Flüchtlingsfragen werden drängender für die Region
"Sind an einem Punkt, wo es gefährlich wird"

Beim Fachgespräch zum Thema Migration im Treffpunkt Horizont auf dem Podium. Die Leiterin der Ten-Brink-Schule, Birgit Steiner, Christiane Pieper von der "Kulturbrücke Stockach", Singens Bürgermeisterin Ute Seifried, die Landtagsabgeordnete Dorothea Wehinger, Mirja Zahirovic von der Singener Kita St. Nikolaus und Linda Kelmendi von der Kommunalen Integration Singen. Mit dabei wahren im Publikum viele weitere Experten zum Thema Integration. | Foto: Fiedler
6Bilder
  • Beim Fachgespräch zum Thema Migration im Treffpunkt Horizont auf dem Podium. Die Leiterin der Ten-Brink-Schule, Birgit Steiner, Christiane Pieper von der "Kulturbrücke Stockach", Singens Bürgermeisterin Ute Seifried, die Landtagsabgeordnete Dorothea Wehinger, Mirja Zahirovic von der Singener Kita St. Nikolaus und Linda Kelmendi von der Kommunalen Integration Singen. Mit dabei wahren im Publikum viele weitere Experten zum Thema Integration.
  • Foto: Fiedler
  • hochgeladen von Oliver Fiedler

Hegau. "Wir sind inzwischen an einem Punkt, an dem es langsam gefährlich wird", sagt selbst die Landtagsabgeordnete Dorothea Wehinger. Die hatte kürzlich die Integrationsmanager, wie die Vertreter von Schulen und auch ehrenamtliche Helfer zu einem Fachgespräch zum Thema Migration unter der Überschrift "Neue Heimat" eingeladen. Angesichts von Wohnungsnot, durch den Zustrom von Flüchtlingen und Zuwanderung ausgelöste Mangellagen bei Kita-Plätzen, überforderter Schulen durch die Notwendigkeit des Spracherwerbs und vieler weiterer virulenter Themen spricht sie auch das Wort "Integrationskrise" aus. Verbunden mit der Frage, was hier durch den Staat wie die Gesellschaft noch leistbar ist unter den aktuellen Rahmenbedingungen.

Sie sagt aber auch "Ja", dass man sich das nun leisten können müsse. Aber es sei jetzt nötig, sich klarzumachen, wie man sich dafür aufstellen sollte, um hier Wege zu finden. Sie sehe auf der anderen Seite auch die Wichtigkeit von Zuwanderung in einer immer stärker überalternden Gesellschaft.
Die Rückmeldungen dieses Fachgesprächs zeigten freilich auch auf, dass die Abgeordnete hier ganz viel aufschreiben und nach Stuttgart mitnehmen musste. Denn es hakt in der Integrationspolitik derzeit an vielen Ecken und Enden. Singens Bürgermeisterin Ute Seifried beklagt, dass man die Städte doch ganz schön im Regen stehen lasse. Zum Beispiel mit Integrationszulagen, die für die jeweiligen Personen aber nach drei Jahren gestrichen würden. Wenn das bei Geflüchtete aus anderen Kulturkreisen der Fall sei, wären die nach dieser Zeit einfach noch nicht so weit: "Was kommt, sind ja meistens keine Fachkräfte". Und mit neuen Flüchtlingswellen kämen immer neue Herausforderungen auf die Städte und Gemeinden zu: Die neueste Entwicklung sei, dass inzwischen aus der Ukraine wie auch aus Ungarn immer mehr Sinti und Roma in Richtung Westen geschickt würden. "In Ungarn bekommen die sogar neue Pässe, um sich damit auf den Weg zu machen", weiß Bernhard Grunewald inzwischen aus Erfahrung. In den Ländern sind die Volksgruppen ungeliebt. Das große Problem: Es sind keine Flüchtlinge, sondern Zuwanderer. "Bei den Kindern und Jugendlichen haben die wenigsten mit zwölf Jahren schonmal eine Schule von innen gesehen haben", weiß Seifried aus Rückmeldung. Hier müsste erst mal eine Alphabetisierung angesetzt werden, um in schulische Integration einsteigen zu können.

Und bis letzten Freitag standen da noch erhebliche Kürzungen der Mittel für Integration auf der Liste der Bundesregierung. Linda Kelmendi als Singener Integrationsmanagerin bräuchte eigentlich noch viel mehr Mittel, um hier vernünftig vorwärtszukommen. Die Leiterin der Ten-Brink-Gemeinschaftsschule, Birgit Steiner, drängt auf die Notwendigkeit, die Schulen hier aus einer Parallelwelt zu holen, denn das Netzwerk müsse durch alle Einrichtungen gehen, um sich zu unterstützen. Es gebe eine Schulpflicht für alle, auch wenn sie eigentlich erst mal auf Schule vorbereitet werden müssten. Dazu bräuchte man mehr Personal, das momentan nicht da ist. Sie fordert schon lange zwei Lehrkräfte für die Vorbereitungsklassen, weil das sonst nicht zu schaffen ist, wenn "der Rahmen nicht stimmt". "Das zieht uns unglaubliche Energie ab. Meine LehrerInnen sind alle unglaublich motiviert, aber ich schaue in immer müdere Augen", fordert sie Handeln in der Politik. Zumal sich die augenblickliche Lage nicht bald wieder ändern werde, sondern das ein Zeitenwechsel sei.

Die Not ist überall: "In Stockach haben wir bald zwei Jahren keine/n Integrationsbeauftragte/n mehr in der Stadtverwaltung", klagt Christiane Pieper von der "Kulturbrücke" in Stockach. Für 160 Geflüchtete, im ehemaligen Pflegeheim, gebe es nur noch einen Sozialarbeiter, der eigentlich schon im Ruhestand sei.

Dass auch den Landkreis das Thema immer mehr umtreibt, machte die am Freitag im Milchwerk durchgeführte Integrationskonferenz im Milchwerk Radolfzell deutlich. Dort tauschten sich die Fachkräfte mit vielen ehrenamtlichen Helfern in mehreren Workshops darüber aus, wie man mit besserer Vernetzung hier effektiver zusammenarbeiten kann. Die letzte Konferenz dazu hatte 2018 stattgefunden. "Wir sind in einer Situation, da müssen wir an vieles dringend ran", so Landrat Zeno Dannner in seiner Begrüßung. Und das geht nur in mehr Gemeinsamkeit.

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

8 folgen diesem Profil

Kommentare

Kommentare sind deaktiviert.
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.