Wie soll es unseren Kindern besser gehen?
Auf das Zeugnis kommt es an

„Du musst halt mehr lernen!“ Das ist oft die Antwort auf Zeugnisnoten. Und damit geht es in die Sommerferien! Mancher Schüler schimpft auch, die Lehrer hätten ihm die Ferien versaut. Gespiegelt wird die Welt der Erwachsenen: Arbeiten wir nicht das ganze Jahr nur für einen angemessenen Urlaub? Wir leben doch nicht, um zu arbeiten – sondern umgekehrt! Und in Wirklichkeit steht uns doch eine ganz andere Welt zu, die wir uns redlich verdient haben! Schulzeugnisse und Urlaub sind schwierige Themen in unserer Kommunikationswelt. Entweder man kann mitreden oder nicht. Hat man Schulkinder oder nicht? Hat man Enkel oder nicht? Ist man ein Ferientyp oder nicht? Ja, auf die richtige eigene Klassifikation kommt es im Alltag an. Die köstlichste Einordnung hörte ich letzte Woche: „Ich stamme halt aus einer Cabrio-Familie!“ Die toppte glatt die Erwiderung einer Mutter, als ihr der Deutschlehrer erklärte, ihr Sprößling bekomme jetzt Stützunterricht am Gymnasium: „Bi üs swätze alle normal! I swätz normal, de Mann swätzt normal – und au de Bue swätzt normal!“

„Cabrio“ war der Höhepunkt, weil es deutlich machte, worum es bei dem Thema Schule in Wirklichkeit geht: Zukunft, Erfolg, Glück – alles zum Nulltarif! Den Kindern soll es einmal besser als uns gehen! Dieser Wunsch war nach Notzeiten und Krieg nur verständlich. Aber heute? Die Hälfte der Schulabgänger erreicht die Hochschulreife oder vergleichbare Abschlüsse. Was will man noch mehr? Konfliktträchtig ist der Themenbereich dennoch selbst oder gerade in der Kaffeerunde. Die einen schwärmen von ihren Wunderkindern, die anderen reden ununterbrochen vom „Lernen“! Ich muss dann still sein und schweigen, denn dieses Thema hasse ich seit meiner Schulzeit! Auf meine Nachhilfeschüler habe ich nie eingeredet: „Lernen! Lernen! Lehren“! Und Fleiß habe ich nie als Kardinaltugend eingeschätzt.

Je näher die Zeugnisse rücken, umso medialer wird das Thema bei allen Ratgebern. Lebenshilfe gewährt das Radio am Tag der Zeugnisausstellung: Nur keine Kurzschlusshandlungen! Schüler wenden sich an Dr. Sommer und Co. mit ihrer Lebensbeichte. Ein Bespiel: „Eine 1 in den Arbeiten ist für meine Mutter gerade gut genug. Schon wenn ich eine 2 schreibe, kriege ich total Ärger. Und bei ner 3... Als ich einmal in Mathe eine 4 geschrieben hab, da war was los! Außerdem kontrolliert sie mich total und will bestimmen was ich lerne und ich muss jeden Tag 2 Stunden das lernen, was sie mir vorschreibt...“ Der Schlußsatz trifft das Problem sehr typisch. Früher klagten Eltern bei einer Gymnasialempfehlung: Wir können dem Sprößling gar nicht helfen! Heute sehen sie sich als urteilsfähig an. Das sind die wahren Elternkarrieren!

Bei einem Festmahl saß einmal eine Ordensschwester neben mir, die Kindergartenleiterin war. Wir sprachen über Bildungspolitik und Kinderentwicklung, Veränderungen und ihre Erfahrung. Was habe sich da im Laufe der Generationen geändert, fragte ich. Ihre Antwort war leise und bedächtig, aber wirkte geradezu entlarvend: „Heute bringen die Mütter Babies zu uns – und wollen sie hochschulreif wieder abholen!“ Das war ein Volltreffer! Aber welche Erwartungen sind damit verbunden? Wir alle stehen unter Druck – Erzieher wie Kinder. Denkt man an die Tarifauseinandersetzungen der letzte Monate, dann macht das zusätzlich nachdenklich. Karriere ist gefordert, geradezu schon Pflicht. Mit Begriffen wird dabei geradezu gespielt. Wer kannte den Bachelor vor wenigen Jahren? Heute ist aus der Prüfungsstufe schon der Name einer Fernsehserie geworden! Prüfung ist wichtig – Hauptsache bestanden! Prüfungen gibt es schon zum Hauptschulabschluss. Und das Abitur? Wir unterscheiden schon länger nach Bundesländern. Und natürlich kennen wir Exzellenz-Universitäten. Wichtig ist jeweils das Image. Von dem leben wir alle.

Aber wofür lernen wir wirklich? Damit Mutti zufrieden ist? Damit wir auf die richtige Universität kommen? Damit unser Ego befriedigt ist? Damit wir medial gut herüber kommen? Einfach einmal nachdenken . . .

Von Hans Paul Lichtwald

- Redaktion

Autor:

Redaktion aus Singen

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