Mode-Einzelhandel wird lauter angesichts fehlender Perspektiven
»Es ist schon 5 nach 12 für die Innenstädte«

Modehandel aufmerksam | Foto: Mit provokativen Plakaten macht der Modenhandel seit Montag auf seine bedrohliche Lage aufmerksam. swb-Bild: cfk
  • Modehandel aufmerksam
  • Foto: Mit provokativen Plakaten macht der Modenhandel seit Montag auf seine bedrohliche Lage aufmerksam. swb-Bild: cfk
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Singen. »Wir machen auf....« heißt es auch in einigen Schaufenstern in den hiesigen Einkaufsstädten der Region. Der Satz geht freilich mit »...merksam« weiter und ist eine konzertierte Aktion des Modehandels in Deutschland, der damit auf die gravierenden Auswirkungen des Lockdowns wie auch die ungerechte Verteilung von Entschädigungen hinweisen.
Der Modehandel sieht sich vor schier unlösbaren Problemen: abgesagtes Weihnachtsgeschäft, abgesagte Hochsaison »zwischen den Jahren«, die inzwischen die umsatzstärkste Woche geworden ist. Und der sonst im Januar beginnende Schlussverkauf, mit dem wenigstens Lager geleert werden könnten, steht noch völlig in den Sternen.

Die Aktion unter dem Titel »freundschaftsdienst.eu« haben Uwe Bernecker, Geschäftsführer des Labels Funky Staff aus Frankfurt, und Günter Nowodworski, Now Communication aus Airach, initiiert. »Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, aktiv und vor allem laut zu werden«, so Nowodworski in der Einladung. Die Nachricht über den bayerischen Intersporthändler »Siebzehnrübl«, der aus Protest und Verzweiflung beim Beginn des Lockdowns seinen Laden öffnen wollte, dann aber wieder zurückruderte angesichts der Androhung heftiger Strafen, habe für große Aufmerksamkeit gesorgt. Diese Aufmerksamkeit will man nun mit der Headline »Wir machen auf ... merksam« nutzen. Deshalb wurde der Start auch auf den 11. Januar gesetzt, an dem der vor Weihnachten gesetzte Lockdown mit geschlossenen Läden hätte enden sollen, aber in der letzten Woche auf Ende Januar verlängert wurde.

Die Politik denkt nicht an den Rattenschwanz

Das gelbe Plakat mit dem provozierenden Slogan hängt zum Beispiel im Singener Modehaus Heikorn. Und da steht auch Thomas Kornmayer voll hinter der Aktion, denn jetzt seien Grenzen erreicht, die Unternehmen der Modebranche seien vielerorts am Ende. Und damit seien auch viele Innenstädte absolut bedroht, meint Kornmayer. Er sieht den Modehandel viel schlechter behandelt sogar als die Gastronomie, die ja neben Anteilen der Umsätze trotzdem etwas Geld mit Liefer- und Abholservice machen könnte, sagt er im Gespräch mit dem Wochenblatt. »Die Politiker müssten sich eigentlich im klaren sein, dass all die Unternehmen nun keine Steuern zahlten, also Geld für die Zukunft fehle für den Erhalt von Infrastruktur, und der Lockdown noch einen riesigen Rattenschwanz nach sich ziehen wird«, sagt er. Und: »Wenn ich schaue welches Gedränge es in den Discountern und in den Drogeriemärkten gibt und wie viel Platz wir in unseren Geschäften hätten, frage ich mich, wo da eine Gerechtigkeit ist«, so Kornmayer nicht ohne Zorn. »Eine Innenstadt ohne Handel ist keine Innenstadt mehr«, beschwört er die Gefahr vieler Lücken nach diesen Zwangspausen herauf.«

Kunden stärken zum Glück den Rücken

Das Singener Sportgeschäft »Intersport Schweizer« ist an der Aktion nicht beteiligt, weil kein Modehandel. Aber auch dort wurde auf den bayerischen Kollegen »Siebzehnrübl« vor Weihnachten geblickt, der für einen Tag in den Schlagzeilen war. »Unser Haus hat einen großen Schwerpunkt im Wintersport, was dieses Jahr fast komplett zusammengebrochen ist. Man mag es kaum glauben, aber Schneeschuhe waren in diesen Wochen der am stärksten nachgefragte Artikel, weil ja auch die Perspektive fehlte, Ski überhaupt einsetzen zu können«, sagt Inhaber Otto Schweizer jun. im Gespräch mit dem Wochenblatt. Das hat die ganze Branche getroffen. »Und die vollen Lager werden in diesem Jahr auf die Hersteller in der Folge zurückschlagen, weil die meiste Ware dieser Saison noch da ist. Unser Plus war, dass wir uns mit Fitnessartikeln als Alternative eingedeckt haben, was jetzt über den Onlinehandel zumindest einen kleinen Basisumsatz generiert und dass man als einziges Haus Fitness-Großgeräte habe, was Ersatz für die geschlossenen Fitnesscenter sein könne. »Uns haben auch viele Kunden den Rücken gestärkt, die uns Mut machen. Wir geben alles und kämpfen mit unseren Mitarbeitern um unser Geschäft«, zeigt er sich entschlossen.

Schon fünf nach 12

»Genau gesehen ist es schon nicht mehr fünf vor, sondern schon fünf nach 12», sagt Stefan Suszek, Filialleiter von Mode Zinser in Singen. Auch die Modekette hat sich der kurzfristig gestarteten Aktion angeschlossen, um den Ernst der Lage damit in die Öffentlichkeit zu tragen. »Der erste Lockdown im Frühjahr war eine hässliche Situation, aber sie hatte ein Ende und ging vorbei. Jetzt haben wir die Lager voll, die neue Ware ist längst bestellt und kommt und muss bezahlt werden. Und da fehlt gerade jede Perspektive«, sagt er im Gespräch mit dem Wochenblatt. »Ich möchte mir nicht ausmalen, wie die Innenstädte in einem halben Jahr aussehen, wenn das noch weiter geht mit den Lockdown, was sich ja gerade andeutet«. Die Innenstädte spielen nach seinem Empfinden in der Politik eine viel zu geringe Rolle.

»Aufmachen angekündigt«

In den sozialen Medien wird derzeit für den 18. Januar ausgehend von Nordrhein-Westfalen eine »Wir machen auf«-Aktion angekündigt, bei der Geschäfte tatsächlich aus Protest gegen den Lockdown öffnen wollen.

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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