Eine Begegnung zum Auschwitz-Zyklus in Berlin
Wie meine Kunst aus Bestien Menschen machen konnte

Gero Hellmut ist weiterhin künstlerisch sehr aktiv und hinter jeder seiner Arbeiten steckt eine Geschichte, die er trotz aller Symbolhaftigkeit damit erzählt. | Foto: Oliver Fiedler
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  • Gero Hellmut ist weiterhin künstlerisch sehr aktiv und hinter jeder seiner Arbeiten steckt eine Geschichte, die er trotz aller Symbolhaftigkeit damit erzählt.
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Gero Hellmuth ist ein Künstler mit vielen Seiten, der auch auf vielfältige Weise seine Spuren in der Stadt hinterlassen hat. Nur eine Seite sind seine knorrigen Figuren, etwa die der Poppele-Fastnacht vom Burggeist über das Eierwieb bis zur „Bolizei“ vor dem Singener Rathaus, der zum Hohentwiel aus dem Stadtgarten herauf blickende Dichter Viktor von Scheffel oder zuletzt die „Marktwieber“ auf dem Herz-Jesu-Platz oder auch die berühmte Fastnachtszene für die einstige Scheffelhalle oder seine Szenen zum 1100 Geburtstag der Burg auf dem Hohentwiel. Die andere Seite sind seine politische Kunst, die durchaus „stören“ will und soll. Etwa das „Kreuz der Arbeitslosen“, welches in den 1990er Jahren immer vor der Fabrik aufgestellt wurde, wo gerade restrukturiert wurde, also viele Menschen entlassen werden sollten – um hier nur ein Beispiel zu nennen, denn sein Werk ist einfach gewaltig vielfältig.

Als der 70. Jahrestag des Kriegsendes immer näherkam, erschuf Gero Helmut einen umfangreichen Zyklus aus Plastiken mit Malerei, in dem grauenhafte Zeiten aufgearbeitet wurden. „Das schreckliche Geschehen des Holocaust darzustellen, ist nicht meine Absicht. Es lässt sich weder in Bildern noch in Worten festhalten. Aber ich will das unmenschliche Geschehen in Erinnerung rufen“, sagt Hellmuth selbst dazu.

Er suchte die Spuren, die er in den Nummern fand, die den Gefangenen der Konzentrationslager tätowiert wurden, und die sie – wenn die den Holocaust überlebten – für ihr Leben zeichneten. Dadurch, dass sie zu diesem „Auschwitz-Zyklus“ als Triptychon mit dem Titel "…dass man mit ihnen redet“, der in Singen, in Berlin und auch in Polen gezeigt wurde, und für das eine eigene Komposition durch den israelischen Komponisten Joseph Dorfmann entstand, hat dann auch für eine Begegnung während der Ausstellung zum Jahrestag des Kriegsendes im Mai 2015 im Deutschen Bundestag gesorgt, für ihn einer der ganz großen Momente geworden ist.

Es wurden dort natürlich Führungen angeboten und auch eine Gruppe von Polen war dort. „Eine junge Polin sprach mich an, deren Großvater in Auschwitz inhaftiert war, jedoch das Vernichtungslager überlebte. Was ihr Großvater ihr über diese Zeit erzählte, hat in ihr das Bild erzeugt, dass alle Deutschen Bestien sind“, erzählt Gero Hellmuth. So sagte sie ihm das auch. Als ihr Gero Helmut das Triptychon erklärte, das eine symbolische Botschaft enthält und mit einer weißen Fläche die Hoffnung aus dunklen Spuren aufzeigen will, die durch die „19“ dargestellt sind, ein Fragment der Tätowierungen. Ich erzählte ihr, dass dieses Triptychon an diese Zeiten immer wieder von neuem erinnern soll, und auch, dass dort, wo ich aufgewachsen war in Vorpommern, damals viele Menschen den Juden doch geholfen hatten und sie versteckten, obwohl das höchst gefährlich war. Als ich das erzählte, spürte ich, wie sich ihre Miene erhellte und für erstrahlte da ein helles Licht, denn sie sagte auch, dass ihr nun hier klar geworden sei, dass nicht alle Deutschen Bestien gewesen sein, sondern dass die Menschen wären. Für war das ein sehr starkes Gefühl, wie Kunst hier Menschen die Gedanken öffnen kann, sagt Gero Hellmut bewegt.

Sein Triptychon „Auschwitz Zyklus“ stellte Gero Hellmuth dem „Museum des 2. Weltkrieg“ in Danzig zur Verfügung, wo es in diesem Jahr auch im Rahmen einer Tagung des Internationalen Auschwitz-Rats ausgestellt wurde.

Portrait:

Name: Gero Hellmuth

Geboren: 1940 in Neustrelitz

Ausbildung: Kunststudium in Karlsruhe, Studium der Kunstwissenschaften und Philosophie in Karlsruhe, Freiburg und Stuttgart

Stationen meines Lebens: Kunsterzieher am Hegau-Gymnasium in Singen ab 1971
Großplastik „Ekkehard“ zur 1250-Jahr Feier Singens 1987
„Kreuz der Arbeitslosen“ 1993
Poppele Narrenbrunnen vor dem Rathaus Singen
Skulptur Viktor von Scheffel im Stadtgarten Singen 2014
Auschwitz-Projekt zum 70. Jahrestag des Kriegsendes 2015 in Singen, Berlin und Danzig
“Hiob Zyklus“ und „Kriegskinder“ 2017 / 2018 in Stettin
Schrei der Kriegskinder 2020 in Freiburg
2022 „Marktweiber“ auf dem Herz-Jesu-Platz Singen

Mich verbindet mit der Region: Neben der Kunst die Ausritte mit einem geliehenen Pferd durch diese Landschaft.

Der Ort:

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Die Skulpturen Gero Hellmuths strahlen aber auch ein Augenzwinkern aus. Mit einem solchen nahm er auch die Korrektur seines „Marktwieb“ auf dem Singener Herz-Jesu-Platz hin, das von einem Techniker der Giesserei „von einer Biene gestochen“ werden musste, damit der ausgestreckte Finger symbolische anschwillt und so die Verletzungsgefahr durch ihn verringert wird.

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Sein Triptychon „Auschwitz Zyklus“ damals in 20115 bei der Entstehung in seinem Atelier in Singen. Auch aus der Dunkelheit der Vergangenheit geht es dabei ins Licht. Die in diesem Zyklus immer wieder kehrende „19“ ist ein Fragment aus den Tätowierungen, mit denen die Insassen der Konzentrationslager zu Nummer gemacht worden sind.

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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