Kickoff für die regionale Wirtschaft in Singen
Das Thema Wasserstoff gewinnt gehörig an Dynamik

Singens OB Bernd Häusler bei der Begrüßung der rund 100 Gäste des Wasserstoff Kick-Offs im der Bildungsakademie. Sie Stadt Singen braucht jetzt Zumeldungen, wer in Zukunft Wasserstoff nutzen könnte, damit ein regionales Versorgungsnetzt aufgebaut werden kann. | Foto: Oliver Fiedler
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  • Singens OB Bernd Häusler bei der Begrüßung der rund 100 Gäste des Wasserstoff Kick-Offs im der Bildungsakademie. Sie Stadt Singen braucht jetzt Zumeldungen, wer in Zukunft Wasserstoff nutzen könnte, damit ein regionales Versorgungsnetzt aufgebaut werden kann.
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Singen. Im letzten November war der Schreck groß, als in Berlin die Karte für ein künftiges "Wasserstoff-Kernetz" für Deutschland veröffentlicht wurde, auf dem unsere Region ein weißer Fleck war. Fernab der großen Pipelines, die das "Gas der Zukunft" hierher bringen sollten, um damit die Transformation der Wirtschaft weg von fossilen Brennstoffen, eine Sicherung der Stromversorgung, eine Alternative für CO₂-neutrale Mobilität im großen Stil umzusetzen und noch viel mehr.

Der Schreck des weißen Flecks, der bedeutet hätte das der Landkreis und seine Nachbarschaft "abgehängt" würden von der dadurch möglichen Entwicklung, ist freilich inzwischen in vielfältige Aktionen und Kampagnen gemündet, wie am Montagabend bei einem Kick-Off des Standortmarketing "singen aktiv" mit vielen Experten und Vordenkern verdeutlicht wurde.
Vermutet wird, dass es im letzten Herbst wohl Kommunikationspannen gegeben habe, da sich damals Firmen wie Kommunen oder Landkreise hätten rühren sollen, um ihren künftigen Bedarf anzumelden, aufgrund dessen, dann dieses Kernnetz weitere Äste bekommen könne.

"Wer sich nicht rührt..."

Dazu hat die Stadt Singen über das "Reallabor", das mit der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Gestaltung Konstanz (HTWG) unter dem Hohentwiel mit "Dekarbonisierung" als einem Ziel kooperiert, sowie durch die Singener Klimamanagerin Johanna Volz mittlerweile Flagge gezeigt und einen Förderantrag gestellt beim Land für die Entwicklung eines lokalen Wasserstoffkonzepts. Für das ist jetzt freilich die Mithilfe unter anderem der Unternehmen ganz wichtig, die nun ihren möglichen Bedarf hier mit einbringen, um dieses Konzept sozusagen mit Inhalt zu füllen. "Wer sich hier nicht konkret rührt, wird auch nicht berücksichtigt", machte der Singener OB Bernd Häusler bei der Begrüßung der rund 100 Gäste des Wasserstoffgipfels deutlich. Der Zielpunkt einer "verlässlichen Versorgung" mit dem "Gas der Zukunft" liegt mit 2032 nur gefühlt in weiter Ferne, denn das ist in acht Jahren. Und dafür muss sich noch eine ganze Menge verändern.

Dass ein solches Wasserstoffnetz keineswegs neu ist, berichtete die Expertin Maike Schmid vom Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg. Im Ruhrgebiet gibt es sowas schon seit 1940 für die Versorgung der Schwerindustrie und Chemieunternehmen. Dem Gas, das unter anderem per Elektrolyse - also mit Strom - aus Wasser gewonnen werden kann, kommt eine ganz zentrale Rolle auf dem Weg zur Klimaneutralität zu, es sei der Treiber der Transformation für Industrie und Energieversorgung.
Dazu gebe es mehrere Ziellinien: Gemäß dem im Auftrag des Bundesverbands der deutschen Industrie erstellten
Szenarios "Klimapfade 2.0" sollen Wasserstoff und seine synthetischen Folgeprodukte im Jahr 2045 etwa 34 Prozent des deutschen Endenergieverbrauchs decken, was eine gewaltige Menge ist. Oder gemäß der "Hydrogen Roadmap Europe"  solle Wasserstoff im Jahr 2050 rund 24 Prozent des Endenergieverbrauchs der EU decken, während die anderen erneuerbaren Energieträger ebenfalls gewaltig zulegen müssten. Faktor ist das "H2" auch im Bereich Mobilität, zum Beispiel für LKW.

Singens OB Bernd Häusler bei der Begrüßung der rund 100 Gäste des Wasserstoff Kick-Offs im der Bildungsakademie. Sie Stadt Singen braucht jetzt Zumeldungen, wer in Zukunft Wasserstoff nutzen könnte, damit ein regionales Versorgungsnetzt aufgebaut werden kann. | Foto: Oliver Fiedler
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Dabei kommt der Wasserstoff nicht irgendwann einfach aus der Leitung, machte sie klar. Nötig sei, hier eine dezentrale regionale und lokale Produktion aufzubauen, um damit auch den Umbau in der Region schon davor voranzutreiben, Schritt für Schritt, verdeutlichte sie die gewaltige Aufgabe, die hier vor allen steht. Denn vor 2028/30 werde keine Pipeline das Land erreichen, die Wirtschaft müsse aber dann schon längst die ersten Schritte ihres Umbaus über lokale und regionale Lösungen umgesetzt haben.
Der Netzbetreiber "Thüga Energienetze" (THEN) sieht sich parat: Schon jetzt seien 95 Prozent des überregionalen Leitungsnetzes für den Transport von Wasserstoff geeignet, sagte Markus Wörz, Leiter Energiepolitik, Thüga Aktiengesellschaft, München. Die überregionalen Pipelines des Netzbetreibers Terranet BW für Gas würden in Orsingen aus zwei Himmelsrichtungen zusammentreffen. Aber das H2 geht da erst durch, wenn kein Gas mehr transportiert wird, was nach den Plänen erst in 2040 der Fall sein werde. Schon deshalb werden die lokalen Erzeuger hier eine besondere Rolle spielen müssen.

Container oder Rheinwasser

Das daran viel und schon eine ganze Weile gearbeitet wird, zeigte Dr. Fabian Burggraf von den "Klimafreunden Südbaden" auf, die in 2022 das trinationale Projekt "3H2" mit initiierten. Dabei entwickeln sie mit ganz vielen Partner eifrig Pläne für das Dreiland von Albruck am Rhein über Basel bis Freiburg und Mulhouse als regionalen "Cluster" mit Strahlkraft. Immer wieder geht es um die Frage, wie hier mit überschüssigem "grünem Strom" auch "grüner Wasserstoff" lokal erzeugt werden kann, der so konkurrenzfähig wäre. Ein solcher Cluster will auch der Landkreis Konstanz werden.

Die Wasserstoff-Pipelines sollen bis etwa 2030 auch durch unsere Landschaft führen können. | Foto: THEN
  • Die Wasserstoff-Pipelines sollen bis etwa 2030 auch durch unsere Landschaft führen können.
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Maximilian Kuhnert vom Unternehmen H-TEC SYSTEMS aus Augsburg konnte auf 27 Jahre Erfahrung in der Entwicklung von sogenannter "PEM Elektrolyse" verweisen, die mit Mikrofolien sehr sauberes H2 ohne Chemie aus Wasser produziere, was in Modulen als Containerlösung angeboten wird. Das System könne auch von Solaranlagen mit Strom gespeist werden. Die Firma ist inzwischen ein Tochterunternehmen von MAN, sprich des VW-Konzerns.
Schon einen Schritt weiter zeigte sich das Schweizer Unternehmen "H2 Energy", für das Geschäftsführer Lucas Grolimund nach Singen gekommen war. Unter anderem ebenfalls mit der PEM-Technologie als Basis haben man in kurzer Zeit - ohne jegliche öffentliche Förderung - in der Schweiz das dichteste Netz an Wasserstofftankstellen aufgebaut, für den Lastverkehr. Und mit dem koreanischen Hersteller "Hyundai" wurden Zugmaschinen auf Brennstoffzellen-Technologie, also für den Betrieb mit Wasserstoff, entwickelt, nachdem man in Stuttgart dazu abgewunken habe.
Wie viel Forschungs- und Entwicklungspotenzial in der Region steckt, zeigte Prof. Dr. Gunnar Schuber auf, am Beispiel des "Institut für angewandte Thermo- und Fluiddynamik" in der HTWG - und da setzt man auf Partner aus der Region.

Riesenpower von der Sonne

Dass die Energie für diese Umstellung im Übermaß zur Verfügung steht, führte Franz Reichenbach vom ISC Konstanz (International Solar Energy Research Center) zur Verblüffung vieler vor: Die Sonne strahle so irrsinnig viel Energie ab, dass 50 Minuten Sonnenstrahlung auf die Erde den gesamten Energiebedarf der aktuellen Menschheit decken könnte. Die Nutzung dieser Energie ist freilich von vielen Verlusten geprägt, Photovoltaik habe zum Beispiel einen Wirkungsgrad von 25 Prozent. Damit könnte man rechnerisch in vier Stunden den Jahresbedarf gewinnen, was freilich bedeute, die Erde komplett mit Modulen zupflastern zu müssen.
Auch nach Abzug aller Einschränkungen gibt es noch einen riesigen energetischen Überschuss nur durch Sonnenenergie. Da könnte man jetzt noch Erdwärme oder die Gezeitenenergien durch den Mond wie die Winde dazurechnen. Fazit: Regenerative Energie ist im Überfluss da. Die Verstofflichung dieser Energie in Wasserstoff würde sie lagerfähig und immer zuverlässig verfügbar machen.
Und auf diesen Weg macht sich die Region nun.

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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