Kämmerer mancher Kommunen in Not
Franken-Hüter lösen Tsunami aus

Was wissen wir schon, wie die Börse tickt? Und jetzt das mit dem Franken! Wer versteht schon, wer wirklich die Gewinner oder Verlierer sind? Höchstens die Büsinger! Die hatten emotional immer schon zwei Staatsangehörigkeiten! Ich neige plötzlich zur Satire, wenn die Schweizer Grashüter der Vreneli für Kapriolen am Anlegermarkt sorgen. Man stelle sich vor: Jeden Abend erfahren wir zur besten Nachrichtenzeit im Öffentlich-Rechtlichen Fernsehen, dass nur die Broker wissen, wo es wirklich auf der Welt lang geht. Und jetzt haben die plötzlich Schweißperlen auf der Stirn und Schwitzehändchen! Und das ganze Vertrauen in deren Allwissenheit ist weg! Aber schon wieder gibt es Neunmalkluge, die sogar wissen, was das alles für uns an der Grenze bedeutet. Das ist das Witzige daran: Hier wird die ganze Welt bewegt, gleichsam in ihren Fugen erschüttert; gleichzeitig zittert der Boden an der Grenze unter unseren Füßen. Aus den gleichen Gründen? Oder haben sich die Besserwisser um die deutsch-schweizer Befindlichkeiten ganz anders verspekuliert?

Manchmal ist es gut, wenn man von der großen Drehscheibe der Wirtschaft eher wenig versteht. Die Hegauer Perspektive mag schon immer anders gewesen sein, denn die Schweizer Großbetriebe gaben hier den Takt vor. Im 19. Jahrhundert hat Bismarcks Zollpolitik das Schweizer Kapital über die Grenze wandern lassen. Die unternehmerische Qualität eines Julius Maggi kam hinzu. Ja, die Alu ist heute nicht mehr die Alu – und nicht mehr ein Schweizer Qualitätsprodukt. Als klar war, dass die Schweiz nicht in die EU gehen wird, haben sich manche Vorzeichen geändert. Die einen brauchten wieder eine Schweizer Adresse, weil gerade die Amerikaner Auslandsgeschäfte lieber nicht mit der EU machen wollte, zumindest auf dem Adressen-Etikett. Schweizer Kapital stärkte auch manchen mittelständischen Betrieb auf deutscher Seite. Bei manchem Empfang hörte man auch Schweizer Mundart.

Doch das Schweizer Bankgeheimnis und die Schwarzgeldbühne der Prominenten verdeckte manchem Blick auf die Feinheiten der wirtschaftlichen Abläufe diesseits und jenseits der Grenze. Die Schweizer Notenbank hatte den Frankenkurs schon lange ( zu lange? ) gestützt. Damit habe hat man die eigenen Exporte gestützt, heißt es. Wirklich? Hoch lebe der Hartkäse! Sicher ist, dass die Schweiz rohstoffarm ist; aber stark im Handel und auf dem Kapitalmarkt. Jetzt wird der letzte Donnerstag als Tsunami“ bezeichnet; der Tag, an dem die Deutsche Bank allein 130 Millionen Euro verloren hat. Und selbst die ZEIT orakelte, viele Schweizer wollten jetzt einfach ihre Franken loswerden. Irgendwann hätten die Banken an ihrem Ascherdonnerstag keine Überweisungen mehr tätigen wollen. Und am Schalter seien manchmal gar die Euro-Scheine ausgegangen!

In deutschen Wirtschaftsredaktionen wurden die Hauptopfer bald ausgemacht, die Kämmer der Kommunen! Von einem GAU wurde in Nordrhein-Westfahlen geklagt, denn 29 Städte und Kreise sind dort durch 1,9 Milliarden Franken kreditiert! Aber warum in die Weite schleifen? Wir an der Grenze wissen doch immer alles besser. Natürlich hat die Stadt Konstanz der Nachbarwährung vertraut! Und in Singen natürlich die GVV! Nicht nur durch die Finanzierung mit Swaps hat man mit Devisen spekuliert – sondern eben schon länger mit Franken. Letzteres haben Häuslebauer hier auch gemacht, angestoßen und betreut von ihrer Hausbank!

Jetzt sind wir von der großen Welt wieder daheim gelandet. Das was schmerzhaft. Aber warum hat die Schweizer Notenbank jetzt den Tsunami ausgelöst? Waren es die Ankündigungen der EZB, heikle Anleihen krisengeschüttelter Euro-Länder anzukaufen? Oder sollen wir es nur glauben? Cui bono? Wem nützt die ganze Aktion? Sicher ist, dass der Euro weiche Knie bekommen hat, denn zu viele internationale Konflikte werden jetzt auf den Schultern der immer noch jungen Währung ausgetragen. Und genau da beginnen die Augenblicke des Nachdenkens: Diese Woche findet der Weltwirtschaftsgipfel in Davos statt. Die Großen dieser Welt haben sich angemeldet, heiße Themen sind vorgegeben: Wie geht die Welt mit den aggressiven Tendenzen unter dem Dach des Islam um? Was sagt die Weltwirtschaft zu den Erkenntnissen des gerade abgelaufenen Klima-Gipfels? Wie ist es mit China und den aufstrebenden Technologie-Mächten weiter? Und da die kleine gastgebende Schweiz mit der künstlichen Stärkung ihrer Währung?! Die EU will keine öffentlichen Subventionierungen ihrer Kommunen mehr hinnehmen. Merkwürdig: Die Themenpalette erleben wir hautnah bei uns vor der Haustür. Noch eines: Unendlich viele Waffen sind in allen Krisengebieten unserer Welt unterwegs. Wer hat sie finanziert? Und warum ist der Schweizer Franken wirklich so stark? Das dürfen wir keinen Augenblick vergessen: Für den Franken gibt es ein Weiterleben nach dem schwarzen Donnerstag, der bald auch sein Rosarot haben könnte. Vielleicht werden wir dann plötzlich mehr verstehen, vielleicht schon nach dem Weltwirtschaftsgipfel. Für uns wird die Schweiz noch teurer: das dürfte auch das Ende des Benzin-Tourismus sein. Urlaub in der Schweiz wird noch mehr zum Luxusgut. Aber auch die Russen werden in St. Moritz seltener. Gleichzeitig werden die Einkaufskörbe der Schweizer noch voller: Was wird aus den grünen Steuerzettelchen an der Grenze? Da kommt dann wohl auch die Stunde der Karikaturisten, fernab von Charlie Hebdo.

Von Hans Paul Lichtwald

- Redaktion

Autor:

Redaktion aus Singen

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