50 Jahre Ärztehaus
Eine tragende Säule der ambulanten Patientenversorgung in der Region

Im Café "Heilbar" im Ärztehaus hängt unter anderem ein Bild von Dr. Robert Ehret (Künstler: Otto Dix), dem Gründer des Ärztehauses. Darunter sitzt Dr. Thomas Ehret. | Foto: Kim Kroll
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  • Im Café "Heilbar" im Ärztehaus hängt unter anderem ein Bild von Dr. Robert Ehret (Künstler: Otto Dix), dem Gründer des Ärztehauses. Darunter sitzt Dr. Thomas Ehret.
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Singen. Das Ärztehaus in der Kreuzensteinstraße feiert in diesem Jahr sein 50-jähriges Jubiläum und blickt auf eine bewegte Geschichte zurück. Obwohl äußerlich wenig verändert, hat sich im Inneren viel entwickelt. Dr. Thomas Ehret, der das Haus in zweiter Generation verwaltete und entwickelte, ist der Sohn des Gründers Dr. Robert Ehret und war maßgeblich an diesem Prozess beteiligt. Anlässlich des Jubiläums sprach das WOCHENBLATT mit Dr. Thomas Ehret über die Rolle des Hauses und warum Singen ein attraktiver Standort ist.

Wochenblatt:
Wie kam die Idee auf, das Jubiläum groß zu feiern?

Thomas Ehret:
Das Jubiläum war meine Initiative, um neben den großen Leistungen der dortigen Ärzte für unsere Gesundheitsversorgung, die Lebensleistung meines Vaters zu würdigen. Das Ärztehaus war sein Lebenswerk. Anfangs war das eine enge Gemeinschaft mit elf Einzelpraxen, in der man sich täglich traf und sogar einen Stammtisch hatte. Die Praxen waren ursprünglich klein und zweckmäßig gestaltet. Doch die Anzahl der Patienten stieg stetig an. Einige Kollegen konnten mit den begrenzten Räumlichkeiten nicht mehr umgehen und zogen aus, wenn keine Reserven verfügbar waren.

Wochenblatt:
Was passierte mit den freigewordenen Flächen?

Thomas Ehret:
Im Haus meldeten sich Kollegen, die räumliche Erweiterungen wünschten. Das war jedoch mit aufwendigen baulichen Veränderungen verbunden. Genau zu dieser Zeit übernahm ich 2003 das Haus. Die Abwanderung hatte bereits begonnen, und es stellte sich die Frage, wie es weitergehen sollte. Das klassische Ärztehaus sollte erhalten bleiben, aber ins 21. Jahrhundert überführt werden. Andernfalls drohte es in seiner ursprünglichen Funktion auseinanderzufallen, wenn die Einheiten nicht mehr alle im Dienste der Gesundheitsversorgung stünden. Es wurde deutlich, dass sich der Trend zu fachärztlichen Gruppenpraxen entwickelte. Diese Entwicklung hat hier bis heute erfolgreich funktioniert. Alle Räume sind vermietet, und viele Ärzte im Haus fragen mich, ob es noch freie Flächen gibt. Es funktioniert, ist beliebt, und die derzeitigen Mieter sind überzeugt davon.

Wochenblatt:
Hat sich die Investition in den Umbau gelohnt?

Thomas Ehret:
Wir mussten erhebliche finanzielle Mittel aufbringen, um das Gebäude aus dem Jahr 1973 den aktuellen Anforderungen anzupassen. Es war eine große Herausforderung, aber auch eine Chance. Das Augenzentrum beispielsweise hat eine große überregionale Bedeutung. Das Ärztehaus bietet eine ausgezeichnete Versorgung in der Augenheilkunde mit einem großen Operationssaal. Die Zahnheilkunde zum Beispiel bietet als eher kleine Einheit hochwertige Leistungen auf knapp 300 Quadratmetern an. Außerdem wurde vor zwei Jahren ein Orthopädie-Operationssaal eröffnet.

Wochenblatt:
Der Zusammenhalt hatte bei der Gründung einen hohen Stellenwert. Wie sieht der Zusammenhalt heute aus?

Thomas Ehret:

Damals waren die Zeiten anders. Das Gesundheitssystem war weniger reguliert, und es gab weniger externen Druck. Es fühlte sich an wie eine "produktive Schicksals- und Feiergemeinschaft", die gut funktionierte. Der interne Zusammenhalt ist heute nicht verlorengegangen, aber die Zeit für ausgiebige Treffen fehlt. Nach wie vor gibt es einen sehr guten Zusammenhalt.

Die „produktive Schicksals- und Feiergemeinschaft“ zeigte sich auch zwischen dem Bauherrn Dr. Robert Ehret (links) und dem Architekten Martin O. Graf (rechts). Hier sind die beiden zu sehen in freundschaftlicher Verbundenheit beim Skifahren Anfang der 70er Jahre.  | Foto: privat/Thomas Ehret
  • Die „produktive Schicksals- und Feiergemeinschaft“ zeigte sich auch zwischen dem Bauherrn Dr. Robert Ehret (links) und dem Architekten Martin O. Graf (rechts). Hier sind die beiden zu sehen in freundschaftlicher Verbundenheit beim Skifahren Anfang der 70er Jahre.
  • Foto: privat/Thomas Ehret
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Wochenblatt:
Welche Funktion hatte das Ärztehaus vor 50 Jahren?

Thomas Ehret:

Damals gab es nur "den Arzt". Es wurde nicht zwischen Fachärzten und Allgemeinärzten unterschieden. Bei schwereren Erkrankungen wurde das Krankenhaus aufgesucht. Es gab eine Vielzahl kleinerer Krankenhäuser, wie in Rielasingen-Arlen oder Tengen-Blumenfeld, die die Grundversorgung sicherstellten. In den 1960er Jahren begann die Medizin, sich zu spezialisieren und es entstand eine steigende Nachfrage nach Fachärzten. Deshalb verlagerte sich immer mehr von der stationären in die ambulante Versorgung. Mein Vater erkannte, dass es in Notfällen schwierig wurde, wenn alle Einrichtungen in der Stadt weit voneinander entfernt waren. So entstand die Idee, Fachärzte unter einem Dach zu vereinen, auch um die interne Kommunikation zu verbessern. Wenn ein Arzt in seinem Fachgebiet bei der Behandlung nicht weiterkam, konnte er einen Kollegen aus einem anderen Fachgebiet um Unterstützung bitten. Diese Aufgaben waren in dieser Struktur einfacher und schneller zu bewältigen. Das Ärztehaus sollte den Patienten eine angenehme Atmosphäre bieten und eine optimale ärztliche Versorgung ermöglichen. Hier konnten komplexere Krankheitsbilder innerhalb von Stunden durch Konsultationen zwischen den Ärzten abgeklärt werden. Angehörige konnten Wartezeiten auch im Café "Heilbar" verbringen.

Wochenblatt:
Warum gibt es ein Café direkt im Ärztehaus?

Thomas Ehret:
Jede Praxis hatte eine telefonische Verbindung zum Café, und Angehörige oder Patienten wurden von dort aus telefonisch informiert. Die Idee entstand wahrscheinlich aus der Erfahrung meines Vaters, der bis 1973 in kleineren Praxen arbeitete und überfüllte Wartezimmer kannte, die oft zu Konflikten führten. Das Café war weniger aus wirtschaftlichen Gründen, sondern eher strukturell wichtig, um die oft schwierige Wartesituation zu entschärfen und den wartenden Angehörigen gerecht zu werden. Nicht nur Patienten und Angehörige, auch Ärzte und Personal schätzen das Angebot sehr.

Wochenblatt:
Wie hat sich die Funktion des Ärztehauses heute verändert?

Thomas Ehret:
Der Grundgedanke ist derselbe geblieben. Ärztliche Kommunikation steht nach wie vor an erster Stelle, und die kurzen Wege und die Infrastruktur sind immer noch von großer Bedeutung. Die technische Ausstattung des Hauses ist für alle Kollegen zugänglich und umfasst alles von Computertomographen bis zu Ultraschallgeräten. Durch die Zusammenlegung der Röntgendiagnostik in die Radiologie-Praxis können Synergieeffekte erzielt werden, da auch andere Praxen hochwertige Spezialaufnahmen dort durchführen können. Im Grunde genommen haben wir hier eine klinische Struktur in der ambulanten Umgebung. Die Verlagerung von so vielen Behandlungen wie möglich in den ambulanten Bereich ist bereits im Gange, und dies ist ein herausragendes Beispiel dafür. In zwei top ausgestatteten Operationssälen wird Medizin auf höchstem Niveau angeboten.

Wochenblatt:
Welche Rolle spielen Sie heute in dem Konstrukt heute?

Thomas Ehret:

Ich war viele Jahre der offizielle Verwalter des Hauses. Aus Altersgründen habe ich diese Aufgabe - mit Zustimmung der Eigentümergemeinschaft - Anfang 2023 an einen externen Verwalter übergeben. Die Zusammenarbeit funktioniert sehr gut. Ich sehe mich als Bindeglied zwischen der Eigentümergemeinschaft und der Hausgemeinschaft. Es macht einen Unterschied, ob ein Arzt mit einem Arzt spricht, insbesondere einem, der die Historie kennt. Wir sprechen die gleiche Sprache, und ich denke, das ist ein Erfolgsrezept des Hauses. Wir kennen die Materie und die Herausforderungen, daher harmoniert alles sehr gut.

Wochenblatt:
Welche Rolle spielt ein Ärztehaus heute im Gesundheitssystem?

Thomas Ehret:
Wir sind ein Grundversorger auf höchstem Niveau in der ambulanten Versorgung. Das Konzept der ambulanten Ärztezentren setzt sich immer weiter durch. Im Haus werden derzeit weitere Kooperationsmöglichkeiten im Sinne von Schwerpunktzentren geprüft. Natürlich benötigen wir auch starke stationäre Einrichtungen, da nicht alles ambulant behandelt werden kann. Wir hoffen auf die Errichtung eines Großklinikums in Singen.

Wochenblatt:

Welchen Beitrag leistet das Ärztehaus für die Stadt Singen und die Region?

Thomas Ehret:
Die Stadt bietet vielen, auch Autofahrern, zahlreiche Möglichkeiten und dank des Ärztehauses eine vielfältige medizinische Versorgung. Nach Arztbesuchen gehen weniger schwer Erkrankte gerne in Restaurants und zum Einkaufen. Dank der zentralen Lage unseres Hauses ist dies problemlos möglich. Singen hat seinerseits Vorteile als Standort, darunter ein großes Hinterland und eine hervorragende Verkehrsanbindung.

Wochenblatt:
Warum ist das Auto im Gesundheitswesen so wichtig?

Thomas Ehret:
Öffentliche Verkehrsmittel sind auf dem Land relativ begrenzt. In medizinischen Notfällen verlassen sich die Menschen zuerst auf den Rettungsdienst oder nutzen private Fahrzeuge in weniger dringlichen Fällen. Patienten aus ländlichen Gebieten, die ambulant behandelt werden können, werden in der Regel von ihren Angehörigen mit dem Auto zur Diagnostik und Therapie gebracht. Singen hat Glück, dass es für den Individualverkehr offen ist und ausreichend Parkplätze bietet. Das Parkhaus "Am Gleis" liegt beispielsweise in unmittelbarer Nähe des Ärztehauses.

Wochenblatt:
Wie sollte sich das Ärztehaus in Zukunft weiterentwickeln?

Thomas Ehret:
Die Medizin ist ständig im Wandel und wir dürfen nicht aufhören, uns weiterzuentwickeln. Im Moment funktioniert das Haus hervorragend und wird bis unter das Dach genutzt. Dennoch sollten wir nie aufhören, uns zu verbessern. Wir arbeiten derzeit an Projekten zur Optimierung der medizinischen Qualität im Haus, die noch nicht offiziell sind. Diese Projekte werden gemeinschaftlich finanziert und werden Synergieeffekte schaffen. Die aktuellen Entwicklungen im medizinischen Bereich erfahre ich von meinem jüngsten Sohn und vielen befreundeten Kollegen. Ich selbst bin nicht mehr direkt involviert.

Wochenblatt:

Bedeutet das, die Weiterentwicklung des Ärztehauses liegt in den Händen Ihrer Söhne?

Thomas Ehret:
Als Ansprechpartner ja. Die Anregungen werden wahrscheinlich von den Praktizierenden kommen. Ich bin mit dem Ärztehaus aufgewachsen und meine drei Söhne ebenfalls. Es ist langsam an der Zeit, die Zukunft des Hauses in die Hände meiner Kinder zu legen, die ihre unterschiedlichen Fähigkeiten einbringen können. Mein jüngster Sohn Felix (Privatdozent an der "Charité" in Berlin) ist selbst Arzt, Max, unser mittlerer Sohn, entwickelt mit seinem Unternehmen Softwarelösungen zur Digitalisierung im Gesundheitswesen und unser ältester Sohn, Moritz, hat als Ingenieur ein gutes Verständnis für die Architektur und Technik einer komplexen Immobilie. Durch den Rückhalt meiner Familie, die hervorragenden Ärzte als Mieter und die ausgezeichnete Unterstützung unseres Verwalters, kann ich mich allmählich zurückziehen und bin zuversichtlich, dass das Haus für die nächsten 50 Jahre bestens gerüstet ist.

Im Café "Heilbar" im Ärztehaus hängt unter anderem ein Bild von Dr. Robert Ehret (Künstler: Otto Dix), dem Gründer des Ärztehauses. Darunter sitzt Dr. Thomas Ehret. | Foto: Kim Kroll
Die „produktive Schicksals- und Feiergemeinschaft“ zeigte sich auch zwischen dem Bauherrn Dr. Robert Ehret (links) und dem Architekten Martin O. Graf (rechts). Hier sind die beiden zu sehen in freundschaftlicher Verbundenheit beim Skifahren Anfang der 70er Jahre.  | Foto: privat/Thomas Ehret
Autor:

Anja Kurz aus Engen

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