Sozialminister Manne Luche im Kreuzverhöhr mit Vertretern aus der Region
"Werden noch lange danach deutliche Einschränkungen haben"

Manne Lucha | Foto: Manne Lucha in der Videokonferenz am Freitag mit rund 40 Teilnehmern aus dem Hegau. swb-Bild: screenshot
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Singen. Das war wahrscheinlich mal als Wahlkampfauftritt gedacht gewesen. Doch viele Vertreter aus der Region nutzten die Videokonferenz mit Sozialminister Manne Lucha auf Einladung der Landtagsabgeordneten Dorothea Wehinger dazu, die vielen für sie offenen Fragen zur Impfstrategie des Landes, zum komplizierten Anmeldeverfahren für die Impftermine wie auch die Maßnahmen zur Eindämmung der zweite Corona-Welle zu stellen. Der Minister war zwar nicht in Singen und blieb unberührbar als Bildschirmbild, aber doch wurde er da ganz schön direkt angegangen.

Lucha selbst sagte, dass sich inzwischen nach den stark steigenden Zahlen doch eine Beruhigung eingestellt habe, was für ihn bedeutet, dass die Maßnahmen zu wirken begännen. Der Inzidenzwert sei zum Donnerstag erstmals wieder bei 96 unter 100 für das Land gelandet, am 23. Dezember habe man noch bei 203 gelegen. Auch bei der Belegung der Intensivbetten sehe er derzeit eine Entspannung - aber man müsse dort auch sehen, dass eben nicht nur die alten, sondern auch junge Menschen und solche mit sportlicher Karriere, sehr schwere Verläufe mit langen Folgen erlebten. "Wir werden noch lange deutliche Einschränkungen über den Zeitpunkt hinaus haben, wenn da wieder alles aufmachen solle sagte Lucha, der später vor Fernsehkameras gar einen Inzidenzwert von 25 Personen in sieben Tagen auf 100.000 Einwohnern als Zielmarkte setze, ab dem erst wieder in normales Leben beginnen könne.

Den derzeit noch sehr begrenzten Umfang des Impfstoffs sah Lucha als eine doch große Einschränkung. Es gebe in Baden-Württemberg, das immerhin die höchste Lebenserwartung in Deutschland hat, immerhin rund eine Million Menschen in der Priorität 1, also über 80 Jahren, aus Risikogruppen oder als Personal in der Alten- und Krankenpflege, von denen man derzeit nur einen Bruchteil bedienen können, zumal Baden-Württemberg wiederum auch den größten Anteil an Menschen habe, die über 80 Jahre alt sind, und die auch daheim leben. "Das ist gerade die Verwaltung eines extremen Mangels", so Lucha. Denn im November seien da noch ganz andere Ansagen von den Herstellern gemacht worden. Es führe aber kein Weg vorbei, dass man eine Durchimpfungsquote von 70 Prozent brauche.

Dr. Bernd Eberwein als Vorsitzender des Kreisseniorenrats mahnte an, dass die Anmeldung für Impftermine viel zu kompliziert sei und viele Senioren das nicht verstehen würden und man ihnen auch nicht zumuten könne, stundenlang in der Warteschleife für eine Telefonische Anmeldung zu warten. Das sei ein "Kommunikations-Desaster", so Eberwein, der meinte, dass es in Bayern viel unkomplizierter laufe, weil man dort auf eine Liste komme und einen Termin zugeteilt bekomme. Lucha entgegnete, dass man dort aber genau die Rolle rückwärts einlegen müsse, und angesichts der niedrigeren Impfstofflieferungen gerade die vergebenen Termine zuhauf wieder stornieren müsse. Eberwein blieb dabei, dass es hier ein Ansprache durch das Land geben sollte.

Der Radolfzeller Gemeinderat Siegfried Lehmann wie der Singener Krankenhausseelsorger Christoph Labuhn beschrieben ein ganz schlechtes Stimmungsbild für die Kliniken, nachdem dort schon auf Anfang des Jahres Reihenimpfungen angekündigt waren, weil ein großer Anteil des Personals ja mit Covid-19 Patienten in Kontakt sei. Von den 1.000 für Impfungen in der ersten Runde vorgesehenen Mitarbeitenden des Gesundheitsverbunds hätten es gerade mal 30 zur Impfung über übrige Dosen in den Impfzentren geschafft. Die Leiterin des Pflegezentrum St. Verena, Gisela Messmer, forderte die Mitarbeitenden der Sozialstationen ebenfalls in die höchste Priorität zu setzen. Diese würden auf ihren Touren bis zu 40 Patienten besuchen und seien dadurch nicht nur einem hohen Risiko ausgesetzt sich anzustecken oder auch das Virus weiter zu verbreiten. Auch der ärztliche Leiter des Hegau-Bodensee-Klinikums, Prof. Frank Hinder, zeigte sich besorgt. Wenn sich die neue Virusvariante ausbreite, gehe es nicht mehr um 15 Minuten, sondern nur noch um 3 bis 5 Minuten in der Nähe eines Infizierten, ums ich anzustecken. Wenn dann ein Klinikpersonal nicht geimpft sei, wäre dort auch zur Versorgung ein extremer Engpass zu erwarten.

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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