Umbruch im Aufbruch führt zu Beliebigkeit
Was wird aus dem Trauermonat November?

Wer kennt noch den Buß-und Bettag? Im Kalender steht er noch am 18. November. Als gesetzlicher Feiertag wurde er auf dem Altar der Rentensicherung geopfert. Und die Kirchen? Wie achtungsvoll gehen sie selbst mit ihren Gedenktagen um? Der November gilt von Alters her als Trauer-und Gedenkmonat. Der christliche Kanon beginnt am 1. November mit Allerheiligen. Wenn der auf einen Sonntag fällt, ist das Geschrei groß: Ein arbeitsfreier Tag weniger im Jahreslauf! Und einen „Brückentag“ gibt es dafür auch nicht! So werden die Jahre heute eingestuft! Der 3. Oktober war dieses Jahr auch noch ein Samstag. Aber wer schafft heute noch am Samstag! Mekkern und Mäkeln werden heute ganz groß geschrieben! Aber wohin führen da „Umbruch im Aufbruch“? Auch nicht weiter! Zu sehen ist ein Weg in die Beliebigkeit allenthalben. Was nicht passt, fällt halt weg. Irgendwann ist es vergessen! Dann sollte es so sein!

Was man nicht jedes Jahr macht und als Tradition pflegt, fällt irgendwann weg. Das ist bei weltlichen Festen so: In den ersten Jahren nach der Umgemeindung des Hohentwiels gab es das Hohentwielfest jährlich – und das mit einem Festumzug durch die ganze Stadt. Die Festungsruine war jährlich illuminiert. Die Stadt Singen entwickelte Bürgerstolz! Für die Leute, die „keinen Bock“ darauf hatten, gab es immer wieder einen Abschiedsgrund: In Zweifelsfall „alles je nach Haushaltslage!“ Geschichte war lebendig geworden, Vereine übernahmen Themen und Motivwagen! Rückfrage: „Wann kommt das nächste Stadtjubiläum für einen Festumzug?“ Und: Darf man dann den verstorbenen Umzugs-Jubilaren gedenken? Salopp möchte man da den „Pilgrim-Fathers“ gedenken! Aber wer würde da noch Steine auf den Hohentwiel hochschleppen? Den Bässen und Musikverstärkern reicht es heute nur noch bis zur Karlsbastion! Mehr hat Koko nicht mehr für Singen im Etat!

Wer gleicht sich heute wem an? Staat und Gesellschaft? Kirche und weltliche Welt? Und immer wieder kommt der Hinweis: So machen es die anderen auch! Ein Vergleichspunkt findet sich immer, wenn Ausflüchte gesucht werden: Jetzt ist eben „Umbruch im Aufbruch!“ Was will wer überhaupt noch? Wozu brauchen wir einen Nationalfeiertag, wenn an Allerseelen Asylanten verprügelt werden, weil Pegida ruft? In den letzten Tagen sind bei mir Erinnerungen an alte Prinzipien sowie Rituale wach geworden. Am Samstagabend gab es eine Art Allerheiligen-Kabarett im WDR: Kölsche Karneval contra westfälische Hochstimmung. Oder wie hieß es früher? Wo Lübke hinkommt, ist Sauerland!

In zwei Jahren feiern wir das Lutherjahr! Selbst die Konstanzer reden schon davon. Jetzt ist der 31. Oktober dieses Jahr auch noch auf einen Samstag gefallen, in manchem Kalender rot angezeichnet. In meinem Umfeld gab es einen Abendgottesdienst. In meiner Schulzeit hatten wir Schüler einen Morgengottesdienst. Später hieß es: Gefeiert wird die Reformation am darauffolgenden Sonntag! Das war dieses Jahr Allerheiligen: Da lässt man ökumenisch motiviert das Fest der alten christlichen Kirche, die dann zumindest in meinem Umfeld dann ihrerseits pausiert, denn Montag ist doch der freie Tag der Pfarrer! Jede Woche wieder!

Totensonntag und Volkstrauertag haben einen Vorteil: Sie sind schon am Sonntag! Dann ist wieder Trauern angesagt! Die Bürgermeister müssen sich dieses Jahr neue Reden einfallen lassen, denn neue Bürgerkriegsopfer fordern Gedenken. Verlangt es die „Zivilgesellschaft“, die seit Jahren unsere „abendländische“ Bürgergesellschaft ständig neu definiert? Anders gefragt: Was lässt uns heute wirklich „trauern“? Welche Werte haben noch Bestand? Wer trauert noch, wenn in die Gedenktage hineingetanzt werden darf! Warum sagen die Kirchen hier nicht „Halt“! Da steht der Umsatz in der „Trauer“-Nacht in der Disko diametral dem Erlös an roten Friedhofskerzen gegenüber! Darf aber die Rechnung so einfach sein? Oder wäre eine Reformation da nicht erneut angebracht!

Eine sauertöpfische Christenschar weist nicht den Weg in die Zukunft! Gebraucht wird eine fröhliche Christenschar, die im mohammedanischen Flüchtling den Mitbruder entdeckt und einfach so sieht. Wir brauchen keinen neuen 30jährigen Krieg. Denn das alles konnten wir schon viel besser! Auch die Türken standen schon vor Wien. Das war das Debut der Kanonen. Und heute: Die potentiellen Alliierten werfen alles über Bord – bis auf die Ungarn und die Bayuwaren? Oder ist es im Trauermonat November 2015 umgekehrt? Wir müssen wahrlich höllisch aufpassen, dass nicht der Teufel mit dem Belzebub ausgetrieben wird. Gute und Böse verkleiden sich immer wieder. Medien werden als „Lügenpresse“ verdammt. Manche ergeben sich gleichsam mutlos ihrem Schicksal. Allerseelen ist leicht gefeiert, wenn man einfach nur die Namen der Verstorbenen des letzten Jahres im Amtsblatt setzt! Dann lesen es doch alle! Luther nagelte doch seine Thesen auch nur an die Türe der Schlosskirche in Wittenberg!

Von Hans Paul Lichtwald

- Redaktion

Autor:

Redaktion aus Singen

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