Berliner Senat will Geld für toten Günter Heiß
Ewigkeit durchs Internet

Am Ende ging er leise aus der Welt: Günter Heiß. Aber doch nicht ganz, denn jetzt verlangt der Berliner Senat von seinem Bruder an die 900 Euro Beerdigungskosten! Sein Bruder Erwin fiel aus allen Wolken und suchte Hilfe im Internet, wo man wahrlich die Daten für die Ewigkeit finden kann. Da fand er unter Wochenblatt online unsere Kolumne „Weltbewegendes“ einen Nachruf auf Günter Heiß, den Singener Galeristen und späteren Gesundheitsapostel, der nach einer Odyssee durch den Nahen Osten in Berlin in der Psychiatrie gelandet war, wo er rund vor einem Jahr gestorben war. So spektakulär wie er in seinem Leben skandal-und medienorientiert aufgetreten war, so unwissend hinterließ er seine einstigen Medienpartner - willentlich oder unbewusst!

Unwissend ist auch sein Bruder, der mit 21 Jahren Singen und die Familie von einst verlassen hatte. Es war ein Abschied eher im Groll. Jetzt soll er für seinen Bruder zur Kasse gebeten werden, was ihn schockiert, denn zum angegebenen angeblichen Sterbetermin im April dieses Jahre war Günter Heiß schon totgemeldet. Was steckt also dahinter? Will der neue Berliner Senat nun Geld eintreiben, was sein Vorgänger nicht geschafft hat? Da fallen einem viele Aspekte ein: Bekommt der Länderfinanzausgleich nun die nächste Pointe frei Haus geliefert? Sollen dann die reichen Südländer dann auch zur Kasse gebeten werden, wenn es zum Ende des Lebens geht? Andererseits stellt sich die Frage, warum das Auswärtige Amt aus dem Ausland zurückgeführte Bundesbürger nicht in ihre Heimat weiterschickt? Im Kreis Konstanz gibt es schließlich auch das Psychiatrische Landeskrankenhaus Reichenau! Kann also ein Mensch in unserer Welt praktisch spurlos verschwinden? Man möchte es fast glauben, denn Günter Heiß ist es (fast) gelungen! Oder: Es wäre mit ihm (fast) gelungen! Hätte das Auswärtige Amt damals vor über fünf Jahren nicht den inzwischen verstorbenen Singener Rechtsanwalt Klaus-Peter Schrade wegen Heiß um Amtshilfe nachgefragt, wäre auch eine weitere Recherche hoffnungslos geblieben. Der hatte abgelehnt: wenn der in Damaskus aufgegriffene Günter Heiß verwirrt sei, dann werde er nur noch verwirrter, wenn er erfahre, dass er sein Rechtsvertreter werde!

Im Gespräch mit dem „Wochenblatt“ erläuterte Schrade damals mögliche Hintergründe des Aufgriffs von Günter Heiß. Hatte Heiß etwa im Nahen Osten Verstärkung für seinen Kampf gegen die Verantwortlichen des Hegau-Klinikums in Singen gesucht? Suchte er Partner für einen terroristischen Anschlag? Mit seiner Demonstration und Mahnwache unterhalb des Singener Krankenhauses hatte sich Heiß endgültig ins mediale Abseits katapultiert. Er verstand das alles immer anders: Er machte immer alles richtig, die Bösen sind immer die anderen. Dass er gleichzeitig die Dr. Ingeborg-Gebert-Heiß-Stiftung an die Wand fuhr, hatte er ebenfalls den anderen zugeschoben. Dabei kann man nicht Spenden für einen guten Zweck einsammeln wollen, ohne seine eigenen Uraltschulden zu begleichen. Zwei Rechtsanwälte hatten nach dem Krebstod seiner Ehefrau Dr. Gebert-Heiß Wege in einen gesicherten Ruhestand aufgezeigt. Die gegründete Stiftung sollte sein Anliegen auf Dauer absichern. Die personelle Konstruktion platzte, Heiß machte sich selbst zum Geschäftsführer. Seine Infoplattform wurde das Internet. Neues Schwerpunktthema: Rechtsbeistandschaft bei Medizinfehlern! Alle anderen machen alles falsch: Seid umschlungen Millionen – lasst Euch helfen von Eurem Retter Heiß!

Günter Heiß war plötzlich allein, mutterseelenallein! Niemand stand hinter ihm. Verdächtige Hintermänner gab es nie, auch wenn Kulturpapst Dr. Herbert Berner dies immer wieder mutmaßte. Jetzt wurde klar, dass Heiß Themen eben nicht selbst generieren konnte, sondern sich bei seinen Aktionen immer an Promotoren dranhängen musste! Immer wenn Maßhalten angeraten war, sorgte Ehefrau Dr. Ingeborg Gebert-Heiß für das nötige Gleichgewicht. Das fehlte seit ihrem Tod!

Günter-Heiß vereinsamte zusehend. Selbst bei den Zielen seiner Stiftung blieb er immer mehr allein. Selbst die dankbaren Patienten seiner Ehefrau wurden immer stiller, wendeten sich enttäuscht ab. Fazit: Seine Reise nach Damaskus ist auch nur so zu verstehen. Ende einer Dienstfahrt. Das Geerbte zerrann. Der Sinn der Eheschließung schwand dahin. Abgeschaltet ist auch die Internet-Präsenz der Gebert-Heiß-Stiftung. Dennoch gibt es durch das Internet ein Stück Ewigkeit über den Tod hinaus. Die Erkenntnis bleibt, dass man in seinem Leben viel falsch gestalten und deshalb auch selbst zerstören kann. Günter Heiß wollte in seiner Trauer die Welt noch einmal aus den Angeln heben. Am Ende blieb er selbst auf der Strecke.

Von Hans Paul Lichtwald

- Redaktion

Autor:

Redaktion aus Singen

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