst nach dem Freitod des Geschäftsführers ans Tageslicht kamen.
Dr. Hubertus Both (Freie Wähler) bekannte, dass er mit dem Gedanken eines Rücktritts gespielt habe. »Doch wer würde nach uns kommen?«, blickte er in die Runde seiner Ratskollegen. Es gibt für ihn ein Problem der Kompetenz in der Kommunalpolitik - hier sollten Ehrenamtliche die Prüfer prüfen.
Marion Czajor (Neue Linie) kritisierte, dass letztlich Parteilpolitik eine große Rolle gespielt habe und dass es eben dem Geschäftsführer möglich gewesen sei Darlehen »in unbegrenzter Höhe« ohne Absprache mit dem Gremium aufzunehmen.
Eberhard Röhm (Grüne) sieht die GVV-Insolvenz als Katastrophe. Es sei schon bei der Gründung der Fehler gemacht worden und nur ein Geschäftsführer eingesetzt worden. Der Aufsichtsratsvorsitzenden bis 2013 habe dem Gremium zudem wichtige Informationen vorenthalten. Ein Gemeinderat könne aber letztlich auch nicht nur aus Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern bestehen.

Peter Hänssler (FDP) meinte, der Skandal um die GVV werde bald Singener Stadtgeschichte sein. Durch das »Triple A« der Sparkasse von 2011 seien Warner die »Pessimisten« gewesen. Nicht nur beim Hegautower, auch beim Kunsthallenareal seien gravierende Fehler durch überteuerte Grundstücksankäufe gemacht worden. Die Singener Bürger hätten Gott sei Dank den damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden abgewählt. Das sei die Möglichkeit gewesen, nicht mehr ständig angelogen zu werden. Seiner Meinung nach müssten einige Kollegen im Gemeinderat ein größeres »mea culpa« über ihre Lippen bringen und sich vor allem nicht nochmals in Träumen mit einer weiteren Städtischen Wohnbaugesellschaft befassen.

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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