Mehr weiß auf jeden Fall die Demoskopie Allensbach
Kennt Tim Melzer den Bodensee nicht?

Mit dem Frühling kommt Lust auf Natur, aber auch der Anreiz, mit allen rings herum Geld verdienen zu wollen. Weiß Tim Mälzer wirklich nicht, wo der Bodensee ist? Es geht um den Bodensee-Tourismus und gedrucktes Nichtwissen auf Hochglanz. Dabei hat Mälzer seine Kochmission erst kürzlich selbst in der Eigeltinger Schule zelebriert. Da fängt das Problem hausgemacht an, denn der schreibende Smarty, der allgegenwärtige Marketing-Erfinder, ist in Konstanz und dem klösterlichen Oberschwaben daheim. Und von dem kann man nicht verlangen, dass er Eigeltingen kennt oder gar wahrnehmen könnte! Dafür aber kann man bei ihm im digitalen Fratzenbuch ein goldenes Kochbuch mit Singnatur des Selbstinszenierers am Kochherd gewinnen.

Wie schrieb einst Walter Fröhlich seinem närrischen „dbK“ ins Stammbuch: „ Wissen ist Macht, nichts wissen macht auch nichts!“ So ist das eben mit dem Bodensee. Mit dem Mythos Bodensee lässt sich Geschäft machen, Emotion aufbauen. Es klingt eben toll, wenn man den örtlichen Tourismus-Büros Kirchturmdenken vorwirft. Und natürlich ist es wenig erfolgversprechend, wenn jeder seinen Prospekt von irgendeinem Spezialfreund gestalten und drucken lässt. Was wissen die angeblichen „Spezialisten“, oft Werbeagenturen aus dem Schwäbischen, wirklich vom Bodensee als Destination? Hauptsache, eine Dorfschönheit ist zum Titelbild auserkoren worden. Hauptsache, der richtige Sponsor hat seine Streicheleinheit bekommen. Und der Bürgermeister strahlt bei seinem gnädigen Vorwort zum örtlichen Tourismuserfolg!

Beim Bodensee-Tourismus ist vieles im Provinziellen hängen geblieben. Um bei Tim Mälzer zu bleiben: Hier haben zu viele Köche vor Ort den Brei verdorben. Das waren aber nicht unbedingt die IBT-Geschäftsführer seit 1997, auch wenn Matthias Brömmelhaus 2003 leere Kassen zum Abschied hinterlassen hatte. Brömmelhaus wollte zu neuen Ufern aufbrechen. Kongenial war die Zusammenarbeit mit der Demoskopie Allensbach, die genau da wissenschaftlich ansetzte, wo Tim Mälzer seine angeblichen Wissenslücken haben soll: Was weiß man in Deutschland über den Bodensee und seine publikumswirksame Attraktionen? Die Veröffentlichung erfolgte im Radolfzeller Milchwerk im Rahmen einer Podiumsdiskussion, die ich damals leiten durfte. Die Resonanz hätte größer sein können, zumal von den heutigen Lautsprechern der „Groß-Stadt Bodensee“ niemand damals dabei war.

Ob die richtigen Leute zugehört haben, darf offen bleiben. Aus der Analyse von Dr. Rüdiger Schulz, der die Ergebnisse der Demoskopie Allensbach kenntnisreich vortrug, ist auf jeden Fall nicht genug gemacht worden. Dr. Schulz sagte jeglichem Partikularismus am Bodensee den Kampf an! Natürlich kennt man deutschlandweit den Bodensee: da ist Tim Mälzer mit dieser „Akzentuierung“ die berühmte Ausnahme von der Regel. Zudem macht nichts wissen, ja auch nichts! Zurück zu Dr. Schulz: Was kennt man vom Bodensee? Ganz oben stehen die Mainau und Bregenz mit Säntis und den Festspielen. Naja? Konstanz kennt man als Stadt auch noch. Mit Abstand kommt dann Meersburg mit seinem Schloss und ein bisschen Droste. Und dann wird es mit dem Bekanntheitsgrad mit Abstand dünner und dünner. Damit wurde sehr früh schon die ganze Problematik der Bodensee-Erlebniskarte deutlich. Wie will sie der Urlauber optimal nutzen? Mit dem Schiff auf dem See fahren, optimal genutzt zur Mainau oder nach Bregenz. Bei einem Touristikertag auf dem Säntis saß ich Jahre später beim Mittagessen an einem Tisch mit Vater und Sohn der Betreiber der Säntis-Bahn. Da wurde deutlich, wie bewusst längst die bilateralen Marketing-Verhandlungen zwischen Mainau und Säntis vorangetrieben worden waren! Trittbrettfahrer waren Richtung Bodensee-Erlebniskarte nicht gesucht! Und eine Rarität wie der Wasserfall unterhalb von Neuhausen findet sein Publikum auch so.

Die politischen Landschaften rund um den See gehen immer wieder einmal ihre eigenen Wege. Man klopft sich unterm eigenen Kirchturm anerkennend gegenseitig auf die Schultern. Beliebt waren früher die Empfänge im Weißen Saal auf der Mainau, wenn Landesverkehrsminister Rudolf Eberle

Hof hielt. Über den anschließenden Imbiss freuten sich die Verkehrsamtsleiter aus dem ganzen Hegau-Hinterland. Aus den erste Amtsjahren des früheren Hilzinger Bürgermeister Franz Moser weiß ich, dass der erst einmal selbst schauen wollte, warum seine Gemeinde den Verbands-Mitgliedsbeitrag zahlte. Seither wird vieles hinterfragt. Die Kernfrage ist aber stets, wer am Ende bezahlt und wer den Nutzen daraus zieht? Und: Wer gibt auch nur lautstark vor, den Nutzen aus der jeweiligen Verbandszugehörigkeit sein eigen zu nennen? Jahresstatistiken schmücken die Gazetten, die kommunalen Würdenträger loben sich, die richtigen Touristiker ins Amt gehoben zu haben. Die Übernachtungszahlen steigern sich von Jahr zu Jahr – alles Hauptkerle und Mariele!

Es gibt aber auch positive Tendenzen. Das Hegauer Burgenland hat eingeschlagen, zudem kümmert sich ein neuer Verein um die Qualität des Hohentwiels, der größten Festungsruine in Deutschland zumindest. Tourismus Untersee hat sich unter dem großen Dach des Bodensees ein eigenes Profil grenzüberschreitend geschaffen. Die Erlebnisgärten haben nachhaltige Wirkung erzielt. Die Felchenwochen werfen ein entscheidendes Schlaglicht auf die Qualität der Fischerei auf dem See und die sternennahe Gastronomie auf dem Land. Alles zusammen schafft Begegnung rund um den See. Häufig schlichtweg eine Wohlfühlatmosphäre.

Daniela Pahl-Humbert war eine starke Vertreterin der Marke Bodensee. Sie hat vieles zusammengehalten, was auseinander zu driften drohte. Was fehlt, zeigt ein Blick auf die führenden Tourismus-Kataloge: Da fehlen die großen Werbeträger unter den Hotels und Ferienparks, die Gäste ihrerseits in andere Ferienregionen locken. Wo sind die ehrgeizigen Konstanzer Hotelpläne geblieben? Der planerisch auf 2000 Gäste ausgelegte Weiherhof bei Böhringen mündete in einen spektakulären Bankrott, nachdem ein Anwalt gleich zwei Mandaten ausgenommen hatte wie Weihnachtsgänse. Endstation: olympiaverdächtige Military-Reiterei! Und von dem allen soll Tim Mälzer nichts mitbekommen haben? Oder trauert er immer noch der ihm entgangenen Elchstube im Center Parc Böhringen nach? Das wäre dann wohl die absolut alternative Gastronomie für Ferienparadiesler geworden!

Von Hans Paul Lichtwald

- Redaktion

Autor:

Redaktion aus Singen

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