Programm der 15. Erzählzeit vorgestellt
Von der kleinen Pflanze zum großen Baum entwickelt

Von links: Patricia Tanner (Bibliotheken Schaffhausen), Nadine Frei Verein Agglomeration Schaffhausen, Tanja Fluck (Bibliothek Singen), Oliver Thiele (Kanton Schaffhausen), Friederike Gerland (Städtische Bibliotheken Singen), Singens OB Bernd Häusler, Alexandra Lampater und der Schaffhauser Stadtrat Raphaël Rohner. | Foto: Philipp Findling
  • Von links: Patricia Tanner (Bibliotheken Schaffhausen), Nadine Frei Verein Agglomeration Schaffhausen, Tanja Fluck (Bibliothek Singen), Oliver Thiele (Kanton Schaffhausen), Friederike Gerland (Städtische Bibliotheken Singen), Singens OB Bernd Häusler, Alexandra Lampater und der Schaffhauser Stadtrat Raphaël Rohner.
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Singen/Schaffhausen/Hegau. Seit vielen Jahren schon geht man in Singen, dem Hegau und Schaffhausen mit der Erzählzeit ohne Grenzen einen gemeinsamen Weg, um grenzüberschreitend Menschen für spannende wie aktuelle Literatur zusammenzubringen. Auch in diesem Jahr konnte man wieder eine abwechslungsreiche Auswahl zusammenstellen, wie nun am 11. März im Singener Carifé verkündet wurde.

"Was früher nur kleine Pflanze war, ist mittlerweile zur einem großen Baum herangewachsen", eröffnete Singens OB Bernd Häusler. Dabei finde man bei der diesjährigen Erzählzeit Bücher wieder, "welche den Widerhall in der Gesellschaft, aber auch politische wie soziale Themen darstellen".
Auch Raphaël Rohner, welcher sich in diesem Jahr aus einem Amt als Schaffhauser Stadtrat in den Ruhestand zurückzieht, bekräftigte die Tragweite dieses Events, welches über die ganze Region hinaus, "von Schleitheim bis Stein am Rhein", hinausstrahle. "Gerade in aktuellen Zeiten ist diese länderübergreifende Zusammenarbeit sehr wertvoll dafür, diese gemeinsame Freundschaft, welche auf der Basis der Menschlichkeit beruhe, auch in Zukunft an junge und ältere Menschen heranzutragen, diese zu hegen und pflegen", so Rohner.

Bei der nun 15. Erzählzeit, welche vom 6. bis 14. April 2024 in 41 Städten und Gemeinden stattfinden wird, finden insgesamt 66 Lesungen von 35 AutorInnen statt. "Dieses Programm", ist sich Raphaël Rohner sicher, "hält, was es verspricht".
Friederike Gerland, Leiterin der städtischen Bibliotheken Singen, unterstrich auch nochmals die Bedeutung der Erzählzeit, so sei es ein Festival, welches Literatur auch in die kleinen Orte "direkt zu den Menschen" bringe. Neben einem leichten Überhang weiblicher Autoren kann das Publikum 2024 viele Debütromane sowie Werke von jüdischen AutorInnen bewundern.

Ihr erster Tipp, welcher zugleich am 6. April um 19.30 Uhr in der Singener Stadthalle die Erzählzeit eröffnen wird, ist das Buch "Die Liebe an miesen Tagen" von Ewald Arenz, welcher sich hierin dem Thema der Partnersuche annimmt und ob man noch einmal oder überhaupt zum ersten Mal die große Liebe finden kann. Moderiert wird der Abend von Oswald Burger, welcher unter anderem von 1991 bis 2021 dem literarischen Forum Oberschwaben angehörte.
Ein sehr spannendes Thema nimmt sich Autorin Johanna Sebauer in Gerlands zweitem Tipp "Nincshof" an, in welchem die Protagonisten alles dafür tun möchten, ihren Wohnort vergessen zu machen. "Hierin stellt sich die Frage, wie trotz Overtourism der Fremdenverkehr eine Dorfgemeinschaft nicht gefährden kann", so Gerland.
Zu guter Letzt empfiehlt die Leiterin der städtischen Bibliotheken noch die Lesung von Heinrich Steinfest zu dessen Roman "Sprung ins Leere", welcher beim Lesefrühstück am 14. April die Erzählzeit beschließen wird. Hierin wird, in typischer, fantastischer Schreibweise des Autors, die Geschichte von Klara erzählt, die sich für die künstlerischen Hinterlassenschaften ihrer ungeliebten Großmutter interessiert und ein Fund einen Hinweis darauf liefert, wohin diese die Familie 1957 verlassen haben könnte. Laut Gerland überzeugt Steinfest dabei mit "poetischen Sprachbildern wie 'das Lächeln wie eine Rose' sowie plastischen Worten".

Auch Alexandra Lampater, die gemeinsam mit Oliver Thiele und Friederike Gerland die Programmleitung innehat, hatte drei spannende Werke zu empfehlen. Zum einen ist dies der Roman "Sich lichtende Nebel" von Christian Haller, der für dieses Werk 2023 mit dem Schweizer Buchpreis ausgezeichnet wurde und welches die Entwicklung der Quantenmechanik zum Thema hat. Der Mann im Dunkel, welcher vom Protagonisten Werner Heisenberg immer wieder entdeckt wird, wisse dabei nichts von der Rolle, die er bei dieser Entdeckung spielt, sondern versucht, den Verlust seiner Frau zu verarbeiten.
Als Zweites empfiehlt Lampater "Nochmal von vorne" der jüdischen Autorin Dana von Suffrin, in welchem die Geschichte einer jungen Frau erzählt wird, welche ein Familienleben zwischen München und Tel Aviv führt, und ein schwieriges Verhältnis zu ihrer Schwester hat. "Es ist ein Panorama, in dem es bebt, voller Sehnsüchte und enttäuschter Hoffnungen", so Lampater.
Ein Buch mit hochaktuellem Einschlag hat sie mit "Laufendes Verfahren" von Kathrin Röggla parat, welches aus der Wir-Perspektive, sprich den Schilderungen von ZuhöhrerInnen, den NSU-Prozess in München nacherzählt und für sie mehr eine "Gerichtsreportage" ist.

Zum Abschluss der Medienrunde stellte Mitorganisator Oliver Thiele noch seine drei Tipps vor. Den Anfang machte er dabei mit "Muna" von Terézia Mora, worin aus der Ich-Perspektive die Geschichte von Schauspieltochter Muna und deren toxische Beziehung zu Magnus erzählt wird, dessen Kontrollsucht Muna sich jedoch schwer entreißen kann. Mit einem einfachen Stil schaffe es Mora laut Thiele, "die Leser immer wieder dazu zu bewegen, die Protagonistin anzustupfen und auf die Gefahr hinzuweisen".
Einen von zahlreichen Debütromanen empfiehlt Oliver Thiele mit "Bild ohne Mädchen" von Sarah Elena Müller, die es mit diesem Werk auf die Shortlist des Schweizer Buchpreises schaffte. In diesem Werk, welches sich dem Thema des Kindesmissbrauchs annimmt, entdeckt ein Mädchen die zahlreichen Videogeräte ihres Nachbarn Ege und sucht Zuflucht bei einem Engel, welches es auf einer der Videokassetten entdeckt. "In diesem Haus weiß man nie, was passiert", erläutert Thiele, so sei der Roman für ihn auch ein "eigenes Erwachen in der Realität, in welcher man schwer wegschauen kann".
Abschließend präsentierte Thiele noch das Buch "Über allem ein weiter Himmel" von Matthias Nawrat, welchen er selbst als "Romancier und Lyriker" bezeichnet. Hierin geht es um ein grenzüberschreitendes Reisetagebuch mit Ansichten des Autors aus europäischen Städten wie Skopje, Minsk oder auch dessen Heimatort Opole in Polen, welches für Nawrat auch eine Reise in die eigene Vergangenheit ist.

Alle Lesungen, bis auf das Lesefrühstück am 14. April sind kostenlos, das komplette Programm gibt es auf der Webseite der Erzählzeit ohne Grenzen.

Autor:

Philipp Findling aus Singen

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