Lotte('s Lädle) ist für alle da
Secondhand-Laden trifft Omas Wohnzimmer

In Lotte's Lädle sind auf der Fensterbank einige Bilderrahmen mit Bildern fürsorglicher und beeindruckender Omas zu finden. So auch die Namensgeberin Lotte (großes Bild), links: Claudia Wils-Keiling, erste Vorsitzende von Lotte's Lädle. | Foto: Anja Kurz
  • In Lotte's Lädle sind auf der Fensterbank einige Bilderrahmen mit Bildern fürsorglicher und beeindruckender Omas zu finden. So auch die Namensgeberin Lotte (großes Bild), links: Claudia Wils-Keiling, erste Vorsitzende von Lotte's Lädle.
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Singen. "Oma macht das schon" - dieses Wissen begleitet schon einige Generationen auf dem Weg zum und durch das Erwachsenenleben. Von Hausmittelchen gegen eine Erkältung oder einen hartnäckigen Fleck in der Kleidung bis zu ihren Lebensweisheiten, auf Oma ist meist Verlass. Mit genau diesem Grundsatz hat die SozialpädagoginClaudia Wils-Keiling 2021 den Verein "Lotte's Lädle" gegründet. Inspiration war für die erste Vorsitzende ihre eigene Großmutter, bei der sie auch aufgewachsen ist: die Namensgeberin Lotte.

Hinter dem Verein steckt dabei auch ein Gebrauchtwarenladen. Die Idee hatte Claudia Wils-Keilings während ihrer damaligen Arbeit in der Familienhilfe, bestärkt wurde sie durch die Teilnehmer der Singener Sozialrunde. Nach den Schließungen von "Fairkauf" und "Jacke wie Hose" gab es zunächst keinen Secondhand-Laden in Singen, was in der Runde jedoch laut der Sozialpädagogin oft vermisst wurde.

Trotzdem dauerte es etwas, bis der Verein gegründet und mit der alten Caritas-Werkstatt "St. Pirmin" ein kleiner Raum für ihn gefunden wurde. Heute breitet sich Lotte's Lädle inklusive Lager auf 360 Quadratmetern aus. Hier gibt es alles, was man so braucht "und was wir nicht haben, braucht man auch nicht", so Claudia Wils-Keiling. Angeboten werden je nach Jahreszeit passende Schuhe und Kleidung, der Rest ruht solange im Lagerraum. Teller, Tassen und andere Haushaltsgegenstände und plastikfreies Spielzeug, wie beispielsweise Puzzles, gibt es auch. Denn Nachhaltigkeit ist ein weiterer zentraler Gedanke hinter dem Lädle. Entsprechend kann Jede und Jeder Dinge vorbeibringen oder mitnehmen, die Auswahl dort biete etwas für jeden Geschmack. Auf das Wort "sozial" für den gemeinnützigen Verein wurde bewusst verzichtet: "Damit hat man schnell einen Stempel und die Menschen denken 'Das ist nichts für mich, mir gehts ja gut.' Aber darum, wer wie viel Geld hat, geht es bei uns gar nicht." Bisher öffne der Laden eher unregelmäßig, was im Vorfeld über Aushänge oder per Social Media bekannt gemacht wird. Durch den Laden finanziert das Lotte-Team andere Angebote und Projekte.

Kaffee und Kekse im Wohnzimmer

"Der größte und der schönste Raum ist unser Wohnzimmer", beschreibt Claudia Wils-Keiling das Herzstück von Lotte's Lädle. Eigentlich wird das dort sowieso nur "Lotte" genannt, der Zusatz war auch nötig, weil es einen "Lotte e.V." schon gab. Im Wohnzimmer soll sich jeder wohlfühlen. Ein Regal aus gestapelten Blechboxen enthält Bücher und Spielzeug, es gibt einen großen Tisch mit Platz für acht Leute oder mehr, Wandteller, Bilder und eine Kaffee-Bar - wie bei Oma eben. Das Wohnzimmer ist meist samstags zwischen 10 und 14 Uhr geöffnet. Dort gebe es dann immer etwas zu trinken, zu essen, andere Besuchende zum Unterhalten und auch ein offenes Ohr oder einen Rat von den Teammitgliedern. "Wir wollen hier nicht die Welt retten", meint Wils-Keiling. Vielmehr gehe es darum, mit den Besuchenden Hürden zu bewältigen, sie innerhalb ihres Netzwerks an die richtige Anlaufstelle weiterzuvermitteln. Als persönlicher Ansprechpartner gelinge es so zum Beispiel, die Angst vor einem Behördengang zu verringern. Weil so eine Frage meistens nicht samstags auftaucht, sei über eine WhatsApp-Nummer oder Social Media jederzeit jemanden zu erreichen.

In Deutschland empfindet Claudia Wils-Keiling den Familienzusammenhalt anders, als in anderen Ländern: "Da geht keine Oma ins Altersheim. Da gibt es etwas wie ein Heim nicht einmal." Mit Lotte's Lädele und insbesondere dem Wohnzimmer einen Begegnungsort für alle Generationen zu schaffen, bezeichnet die Sozialpädagogin als Hauptziel. Aus den hier auftauchenden Bedürfnissen entstehen dann teils weitere Projekte. Aktuell sei etwa ein Festtagsmodeverleih im Aufbau. Egal für welchen Anlass wollen die Mitarbeitenden von Lotte's Lädle einen Fundus aufbauen, vom Anzug über das Hochzeits- bis zum Cocktailkleid und die Stücke dann gegen eine Kaution verleihen.

Das Team bestehe momentan aus drei bis maximal fünf Leuten, die hier neben ihrem Vollzeitjob helfen. Dabei wäre mit mehr Mithelfenden noch einiges möglich, so könnte beispielsweise im Laden für mehr Wechsel gesorgt und dieser häufiger geöffnet werden. Das Lager sei gut gefüllt, biete dadurch aktuell keinen Platz für neue Spenden. So verbringen die Helfenden die meiste Zeit mit Sortieren und Einräumen der Sachen. Die Teammitglieder hätten sich dabei über die Zeit gefunden: "Alle, die hier sind, haben sich bewusst dafür entschieden, etwas Wertvolles zu machen. Auch, um nicht allein zu sein."

Und was ist nun Lottes gute Nachricht? "Lotte ist für alle da. Hier ist es egal, wie alt man ist, wo man herkommt, welche Hautfarbe man hat, was man beruflich macht. Hier darf man einfach nur Mensch sein."

Autor:

Anja Kurz aus Engen

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