Energiepreise steigen oft erst mit »Verspätung«
Das dicke Ende kommt erst noch

Die aktuellen Turbulenzen auf den Energiemärkten, die übrigens schon vor dem Ukrainekrieg einsetzten, treffen die regionalen Energieversorger auch zu einem Zeitpunkt, da sie selbst auf regionale Marktveränderungen reagieren. Sowohl die Thüga Energienetze wie die Netzgesellschaft der Stadtwerke Radolfzell müssen aktuell viel Geld in neue Transformationen investieren, um starke Schwankungen durch regenerative Energien wie auch durch E-Mobilität verkraften zu können. Im Bild die Baustelle der Thüga Energienetze an der B 34 bei Singen. | Foto: swb-Bild: Oliver Fiedler
  • Die aktuellen Turbulenzen auf den Energiemärkten, die übrigens schon vor dem Ukrainekrieg einsetzten, treffen die regionalen Energieversorger auch zu einem Zeitpunkt, da sie selbst auf regionale Marktveränderungen reagieren. Sowohl die Thüga Energienetze wie die Netzgesellschaft der Stadtwerke Radolfzell müssen aktuell viel Geld in neue Transformationen investieren, um starke Schwankungen durch regenerative Energien wie auch durch E-Mobilität verkraften zu können. Im Bild die Baustelle der Thüga Energienetze an der B 34 bei Singen.
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Kreis Konstanz. Die Autofahrer haben nicht nur den aktuellen Krieg in der Ukraine als erste gleich am Geldbeutel gemerkt, die Spritpreise stiegen dramatisch an und das macht auch manches Haushaltsbudget deutlich schmaler, wenn man aufs Auto angewiesen ist oder nicht darauf verzichten will. Bei den weiteren Energiepreisen kommt das wirklich dicke Ende erst noch, wie das Wochenblatt bei einer Umfrage in der Region in Erfahrung brachte. Denn da im Bereich von Strom und Gas, aber auch für direkte Wärme mit sogenannten Abschlagsmodellen auf einen Jahrespreis für einen geschätzten Verbrauch gearbeitet wird, kann eine Erhöhung erst später umgesetzt werden.

Und die kommt bestimmt, sagen die Vertreter der Energieversorger und Stadtwerke hier in der Region. Spätestens zum nächsten Jahreswechsel. Am schnellsten spüren es die, die von ihren Energie-Discountern im Stich gelassen wurden, weil die ihre Preise nicht halten konnten, auch wenn deren Anteil hier in der Region gar nicht so groß ist, wie sich auch herausstellte, da sich doch die meisten durch die regionalen Anbieter versorgen lassen.

Hier einige Fragen an Dr. Markus Spitz, Geschäftsführer der Thüga Energie in Singen.

Frage:
Wie stark werden die Strom- und Gaspreise für Ihre Kunden steigen – und vor allem für welche und auch wann?
Dr. Spitz: Wie auch bei anderen Versorgern bundesweit wurden und werden die Preise für Strom und Gas aufgrund der massiven Preiserhöhungen an den Beschaffungsmärkten leider weiter steigen. Die Preissteigerung hängt vom jeweiligen Tarif des Kunden ab.
Wir begrüßen vor diesem Hintergrund die von der Bundesregierung angekündigten Entlastungen, insbesondere den Wegfall der EEG-Umlage beim Strom in der zweiten Jahreshälfte 2022, und werden diese selbstverständlich an unsere Kunden weitergeben.

Frage:
Haben Sie Vergleichszahlen zum Jahresbeginn 2021für Strom und Gas?
Dr. Spitz: Gemäß Brancheninformation des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. (BDEW) liegt der durchschnittliche Strompreis für Haushalte im bisherigen Jahresmittel 2022 um 15,5 Prozent höher als 2021.
Der durchschnittliche Erdgaspreis für Haushalte in Einfamilienhäusern mit einem Jahresverbrauch von 20.000 kWh liegt im bisherigen Jahresmittel 2022 gegenüber 2021 um 95 Prozent höher (bundesweit).

Frage: Erwartet Ihr Unternehmen in nächster Zeit da noch eine weitere Aufwärtsspirale?
Dr. Spitz: Energiepreise werden von vielen verschiedenen Faktoren beeinflusst. Daher machen wir zur Entwicklung der Preise grundsätzlich keine konkreten Prognosen. Aber natürlich ist der Druck auf die Strom- und Gaspreise aufgrund des Krieges in der Ukraine enorm. Hinzu kommt, dass die Großhandelspreise bereits vor Kriegsausbruch auf einem außergewöhnlich hohen Niveau lagen. Das verteuert für die Energieversorger die Beschaffung von Strom und Gas ganz erheblich. Die Politik muss hier alle Optionen prüfen, wie die Bürgerinnen und Bürger bei steigenden Preisen entlastet werden können. Hier wird das Energie-Entlastungspaket der Bundesregierung hoffentlich seine Wirkung entfalten.

Frage: Wie kommt es, dass Strompreise bei der Thüga ansteigen, obwohl sie nach ihren Angaben für die privaten Stromkunden gar keinen Strom mehr aus fossilen Energieträgern mehr anbietet?
Dr. Spitz: Die in Deutschland über die öffentlichen Stromnetze gelieferten Strommengen müssen alle über den Großhandelsmarkt eingekauft werden. Dies gilt auch für die Ökostrommengen. Insofern folgt der Preisbildungsmechanismus für Ökostrommengen ebenso den Preisentwicklungen des Großhandelsmarktes.

Frage: Haben Sie viele »Neukunden«, die mit Grundversorgung zu Ihnen gekommen sind, da ihre Anbieter die Verträge gekündigt hatten? Wissen Sie wie viele?
Dr. Spitz: Auch wir mussten im vergangenen Winter Kunden von Energie-Discountern aufnehmen, die aufgrund gestiegener Beschaffungspreise ihre Kunden nicht mehr weiter mit Strom und Gas beliefern konnten oder wollten. An allen unseren drei Standorten Hegau-Bodensee, Allgäu-Oberschwaben und Rhein-Pfalz wurden uns Kunden in die Ersatzversorgung gemeldet.

Stadtwerke in Wartestellung

Bei den Stadtwerken Radolfzell gibt es ein paar mehr Zahlen: »Im Strom werden wir für das laufende Jahr grundsätzlich stabile Preise zeigen können. Es gab zwar Anpassungen von fünf Prozent, aber der Anstieg wird mit dem Wegfall der EEG-Umlage überkompensiert. Dies bedeutet, dass unsere Kunden ab 1. Juli sogar niedrigere Strompreise bezahlen, als zu Beginn des Jahres«, teilte Mediensprecherin Anette Abdessemed auf Anfrage des Wochenblatts mit. Und: »Bei Gas gab es die erste Erhöhung für einen Teil unserer Produkte.  Etwa 40 Prozent der Kunden waren davon betroffen. Die Erhöhung hat etwa 15 Prozent ausgemacht. Weitere Erhöhungen können je nach weiterer Entwicklung folgen.« Ein Großteil der SWR-Kunden hat übrigens ein Fixpreisprodukt. Dies bleibt bis zum 30. September stabil. Dann könnte freilich eine deutliche Erhöhung drohen, wenn man die aktuellen Entwicklungen verfolgt. Bei den Stadtwerken Radolfzell wird die Zahl der Kunden, die wegen Lieferstopps der Discounter wechseln mussten, mit »im unteren dreistelligen Bereich« angegeben. Man habe lokal einfach eine sehr hohe Kundenzufriedenheit.
»Wir verzeichneten innerhalb der letzten vier Monate etwa 300 Zuordnungen in der Grund-/Ersatzversorgung Strom und circa 150 Zuordnungen in der Grund-/Ersatzversorgung Gas. Zudem gab es mehr Tarifanfragen aufgrund vorgenommener Preismaßnahmen fremder Lieferanten, sodass in den nächsten Monaten mit weiteren Zuwächsen zu rechnen ist«, antwortet Steffanie Hornstein, Marketingbeauftrage der Stadtwerke Stockach auf diese Frage. Dabei ist dort die Situation aktuell sehr stabil: »Die Stadtwerke haben eine vorausschauend, längerfristige und ausgewogene Einkaufsstrategie. Eine im Verhältnis zur Entwicklung der Börsenpreise kleine Preisanpassung erfolgte in 2022 bisher nur in der Gas-Grundversorgung, für Strom-Bestandskunden gab es noch keine Preiserhöhung.« Aber auch hier: »Dennoch sind wir von den extremen Preissteigerungen stark betroffen. Die Preise werden steigen, in welcher Höhe können wir noch nicht beziffern.«
Und auch bei den Stadtwerken Engen wird erst noch mal auf »später« verwiesen: »Die allermeisten Kunden haben für 2022 eine Preisgarantie und damit die gleichen Preise wie in 2021. Wir rechnen in 2023 mit einer sehr deutlichen Preissteigerung. Kalkuliert werden die ab 2023 geltenden Preise aber erst Ende des Jahres«, schreibt Peter Saterna, der Geschäftsführer der Stadtwerke Engen. Dort wird die Zahl der »Neukunden« als Zwangswechsler von den Energie-Discountern mit 30 auch als Zeichen für ein hohes Regionalbewusstsein gesehen.

Sicher ist: Das Thema wird uns auch die nächsten Wochen und Monate in Atem halten.

Autor:

Oliver Fiedler aus Gottmadingen

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