Umjubelte Färbe-Premiere von "Freunde in der Not"
Wenn Hund und Katz nicht (nicht) kommunizieren

Einen so selten dagewesenen Einblick in die menschliche Psyche erhält das Publikum mit Nete Manns Inszenierung von Alan Ayckbourns "Freunde in der Not". | Foto: Eric Bührer/Färbe
  • Einen so selten dagewesenen Einblick in die menschliche Psyche erhält das Publikum mit Nete Manns Inszenierung von Alan Ayckbourns "Freunde in der Not".
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Singen. Welchen Freunden können wir wirklich trauen und inwiefern helfen sie uns, die eigene Trauer zu überwinden? Diese und viele weitere Fragen werden in der bitterbösen Komödie "Freunde in der Not" beantwortet, welche am 12. April unter der Regie von Nete Mann in der Singener Färbe seine umjubelte Premiere feiern konnte.

"Du hast einen Freund in mir": So heißt es übersetzt aus dem Titellied des Animationsklassikers "Toy Story", welches zu Beginn des Stückes eingespielt wird. Doch wie tief kann eine Freundschaft wirklich gehen? Wie verbunden kann ich einer Person gegenüber sein? Schon beim Auftreten der ersten beiden Frauenfiguren wird deutlich, dass eine gewisse Emotionalität in der Luft liegt, welche im Laufe der Inszenierung immer mehr ausartet.

Die Ausgangssituation

Im Hause von Diana (Dina Roos) und Paul (Martin Olbertz) treffen sich die launische Evelyn (Alexandra Born), ihr Mann John (Elmar F. Kühling) und Marge (Magdalena Herzberg) zum Tee. Sie warten auf Colin (Fionn Stacey), einen Freund aus früheren Zeiten, um ihm bei der Trauer um seine verstorbene Partnerin zur Seite zu stehen. Aber ausgerechnet der vermeintlich Notleidende erweist sich als derjenige, der von allen am wenigsten Trost und Aufheiterung braucht. Wie ein Damoklesschwert hängt eine Affäre über dem Treffen und bringt die extremen Spannungen, die unter den Freunden und Paaren herrschen, ans Licht.

Anschauungsunterricht der Kommunikation

Bereits die Inszenierung von "Falsche Schlange" durch Cornelia Hentschel im April 2023 war ein voller Erfolg. An ein weiteres Werk des britischen Meisterautors Alan Ayckbourn wagte sich hier Regisseurin Nete Mann, die mit dem Stück eine mehr als beeindruckende Färbe-Premiere feierte.Ayckbourn ist für seinen rabenschwarzen Humor mit tiefen, emotionalen Ebenen bekannt. Wie tief diese gehen können, lässt sich wunderbar an der Figur von Evelyn, großartig gespielt von Alexandra Born, aufzeigen. In nahezu jeder Situation macht die vermeintlich launisch und desinteressiert wirkende Frau Johns dem Kommunikationsmodell nach Friedrich Schulz von Thun alle Ehre. Demnach stecken in jeder Äußerung die vier Aspekte der Sachebene, der Selbstkundgabe, der Beziehungsseite und der Appellseite.
Evelyn zeigt sich in einer scheinbar passiven Weise sehr interessiert an den kleinen Lügen- oder Wahrheitsgeschichten ihrer Mitmenschen. Nach dem Motto "Was ihr könnt, kann ich auch" tratscht sie Diana und Marge so zu, dass diese zunächst verstummen. 
Spätestens jedoch, als eine Affäre aufgedeckt wird und der vermeintlich trauernde Colin die Szenerie aufmischt, wird das Fass endgültig zum Überlaufen gebracht. Die Charaktere benehmen sich - passend zum Theater-Poster - wie Hund und Katz. Ab diesem Zeitpunkt erleben die Zuschauer eine Lehrstunde über Kommunikation auf aller höchstem Niveau. Hierbei es gelingt es Nete Mann meisterlich, mit Paul Watzlawicks "Man kann nicht nicht kommunizieren" eine der bedeutendsten Prämissen der Kommunikation auf die Spitze zu treiben. Mit dem dahinterliegenden emotionalen Eisberg erreicht das an diesem Abend herausragend aufgelegte Färbe-Ensemble schauspielerische Höchstleistungen.

Schmerzhaftes Lachen

Durch nonverbale Gesten, das schlichte Austauschen von Blicken sowie der Betonung werden die Ebenen des Eisbergmodells, bei dem sich in der Kommunikation Bewusstes über und Unbewusstes unter der Wasseroberfläche gegenüberstehen, perfekt widergespiegelt. Behauptungen und das damit verbundene Misstrauen gegenüber einer Person lassen so tief in die menschliche Psyche blicken, wie es ein Theaterstück nur selten schafft und werden dem Publikum knallhart offengelegt.

Dies zeigt sich in den letzten fünfzehn Minuten am besten bei Evelyn, Diana und Paul, dessen schmerzhaft wirkendes Lachen die vorangegangenen anderthalb Stunden perfekt auf den Punkt bringen. So endet das Stück mit einem Satz von Marge, welcher so widersprüchlich wie auch bestärkend für solche Situationen stehen kann: "Man kann sich die Zeit weit schlimmer vertreiben. Als friedlich mit Freunden zusammensitzen. Tut gut, hin und wieder, tut gut."

Bis Ende Mai 2024 wird das Stück jeweils am Mittwoch, Donnerstag, Freitag und Samstag aufgeführt, Beginn jeweils um 20.30 Uhr. Am Sonntag, 5. Mai, gibt es zudem eine Matinée-Vorstellung um 11 Uhr.

Autor:

Philipp Findling aus Singen

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