Dabei hat Franz Moser Regionalgeschichte geschrieben
Seine Memoiren muss niemand fürchten

Das sind bisweilen Floskeln, die tieferen Sinn haben. So ist es, wenn Franz Moser, der neue Träger des Ehrenrings des Landkreises Konstanz, locker und wie nebenher nach der Auszeichnung sagt, seine Memoiren müsse niemand fürchten. Das sagt ein jahrzehnte lang wirkender Vermittler zwischen den verschiedensten Fronten, mächtiger Vorsitzender der CDU-Kreistagsfraktion und Stellvertreter des Landrats im Parlament. Er war Zweitkandidat des mächtigen früheren Landrats Dr. Robert Maus, doch der Schritt in den Landtag wurde ihm verwehrt. Er wird also schweigen. Mehr als nur ein Versprechen, aber Diplomaten und Zeugen aus den Zentren der politischen Macht lassen sich nicht gerne in die Karten schauen. Das betrifft die eigenen Karten ebenso wie die Strukturen des Systems. Über Franz Moser wurde seit seinem Abschied als Schultes viel gesagt und geschrieben. Waren es immer die wirklichen Themen, an deren Rad Moser gedreht hatte? Liest man als langjähriger Wegbegleiter in durchaus freundschaftlicher Nähe die Lobeshymnen nach, reizt es enorm, in der Vita dieses Mannes zu blättern. Franz Moser hat eine Menge bewegt, konnte Mehrheiten schmieden und Konflikte bereinigen. Und dabei blieb er immer der sensible Mensch, der weiß, dass Wissen Macht ist, aber dies nie gnadenlos ausgenutzt hat. Deshalb muss auch niemand vor seinen etwaigen Memoiren Angst haben.

Sein Meisterstück war die Wahl von Frank Hämmerle zum Landrat und damit zum Nachfolger von Dr. Robert Maus. Die drei Presseplätze im Kreistag reichten längst nicht mehr aus. Das Dutzend der Medienvertreter war längst voll. Sie kamen erwartungsvoll durch den Seiteneingang hinein, doch dann blickten sie irritiert in den Saal: Nach dem ersten Wahlgang führte Hämmerle, dabei wollte sie doch den Sieg von Wilhelm Hansen feiern! Für sie war klar, dass sich der Konstanzer CDU-Kreisvorsitzende mit Hilfe von Rot-Grün zum Landrat wählen lassen würde. Aber dafür, dass Hämmerle im zweiten Wahlgang auch die 40. Stimme zur Mehrheit erhielt, war Franz Moser verantwortlich! Er hatte den ersten Teil der CDU-Zerreißprobe über Wochen hinweg mit Erfolg durchgestanden. Er hatte bis zum Schluss die Übersicht bewahrt und seine „Schäfchen“ nie aus dem Blickfeld verloren.

Die CDU-Kreistagsfraktion mit ihren hochsensiblen Granden war im Vorfeld nur schwer auszurechnen. Was würde der Singener OB Andreas Renner machen, der einst sein kommunalpolitisches Voluntariat bei Hansen absolviert hatte? Ich fragte ihn einfach. Renner antwortete in seiner typischen Pokerart: „Das wissen Sie ja!“ Ich antwortete: „Genau, das weiß ich nicht!“ So ging das hin und her, bis Renner von einem Anruf von Hansen berichtete: Der hatte gesagt, von Renners Krankenhaus wolle er nichts. Da brauche er keine Sorge haben. Aber Renner wusste sicher auch, dass ein Landrat Hansen als Vizepräsident der Deutschen Krankenhaus-Gesellschaft im Gespräch war. Und die Helios-Spekulationen hatten lange genug genervt. Die andere Frage war, was die Grünen mit dem SPD-Kandidaten Walafried Schrott machen würden. Da bekam ich die weit interpretierbare Aussage: Was sollen wir einen Kandidaten wählen, hinter dem seine eigene Partei nicht vorbehaltlos steht?

Das Wochenende vor der Wahl war nichts für schwache Nerven, nachdem klar war, wo sich Hansen seine Mehrheit möglicherweise schon gesichert hatte. Die Landratswahl war längst nicht mehr allein die Sache der CDU-Kreistagsfraktion. Das Netzwerk lief auf Hochtouren, voran Hans-Peter Repnik als Berliner Hoffnungsträger. Trotz mehrerer Kandidaten drohte die plötzliche Fokussierung auf Hansen im zweiten Wahlgang! Aber von Franz Moser kam die Entwarnung. Für den ersten Wahlgang reicht es zwar nicht, weil sich alle möglichen Leute da anders festgelegt hätten. Doch dann stehe die 40. Stimme! Und so war es dann auch. Die CDU brauchte hinterher einen neuen Kreisvorsitzenden. Aber Franz Moser war endgültig der Fels in der Kreispolitik.

Er hatte immer noch genügend Konflikte zu lösen. Plötzlich fand der neue Landrat leere Kassen vor. Der Skandal um das Müllkompostwerk bot die Chance zu neuen Allianzen im Kreistag. Dabei hatte Moser hier schwierige Karten in der Hand: Er war zwar tief in die Materie eingearbeitet, hätte aber auch gerne die Wertstoffverwertung bei sich auf der Gemarkung in Storzeln gehabt. Der Kreis stieg aus der anvisierten Kreislaufwirtschaft aus, der Landgerichtsprozess gegen den Müll-Geschäftsführer verlief letztlich doch im Sand. Der Auftritt des früheren Landrats Dr. Robert Maus konnte daran nichts ändern.

Wer würde Nachfolger von Dr. Maus im Landtag werden? Franz Moser konnte sich als mehrfacher Zweitkandidat Hoffnungen darauf machen. Dr. Maus ließ ihn aber nicht nachrücken. Und dann stand Veronika Netzhammer im Ring. Sie war alleinige Bewerberin bei der Nominierungsversammlung in Hilzingen. Sein Interesse hatte der Volkertshausener Bürgermeister Alfred Mutter im Vorfeld bekundet, dann aber dem Druck mancher Parteifreunde nicht standgehalten. Und auch Franz Moser hatte seine Ambitionen zurückgenommen. Und jetzt stand er in seiner Halle vor rund 800 Parteimitgliedern mit seiner Grußadresse des gastgebenden Bürgermeisters. Da wurde es spannend: Er pries seine schöne Hegaugemeinde, fing an zu zögern und erklärte plötzlich: „Ich kandidiere auch!“ Eine Stimme gab am Schluss den Ausschlag für Frau Netzhammer. Hätte er sich doch früher erklären müssen? Waren Netzhammer-Gegner deshalb weggeblieben? Nach 15 Jahren siegte Wolfgang Reuther bei der CDU-Nominierung in der Kampfabstimmung. Beide gehören dem neuen Kreistag an. Ein neuer Fraktionsvorsitzender muss jetzt auf dem großen Feld zwischen den CDU-Granden schlichten. Bei Franz Moser kann er sich sicherlich noch manchen Tipp geben lassen – alles ohne Memoiren.

Von Hans Paul Lichtwald

- Redaktion

Autor:

Redaktion aus Singen

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