Appell für Kooperation und gegen Grenzenziehen
Die Zukunft braucht Zusammenspiel

Andreas Jung nach dem Gespräch mit dem WOCHENBLATT darüber, wie es gutes Leben auch in Zukunft möglich ist. | Foto: Tobias Lange
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Singen. Es ist genau 12 Uhr, als Andreas Jung, Bundestagsabgeordneter des Wahlkreises Konstanz, vor dem Restaurant eintrifft. Pünktlich auf die Minute also zu seinem Gespräch - und auch Mittagessen - mit dem WOCHENBLATT. Das Thema ist ein bedeutendes: Wo liegen die Baustellen der Gegenwart und Zukunft und was muss unternommen werden, damit es sich auch in den kommenden Jahren gut in Deutschland leben lässt.

Die Antwort, wie das gelingen kann, fängt aus Sicht des Bundespolitikers bei jedem Einzelnen an. Man müsse sich immer wieder vor Augen führen, dass es eben nicht selbstverständlich ist, in Frieden und Freiheit zu leben, was der andauernde Angriff Russlands auf die Ukraine zeige. Dass es nicht selbstverständlich ist, Wohlstand und einen stabilen Rechtsstaat zu haben. "Das sind Errungenschaften, die es zu bewahren gilt", betont Andreas Jung. Wobei hier dann auch weitere Ebenen der Politik eine Rolle spielen.

"Wie schaffen wir es, dass man auch 2030 in Deutschland gut leben kann? Da ist für mich ein wichtiger Punkt der Zusammenhalt in Europa", ist der Bundestagsabgeordnete überzeugt. "Europa hat uns die Freiheit gebracht, hat uns den Frieden gebracht und bringt uns den Wohlstand. Wir haben Anlass, europäische Gemeinsamkeiten zu suchen."

Denn das kann auch direkte Auswirkungen in der Region haben. Etwa in Singen mit seiner starken Wirtschaft. Die Industriebetriebe "sind gekommen, als die Schweizer Protektionismus betrieben haben. Protektionismus und 'Grenzen dicht' sind offensichtlich keine guten Ideen", erklärt Andreas Jung.

Bestehende und neue Infrastruktur

Gleichzeitig betont er die Bedeutung, die eine gute Infrastruktur hat. "Infrastruktur - so konnte man wachsen, so ist Singen gewachsen." Deshalb setzt Andreas Jung auf den Ausbau von bestehenden Angeboten: „Wir haben die politischen Weichen gestellt, Geld ist da für den Ausbau der Gäubahn und der B33. Aber wir sind in der Umsetzung zu langsam." Das Problem sieht er in bürokratischen Hürden. "Wir müssen weg von dieser Überregulierung. Mit Regelwut werden wir die Herausforderungen nicht schaffen. Da brauchen wir Flexibilität."

Den Ausbau des ÖPNV sieht er als Gemeinschaftsaufgabe: "Es braucht eine verlässliche Anbindung von früh bis spät. Das muss besser werden. Die Umsetzung geht nur vor Ort, Land und Bund müssen das aber bestmöglich unterstützen." Die Schiene müsse attraktiver gemacht werden. "Dann nutzen die Menschen das auch", ist Andreas Jung überzeugt. "Man wird die Leute nicht mit moralischen Appellen, sondern mit guten Angeboten überzeugen."

Angebote wie das Deutschlandticket mit seinem einheitlichen Preis seien ein guter Ansatz. Doch es dürfe nicht passieren, dass die Angebote in der Fläche fehlen. "Es muss gute, günstige und leicht buchbare Angebote geben und die Bahn muss mehr als bisher den Anspruch haben, die Fläche zu bedienen", fasst der Bundespolitiker zusammen. "Aber auch künftig werden Autos eine wichtige Rolle spielen." Die Politik müsse die Voraussetzungen schaffen, dass sie Schritt für Schritt umweltfreundlich werden - ohne eine Technologie dabei vorzugeben.

Aber auch Energiesicherheit spielt als Standortfaktor eine Rolle. Nicht als einziger sieht Andreas Jung großen Nachholbedarf beim Konzept der Bundesregierung für das zukünftige Wasserstoffnetz. Hier gibt es bei der derzeitigen Planung einen weißen Fleck im Südwesten Deutschlands. "Wir müssen an der Lebensader dran sein. Es ist auf regionaler Ebene ganz wichtig, dass wir bei der Infrastruktur der Zukunft mit dabei sind. Dafür werden jetzt die Weichen gestellt."

Zusammenspiel statt Entweder-oder-Denken

Dies ist für den Politiker auch eine Antwort auf eine der größten Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft: dem Klimawandel. "Wir müssen die Fragen so beantworten, dass wir die Dinge zusammenbringen. Wir dürfen nicht hier Industrie und Mittelstand betrachten, da Klimaschutz. Das gehört unbedingt zusammen." Auf internationaler Ebene wurde für 2030 ein Nachhaltigkeitsziel gesetzt. "Wenn man das herunterbricht, heißt es: Wir müssen Wirtschaft, Umwelt und Soziales zusammenbringen. Wir müssen in Zukunft auch weiter Industrie haben, die dann aber klimafreundlich ist. Dafür müssen Voraussetzungen geschaffen werden."

Denn ein Einbruch der Wirtschaft hätte weitreichende Folgen: Die Region sei stark mit Industrie, Mittelstand, Handwerk und Landwirtschaft. "Das ist Voraussetzung dafür, dass wir den Sozialstaat aufrechterhalten können." Denn den muss man sich erst einmal leisten können, die Mittel dazu müssen erwirtschaftet werden. "Wir müssen das Bewusstsein für Leistung stärken", stellt Andreas Jung deshalb fest. "Leistung, ist etwas Positives, was man auch für die Gesellschaft erbringt, danach sollten auch die Systeme ausgerichtet werden." So müsse das Bürgergeld so reformiert werden, dass es echte Anreize bringt, zu arbeiten. "Es muss sich im Geldbeutel spürbar auszahlen. Es muss deutlich sein, dass sich Arbeit finanziell deutlich lohnt."

Andreas Jung nach dem Gespräch mit dem WOCHENBLATT darüber, wie es gutes Leben auch in Zukunft möglich ist. | Foto: Tobias Lange
Der Ausbau der B33 und auch der Gäubahn muss schneller gehen, sagt Andreas Jung. An der Bundesstraße wird bereits seit Jahren gearbeitet. | Foto: Archiv/Edwin Häufle
Autor:

Tobias Lange aus Singen

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