Volkshochschule sucht neues Betätigungsfeld
Wer macht fit fürs Ehrenamt?

Warum sollte die Volkshochschule künftig fit fürs Ehrenamt machen? Muss sie nicht eher selbst fit gemacht werden? Als Schlagzeile musste die Frage eigentlich aufschrecken, zumal die Erwachsenenbildner vor 40 Jahren schon einmal in ihrer Not in andersleut‘ Gärten zu wildern versuchten. Ab Herbst soll das Weiterbildungsangebot der Öffentlichen Hand im Kreis Konstanz vom Spektrum der Vereinsaktivitäten von der Jugendarbeit bis zur Einwerbung von Sponsorengeldern reichen. Im Zeitalter des Gutmenschentums setzt die Volkshochschule eins drauf: Ohne ihre Hilfe seien Vereine in ihrer Existenz bedroht. Funktionäre scheuten sich vor der Übernahme von Verantwortung, weil sie nicht wüssten, ob sie den Aufgaben gewachsen sind! Das ist demnach die Einschätzung der Programmmacher! Das ist eine grandiose Erkenntnis der aktuellen Volkshochschulgeneration, die ihre Qualität selbst hinterfragen lassen muss. Es geht einmal mehr um das Subsidiaritätsprinzip, wonach sich der Staat aus den Bereichen heraus halten soll, in denen es freie Träger schlicht besser können. Und das reklamiert Baden-Württemberg als Ehrenamtsland ausdrücklich für sich. Und wo kommen die Ehrenamtlichen her? Von Kindesbeinen an aus der Jugendarbeit!

In der Jugendarbeit ist Image zu machen! An ihrem muss die Volkshochschule im Kreis kräftig polieren. Darüber hinaus brauchen die politischen Gutmenschen hier dringend ehrenamtliche Helfer. Die aktuelle Asylbewerberwelle kann ohne lokale Helfergruppen nur schwerlich bewältigt werden. Man merkt die Absicht und ist gleich leicht verstimmt. Wenn der Staat nach bürgerschaftlichem Engagement ruft, will der kostengünstige Helfer finden, nicht aber selbstbestimmende Aktivisten, die auf Augenhöhe über Lösungswege mitentscheiden wollen. Bürgerschaftliches Engagement war in Singen plötzlich im Vorfeld der Landesgartenschau gefragt oder gar verordnet. Plötzlich klopfte eine mir unbekannte Frau an die Redaktionstür und fragte mich, ob ich Werbung für eine solche Initiatorengruppe machen könnte. Das war eine wundersame Begegnung, an solches Ansinnen von einem nicht professionellen Interessenvertreter vorgetragen zu bekommen! Die Frau traf ich später wieder. Sie bekannte, das sei damals ihr Einstieg in das neue Projekt gewesen. Der Start war es auch für Udo Engelhardt von der AWO und der lokalen „Tafel“-Bewegung: Erfolgreich ohne die Volkshochschule!

Fit fürs Ehrenamt zu machen, ist ein Aufgabe für die vereinsmäßige Basis selbst. Beim Steuerrecht für Vereine muss sich der Staat da an die eigene Nase fassen, wenn er immer mehr Kompetenz seitens der Vereine einfordert. Die fachspezifische Qualifizierung ist auf jeden Fall Sache der Vereine und Verbände selbst. Die Musikverbände bilden ihren Dirigentennachwuchs selbst aus, Gleiches gilt für Sportfunktionäre. Und alle brauchen Jugendleiter! Nachdem der Kreisjugendring Konstanz im Dezember 1972 gegründet war, schuf er umgehend ein System überverbandlicher Jugendleiterausbildung, das allerdings im Land auf den Widerstand gerade der großen Verbände stieß. Je nach Herkunft der Verantwortlichen im Kreisjugendring spiegelte sich dies auch hier. Gerade jetzt, wo sich die Weiterbildungsverantwortung im Kreis systematisch regt, setzt die Volkshochschule erneut an.

Vor 40 Jahren war die erste Regionale Volkshochschule Konstanz-Singen in Nöten. Geschäftsführer Achim Holst war in Nöten, Aufsichtsratsvorsitzender Friedhelm Möhrle wollte helfen. Über eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM) sollte der Einstieg in die Jugendbildung erreicht werden. Der Kreisjugendring wehrt sich nach der Ankündigung bereits vehement: Die Jugendbildung – selbst politischer Prägung – sei seine Aufgabe. Die 15 Prozent Eigenkapital sollte gemäß Jugendwohlfahrtsgesetz über der Haushalt der Stadt Singen erfolgen. Darüber entscheiden musste der Singener Jugendwohlfahrtsausschuß! Das war dann auch die einzige JWA-Sitzung, die Oberbürgermeister Friedhelm Möhrle in 24 Jahren selbst leitete. Sonst tat dies der amtierende Bürgermeister, der im Gegensatz zum OB eben kein Stimmrecht hatte.

Dass die Entscheidung knapp werden würde, war schon vorher absehbar. OB Möhrle war ein durchaus fairer Versammlungsleiter, taxierte offenbar ebenso wie ich die mögliche Abstimmungslage. Die lief bei sieben zu sieben auf ein Patt hinaus. Wer also einen Antrag stellen würde, liefe Gefahr, bei gleicher Stimmenzahl zu verlieren. Die Beratungen verliefen spannend. Doch dann zog OB Möhrle den ursprünglichen Verwaltungsvorschlag zurück! Bei der Volkshochschule sprach niemand mehr von einer Stelle für politische Jugendbildung! Auch nicht Dr. Jochen Schmidt-Liebich, der später 25 Jahre die Volkshochschule erfolgreich leiten sollte. Er kannte die politische Grundsituation seiner Erwachsenenbildungseinrichtung im Kreis Konstanz.

Seither hat sich einiges geändert. In Radolfzell und Stockach gibt es keine Stadtjugendringe mehr. In Singen hat der Stadtjugendring dank seines Vorsitzenden Markus Weber überlebt. 42 Jugendverbände mit 7800 Jugendlichen sind heute hier organisiert. Für diese Zahlen war der kürzlich verstorbene frühere Vorsitzende Leo C. Kaul überwiegend verantwortlich. Er hatte den Stadtjugendring für die ganze Breite internationaler Verbände geöffnet. Die Einrichtung des Jugendparlaments konnte dem Stadtjugendring nichts anhaben. Dafür stärkte der Flohmarkt des Stadtjugendrings zum Muttertag die Gesamtorganisation. Markus Weber ist zudem Stadtrat. Das alles hat die Institution überleben lassen.

Von Hans Paul Lichtwald

- Redaktion

Autor:

Redaktion aus Singen

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